Ökonomenpanel von ifo und FAZ

Für mehr Transparenz: Deutscher Bundestag verschärft die Regeln für Nebeneinkünfte von Abgeordneten

Abgeordnete des Deutschen Bundestages beziehen eine monatliche Entschädigung von 10.083,46 Euro. Diese soll die Unabhängigkeit der Abgeordneten sichern und gleichzeitig der besonderen Verantwortung und Belastung gerecht werden, so das Grundgesetz. Am 11. Juni 2021 stimmte der Bundestag für eine Verschärfung der Regeln für Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Fortan müssen Nebeneinkünfte bereits ab einer jährlichen Höhe von 3.000 Euro (bzw. 1.000 Euro pro Monat) betragsgenau angemeldet werden. Auch sind künftig bezahlte Berater- und Lobbytätigkeiten ebenso wie vergütete Vorträge untersagt. Das 34. Ökonomenpanel von ifo und FAZ beschäftigt sich mit der Entschädigung und den Nebeneinkünften von Abgeordneten. Teilgenommen haben 146 Professor*innen an deutschen Universitäten.

Ökonom*innen schätzen die Entschädigung für Abgeordnete als angemessen ein

Eine deutliche Mehrheit von 62% der Teilnehmer*innen schätzt die aktuelle Entschädigung für Bundestagsabgeordnete als angemessen ein. Als Begründung wird vielfach angeführt, dass dadurch die Unabhängigkeit sichergestellt werden kann. Außerdem betont ein Großteil der Befragten, dass die Arbeitsbelastung von Abgeordneten hoch sei und durch die Entschädigung entsprechend qualifiziertes bzw. talentiertes Personal angeworben werden kann. Rund 14% der Antworten befinden sie hingegen für eher zu hoch, weitere 2% sogar für viel zu hoch: So würden Anreize gesetzt, aus rein finanziellen Gründen Berufspolitiker zu werden. Außerdem wird bemängelt, dass die Höhe der Entschädigung Qualifikation und Leistung übersteigen würde. 16% der Teilnehmer*innen hingegen empfinden die Summe als eher zu niedrig (13%) oder viel zu niedrig (3%) ein. Als wichtigster Grund für diese Einschätzung wird genannt, dass sich entsprechend hochqualifiziertes Personal – aufgrund der vergleichsweise geringen Vergütung – eher eine Beschäftigung in der Privatwirtschaft suche. Außerdem schaffe eine niedrige Entschädigung Anreize für Nebeneinkünfte.

Infografik, Ökonomenpanel Juni 2021, Höhe der Abgeordnetenentschädigung

Unabhängiges Gremium zur Bestimmung der Entschädigung gefordert

Mehr als die Hälfte der Teilnehmer*innen spricht sich für ein unabhängiges Gremium zur Bestimmung der Höhe der Entschädigung für Abgeordnete aus. Die Ökonom*innen geben an, dass nur so Interessenkonflikte vermieden werden könnten, und dass so dem Eindruck von „Selbstbedienung“ vorgebeugt werden könne. Einige der Antworten verweisen auch auf die Mindestlohnkommission als Vorbild. Die 10% der Teilnehmer*innen, die sich wünschen, dass die Abgeordneten ohne Einschränkungen über ihre Entschädigung bestimmen sollen, erklären, dass diese ihre Entscheidung der Wählerschaft gegenüber zu verantworten hätten und eben im Zweifel auch wieder abgewählt werden könnten. Ein gutes Viertel der Teilnehmer*innen ist zwar dafür, dass die Abgeordneten selbst über ihre Entschädigung entscheiden dürfen, allerdings mit Einschränkungen: etwa durch feste Referenzpunkte wie die Beamtenbesoldung oder der Durchschnittslohn. Davon erhoffen sich die Ökonom*innen die Balance zwischen durch Wahl legitimierte Autonomie auf der einen Seite, sowie erhöhte Akzeptanz bei Wähler*innen auf der anderen Seite. Nur 3% der Antworten sprechen sich für einen parlamentarischen Ausschuss aus. 5% wünschen sich eine ganz andere Lösung: etwa die direkte Koppelung an die Beamtenbesoldung oder an den vorherigen Beruf.

Infografik, Ökonomenpanel Juni 2021, Entscheidungskompetenz über Abgeordnetenentschädigung

Erhöhung der Entschädigung ohne Einfluss auf Qualität der Arbeit

Mehr als die Hälfte der Teilnehmer*innen meint, dass sich die Qualität der Arbeit im Deutschen Bundestag durch eine Erhöhung der Entschädigung nicht verändern würde. Die Antworten heben hervor, dass die Qualität der parlamentarischen Tätigkeit nicht mit der gegenwärtigen Höhe der finanziellen Entschädigung von Abgeordneten zusammenhänge. Vielmehr seien andere Faktoren entscheidend für die Qualität der Arbeit im Bundestag: vor allem die intrinsische Motivation der Abgeordneten. Außerdem seien die teils gegenläufigen Anreiz- und Selektionseffekte bei einer Änderung der Summe unklar: Nur ein gutes Fünftel der Teilnehmer*innen ist der Meinung, dass sich die Qualität der Arbeit im Bundestag durch eine Erhöhung eher (19%) oder stark (3%) verbessern würde. Einige Ökonom*innen erhoffen sich durch eine höhere Entschädigung die Gewinnung besseren Personals für eine politische Karriere und eine geringere Anfälligkeit für Korruption. Demgegenüber stehen 5% der Teilnehmer*innen, die der Meinung sind, dass sich die Qualität der Arbeit im Bundestag dadurch eher oder sogar stark verschlechtern würde, weil die intrinsische Motivation der Abgeordneten für Ihre Tätigkeit abnehme.

Infografik, Ökonomenpanel Juni 2021, Abgeordnetenentschädigung und Qualität der Arbeit im Deutschen Bundestag (1)

Fragt man die Teilnehmer*innen direkt danach, wie hoch eine Veränderung der Entschädigung ausfallen müsste, um einen positiven Einfluss auf die Qualität der Arbeit im Bundestag zu haben, so geben etwa die Hälfte an, dass eine Veränderung keinen Einfluss hätte. Für eine hohe Unsicherheit unter den Teilnehmer*innen spricht die große Zahl an „Weiß nicht“-Antworten (30%). Allein die verbleibenden 21% geben prozentuale Veränderungen an: Im Durchschnitt erwarten diese bei einer Erhöhung der Entschädigungssumme um 30% einen positiven Einfluss auf die Qualität der Arbeit im Deutschen Bundestag. Die meisten Befragten sehen bei einem Zuwachs zwischen 10 und 50% einen positiven Einfluss, einige der Teilnehmenden gehen erst bei einer Verdopplung von positiven Effekten aus. Einzelne Ökonom*innen geben an, dass sich positive Qualitätseffekte bei den Abgeordneten nur bei einer Senkung der Entschädigung ergäben.

Infografik, Ökonomenpanel Juni 2021, Abgeordnetenentschädigung und Qualität der Arbeit im Deutschen Bundestag (2)

Ökonom*innen sehen Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten problematisch

Gut zwei Drittel der Teilnehmer*innen geben an, dass die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten ein Problem für die Qualität ihrer Arbeit darstellen. Einige der Antwortenden befürchten, dass sich Abgeordnete durch den mit der Nebentätigkeit verbundenen zeitlichen Aufwand nicht hinreichend auf die Arbeit im Bundestag konzentrieren können. Außerdem, so die Meinung vieler Ökonom*innen, kann aufgrund mangelnder Transparenz der Eindruck entstehen, dass sie nicht unabhängig, sondern beeinflussbar seien. Ein Großteil der Teilnehmer*innen sorgt sich gar ganz konkret um unerlaubte Einflussnahme. So könnten Lobbyisten und Außenstehende über Nebeneinkünfte Einfluss auf die Politik ausüben, um ihre Partikularinteressen durchzusetzen. Ein knappes Viertel glaubt nicht, dass die Nebeneinkünfte ein Problem für die Qualität der Arbeit im Deutschen Bundestag darstellen. Sie erklären, dass nicht Nebeneinkünfte an sich, sondern allenfalls mangelnde Transparenz problematisch sei. Sie betonen außerdem, dass es auf die Art der Nebentätigkeit ankomme.

Infografik, Ökonomenpanel Juni 2021, Nebeneinfüfte von Bundestagsabgeordneten
Aufsatz in Zeitschrift
Klaus Gründler, Armin Hackenberger, Niklas Potrafke, Fabian Ruthardt, Timo Wochner
ifo Institut, München, 2021
ifo Schnelldienst, 2021, 74, Nr. 09, 66-69
Kontakt
Prof. Dr. Niklas Potrafke

Prof. Dr. Niklas Potrafke

Leiter des ifo Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie
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