Gastbeitrag

Bundeshaushalt: Deutschland muss wieder auf die Schuldenbremse treten

Niklas Potrafke fordert für Deutschland nach der Coronakrise wieder ausgeglichene Haushalte und ein Einhalten der Schuldenbremse.


Quelle:
Welt online

Der Bund hat sich wegen der Coronakrise stark verschuldet. Das war völlig richtig. Aber für den Haushalt 2022 wurde die Schuldenbremse erneut ausgesetzt. Das schränkt den Handlungsspielraum der nächsten Generationen ein.

Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung sieht für das Jahr 2022 eine Nettokreditaufnahme von knapp 100 Milliarden Euro vor. Das sind, umgerechnet auf die 83 Millionen Einwohner in Deutschland, rund 1200 Euro pro Kopf. Ein immenser Betrag an neuen Schulden für ein einzelnes Jahr. Die Regierung führt mit diesem Entwurf ihre Politik der Jahre 2020 und 2021 fort. Der Staat musste sich im Zuge der Coronakrise neu verschulden, um dem Einbruch der Wirtschaftsleistung und drohender Arbeitslosigkeit entgegenzutreten. Das war richtig so. Nur kann sich der Staat nicht auf ewig immer wieder neu verschulden - die Schulden müssen irgendwann zurückgezahlt werden, und sie engen Handlungsspielräume für zukünftige Ausgaben ein, beispielsweise für den Klimaschutz und die Digitalisierung. Der demografische Wandel wird weiter steigende Sozialausgaben hervorrufen, die finanziert werden müssen. Die Regierung muss daher sehr sorgfältig abwägen, wie viel neue Schulden es sein sollen.

Um die Staatsverschuldung institutionell zu begrenzen, wurde die Schuldenbremse ins Grundgesetz aufgenommen. In Notsituationen, wie wir sie durch Corona erlebt haben, kann sie zeitweise ausgesetzt werden. Das ist für die Jahre 2020 und 2021 geschehen.

Die 100 Milliarden neue Schulden im Haushaltsentwurf 2022 sind nur möglich, weil auch für das Jahr 2022 von einer außergewöhnlichen Notsituation im Sinne des Artikel 115 des Grundgesetzes ausgegangen wird, die das Aussetzen der Schuldenbremse erneut rechtfertigt. Zu beurteilen, wie ernst die gesamtwirtschaftliche Lage ist und wie man ihr am besten mit neuen Schulden, mehr oder weniger Staatsausgaben und Steuern begegnet, ist herausfordernd.

Im Auge behalten werden die Haushalte des Bundes und der Länder vom Stabilitätsrat. Hier kommen der Bundesfinanz- und Wirtschaftsminister und die Finanzminister der Länder zusammen. Der Stabilitätsrat wird von einem Beirat von unabhängigen Sachverständigen bei seiner Aufgabe unterstützt "die Einhaltung der Obergrenze des gesamtwirtschaftlichen strukturellen Finanzierungsdefizits zu überwachen".

Der Beirat hat sich vor Verabschiedung des Haushaltsentwurfs für das Jahr 2022 geäußert, und das Ergebnis ist bemerkenswert: Eine außergewöhnliche Notsituation hätte für das Jahr 2022 nicht festgestellt werden müssen.

Eben sowenig wäre es notwendig gewesen, die Ausnahmeregelung der europäischen Verschuldungsregeln auf das Jahr 2022 auszuweiten. Für ein geringeres Defizit wesentlich gewesen wäre, die Haushaltsrücklage in Höhe von 48 Milliarden Euro aufzulösen. Weniger neue Schulden im Jahr 2022 würden auch zu geringeren Ausgaben für Tilgung in den Jahren ab 2023 führen.

Die Regierung hätte den Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 besser prüfen und sich fragen sollen, ob sie nicht mit weniger neuen Schulden hätte auskommen können. Deutschland braucht alsbald wieder ausgeglichene Haushalte und ein Einhalten der Schuldenbremse.

Niklas Potrafke lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München und leitet das ifo Zentrum für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie.

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Prof. Dr. Niklas Potrafke

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