Die Schuldenbremse –wie zielführend ist sie in einem Niedrigzinsumfeld?
Die Schuldenbremse soll die Neuverschuldung des Bundes und der Länder begrenzen und somit langfristig die Stabilität der öffentlichen Haushalte sichern. Konkret legt sie fest, dass die von der Konjunktur unabhängige Neuverschuldung des Bundes innerhalb eines Jahres nicht über 0,35% des nominalen BIP liegen darf; den einzelnen Ländern wird durch die Schuldenbremse die Aufnahme von neuen Schulden gänzlich untersagt. Zwar wurde das Gesetz bereits 2009 beschlossen, allerdings gilt die Beschränkung der Neuverschuldung für den Bund erst seit 2016. Für die Länder tritt das Verbot der Neuverschuldung erst ab 2020 in Kraft.
Im Zuge der intensiv geführten Debatte um den Klimaschutz und angesichts der historisch niedrigen Zinsen wurden Stimmen laut, die sich für eine Aufweichung oder Abschaffung der Schuldenbremse einsetzen. Das 25. Ökonomenpanel von ifo und FAZ hat dazu Ökonomen an deutschsprachigen Universitäten zur Schuldenbremse befragt. An der Umfrage nahmen 120 Volkswirte teil.
Viel Zustimmung für Schuldenbremse
Die Mehrheit der Teilnehmer (57%) spricht sich für eine Beibehaltung der Schuldenbremse aus. Viele begründen ihre Meinung damit, dass sie auf die öffentliche Hand disziplinierend wirke und somit auch den Rechtfertigungsdruck auf die politischen Entscheidungsträger in Fragen der Verwendung öffentlicher Gelder erhöhe. Die Kritiker der Schuldenbremse unter den Teilnehmern (28%) halten dem jedoch entgegen, dass die Schuldenbremse auf keiner theoretischen Grundlage fuße, Investitionsausgaben hemme und somit zukünftiges Wachstum reduziere. 15% der Teilnehmer sind in dieser Frage geteilter Ansicht („Teils-teils“).
Des Weiteren befindet die Mehrheit der Teilnehmer (52%), dass die Staatsschuldenquote ohne Schuldenbremse seit 2009 nicht so stark zurückgegangen wäre. Dies wird vor allem mit ihrer disziplinierenden Wirkung begründet. 28% der Teilnehmer glauben jedoch, dass die Reduktion der Schuldenquote durch die gute Konjunktur und die niedrigen Zinsen auch ohne die Schuldenbremse hätte erreicht werden können. Geteilter Ansicht („Teils-teils“) sind diesbezüglich 15%, 5% antworten mit „Weiß nicht“.
Keine eindeutige Meinung in Bezug auf Maastricht-Kriterium
Die Frage, ob die Schuldenbremse notwendig für die langfristige Einhaltung des Maastricht-Kriteriums von 60% Staatsschuldenquote ist, beantworten die teilnehmenden Ökonomen etwas differenzierter. 43% antworten mit „Ja“, meist abermals auf die disziplinierende Funktion der Schuldenbremse verweisend. Mit „Nein“ antworten 34%, teilweise weil sie das Maastricht-Kriterium bereits für eine hinreichend restriktive Vorgabe halten oder das Limit von 60% Staatsschuldenquote als bereits oder so gut wie eingehalten sehen. Knapp jeder Fünfte antwortet mit „Teils-teils“, beispielsweise weil das Maastricht-Kriterium selbst in Frage gestellt wird. 5% antworten mit „Weiß nicht“.
Investitionen eher durch andere Faktoren gehemmt
Eine der Gretchenfragen in der gegenwärtigen Debatte ist, ob die Schuldenbremse öffentliche Investitionen verhindert oder nicht. Die Teilnehmer des Ökonomenpanels sind hierzu unterschiedlicher Auffassung. 37% der Teilnehmer sehen eine eindeutige Behinderung öffentlicher Investitionen, beispielsweise in das Bildungssystem oder in die Verkehrsinfrastruktur. Dagegen sehen etwa 41% das Problem der mangelnden öffentlichen Investitionen nicht als Folge der Schuldenbremse, sondern als Folge mangelnder Planungs- und Durchführungskapazitäten. Es wird auch auf die derzeitige Budgetzusammensetzung verwiesen, die keinen Fokus auf investive Ausgaben lege. Knapp ein Fünftel der Teilnehmer antwortet mit „Teils-teils“ und ein kleiner Teil (4%) mit „Weiß nicht“.
Abschaffung könnte Sozialabgaben erhöhen
Die Ökonomieprofessoren wurden auch gefragt, ob bei einem Wegfall der Schuldenbremse die Sozialausgaben (konsumtive Staatsausgaben) eher als investive Staatsausgaben (Investitionen in Infrastruktur etc.) steigen würden. Fast die Hälfte der Teilnehmer (48%) stimmt dem zu. 23% der Teilnehmer widersprechen und 16% antworten mit „teils-teils“. Etwas mehr als jeder Zehnte antwortet mit „Weiß nicht“. Die Teilnehmer, die mit „Ja“ antworten, verweisen auf die höhere politische Attraktivität der Sozialausgaben sowie darauf, dass mit höheren Sozialausgaben „Wahlen gewonnen werden“. Teilnehmer, die mit „Nein“ oder „Teils-teils“ antworten, verweisen darauf, dass man bei einer Neugestaltung der Schuldenbremse investive Staatsausgaben besonders fördern könne.
Keine Ausnahmen zugunsten des Klimaschutzes
Zwei Drittel der Teilnehmer sind gegen eine Ausnahmeregelung der Schuldenbremse für Klimaschutzmaßnahmen. Hiervon äußern viele, dass Klimaschutz über die Ausgabe von Zertifikaten am effizientesten zu erreichen sei und nicht über zusätzliche staatliche Ausgaben. Ein knappes Viertel (24%) ist für eine Ausnahme, da Klimaschutzmaßnahmen Investitionen seien, von denen zukünftige Generationen profitieren, und der Klimaschutz außerdem derzeit Priorität haben sollte. 7% antworten mit „Teils-teils“, da unter anderem die Kosten des Klimawandels noch nicht genau absehbar seien oder es abhängig von den Maßnahmen sei. 3% antworten mit „Weiß nicht“.
Skepsis gegenüber Festhalten an der „schwarzen Null“
Neben der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse verfolgte die Bundesregierung in den vergangenen Jahren eine Politik ausgeglichener Haushalte – die sogenannte „schwarze Null“. Im Gegensatz zur Schuldenbremse wird bei der „schwarzen Null“ vollständig auf eine Neuverschuldung auf Bundesebene verzichtet. Das Ökonomenpanel fragte daher, ob an dieser Politik weiterhin festgehalten werden sollte. 48% lehnen ein Festhalten an der „schwarzen Null“ ab. Ein Drittel (34%) der Teilnehmer befürwortet die „schwarze Null“ weiterhin, und knapp jeder Fünfte antwortet mit „Teils-teils“. Gegner der „schwarzen Null“ sehen in ihr ein Hindernis für antizyklische Fiskalpolitik und weisen darauf hin, dass es aufgrund der gesetzlich verankerten Schuldenbremse eine solche implizite Regel nicht brauche. Ein Kritiker bezeichnet sie als „[…] eine viel zu rigide, willkürliche Maxime für die Fiskalpolitik […].“ Die Befürworter der „schwarzen Null“ loben dagegen die disziplinierende Eigenschaft einer solchen Regel. Die mit „Teils-teils“ antwortenden Teilnehmer weisen darauf hin, dass eine Vermeidung von Neuverschuldung lediglich in Boomphasen sinnvoll sei.
Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse der Juli-Umfrage des Ökonomenpanels von ifo und FAZ mit weiteren Graphiken findet sich in einer Ausgabe des ifo Schnelldienstes.
Publikation
Die Schuldenbremse in der Diskussion – Teilnehmer des Ökonomenpanels mehrheitlich für Beibehaltung
Blum, Johannes / Gründler, Klaus / Britto Schiller, Raphael de / Potrafke, Niklas
ifo Institut, München, 2019
ifo Schnelldienst, 2019, 72, Nr. 22, 27-33