Ökonomenpanel von ifo und FAZ

Unerwünschte Nebenwirkung der Corona-Maßnahmen: Zombies?

Die Bundesregierung hat weitreichende wirtschaftspolitische Maßnahmen beschlossen, um die Folgen der Coronakrise abzuschwächen. Diese scheinen zu wirken: Im zweiten Quartal 2020 gab es trotz Krise 8,86% weniger Unternehmensinsolvenzen als im Vorjahreszeitraum (Statistisches Bundesamt, 2020). Gleichzeitig könnten die beschlossenen Instrumente jedoch dazu beitragen, dass Unternehmen mit nicht tragfähigen Geschäftsmodellen künstlich am Leben gehalten werden. Dabei handelt es sich um Zombieunternehmen, die mit ihren Erträgen mittelfristig ihre laufenden Zinskosten nicht decken können. Das 31. Ökonomenpanel befasst sich mit der Entstehung von Zombieunternehmen als mögliche Nebenwirkung der wirtschaftspolitischen Maßnahmen. An der Umfrage nahmen 120 Ökonom*innen teil.

Ökonom*innen sehen Zombieunternehmen seit Beginn der Coronakrise auf dem Vormarsch

86% der teilnehmenden Ökonom*innen schätzen, dass die Anzahl von Zombieunternehmen seit Beginn der Coronakrise im März 2020 gestiegen ist. 9% erkennen keine Veränderung zum Vorkrisenniveau. Keiner der Befragten geht davon aus, dass die Anzahl der Zombieunternehmen seit Beginn der Coronakrise rückläufig ist. 

Infografik, Ökonomenpanel Oktober 2020, Entwicklung der Anzahl von Zombieunternehmen in Deutschland

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht könnte für die Entstehung von Zombieunternehmen verantwortlich sein

Warum entstehen Zombieunternehmen? Die große Mehrheit der Ökonom*innen (86%) ist sich einig und führt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht als Grund an. 50% meinen es liege im erst kürzlich, bis Ende 2021, verlängerten erhöhten Kurzarbeitergeld. Dahinter folgen staatliche Kredite (32%) und Bürgschaften (25%) der KfW als mögliche Ursachen. Politischer Druck auf Banken zur weniger restriktiven Kreditvergabe berge nach Ansicht einiger Ökonom*innen ebenfalls ein gewisses Risiko (22%). Ebenso könnten Soforthilfen für Selbstständige, Freiberufler und Kleinbetriebe zur Entstehung von Zombieunternehmen beitragen (18%). Nach Ansicht einiger teilnehmenden Ökonom*innen  ist zudem die Niedrigzinspolitik der EZB verantwortlich. Die Senkung der Mehrwertsteuer (2%) und die wirtschaftspolitischen Maßnahmen (2%) werden hingegen nur von wenigen Befragten als Ursache für Zombieunternehmen genannt.

Infografik, Ökonomenpanel Oktober 2020, Gründe für die Entstehung von Zombieunternehmen

Profitabilitätsprüfung und Ausweitung der Verlustvor- und rückträge zur gezielteren staatlichen Unterstützung

Viele der teilnehmenden Ökonom*innen würden auf die Gewinne der Unternehmen vor der Coronakrise zurückgreifen, um gezielt diejenigen Unternehmen zu unterstützen, die ohne die Pandemie keine finanziellen Probleme hätten. Diesbezüglich wird insbesondere eine Ausweitung der Verlustvor- und rückträge befürwortet. Jan Schnellenbach von der TU Cottbus betont: „Sinnvoll wäre ein erweiterter steuerlicher Verlustrücktrag, von dem vor allem die Unternehmen profitieren, die vor der Krise Gewinne gemacht haben.“ Andere Ökonom*innen sehen diesen Vorschlag als zu bürokratisch. Steffen Müller vom IWH schlägt stattdessen eine nachträgliche Prüfung anhand einer von der Bundesregierung entwickelten Kennzahl vor: „Antragsteller müssten dann bestätigen, die Kennzahl eingehalten zu haben. Hilfe kann schnell ausgezahlt und im Nachhinein überprüft werden.“ 

Ein weiterer Vorschlag zielt auf die Differenzierung von Industrien. Franziska Peter von der Zeppelin Universität schreibt, dass „das Phänomen der Zombieunternehmen in bestimmten Industrien stärker ausgeprägt ist. Folglich sollten unterstützende Maßnahmen diese Faktoren berücksichtigen.“ Eine weitere Position besteht in der grundsätzlichen Ablehnung der Hilfsmaßnahmen, da sie den marktwirtschaftlichen Selektionsprozessen entgegenwirken würden. Die meistgenannte Antwort ist jedoch, dass eine gezielte Förderung von Unternehmen, die ohne die Coronakrise keine wirtschaftlichen Probleme hätten, nicht möglich sei. „Eine saubere Unterscheidung ist bei zügiger Krisenbekämpfung und überschaubarem Bürokratismus nicht möglich“, schreibt der Bochumer Ökonom Martin Werding.

Ökonom*innen  rechnen mit künftig mehr Unternehmensinsolvenzen

Nachdem die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen seit Beginn der Coronakrise im März 2020 in Deutschland sogar rückläufig waren, wird sich dieser Trend nach Ende der wirtschaftspolitischen Hilfsmaßnahmen umkehren. Diese Ansicht vertritt die überwältigende Mehrheit der teilnehmenden Ökonom*innen (96%). 32% rechnen sogar mit einem starken Anstieg der Unternehmensinsolvenzen nach Ende der Hilfsmaßnahmen. Jeweils 1% geht von gleichbleibenden oder eher sinkenden Zahlen aus.

Infografik, Ökonomenpanel Oktober 2020, Unternehmensinsolvenzen nach Ende der wirtschaftspolitischen Maßnahmen

Literatur

Statistisches Bundesamt (2020). Insolvenzverfahren: Deutschland, Monate, Beantragte Verfahren.

https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Gewerbemeldungen-Insolvenzen/Tabellen/Insolvenzen.html (abgerufen am 12.10.2020).

 

Publikation

Aufsatz in Zeitschrift
Lukas Arth, Klaus Gründler, Niklas Potrafke, Fabian Ruthardt, Jannik Sielmann
ifo Institut, München, 2020
ifo Schnelldienst, 2020, 73, Nr. 11, 50-52
Kontakt
Prof. Dr. Niklas Potrafke

Prof. Dr. Niklas Potrafke

Leiter des ifo Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie
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