Emissionsvermeidung oder Anpassung an den Klimawandel: Welche Zukunft hat die Klimapolitik?
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2011
ifo Schnelldienst, 2011, 64, Nr. 05, 03-29
Die gegenwärtige im Kyoto-Protokoll festgelegte Klimapolitik versucht vorrangig, dem Klimawandel mit einer Strategie der Emissionsverminderung zu begegnen. Sollte die Klimapolitik in Zukunft weniger auf Emissionsvermeidung und eher auf eine Anpassung an die Erderwärmung zielen? Hubertus Bardt, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, befürchtet, dass trotz der deutschen und europäischen Vorreiterrolle eine Stabilisierung des Klimas als globales öffentliches Gut nicht in ausreichendem Maße zustande kommen wird. Deshalb sei es wichtig, einen ausgewogenen Policy-Mix aus Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel zu finden. Weder eine reine Anpassung an vermeidbare Klimaveränderungen noch eine Vermeidung von Klimagasemissionen um jeden Preis sei sinnvoll. Lars P. Feld, Universität Freiburg und Walter Eucken Institut, Kai A. Konrad, Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, München, und Marcel Thum, Technische Universität Dresden und ifo Dresden, bezweifeln, dass die Strategie der deutschen bzw. europäischen Klimapolitik, die durch erhebliche Vorleistungen gekennzeichnet ist, die richtige ist. Es sei nicht klar, ob einseitige Vorleistungen in Deutschland oder auf europäischer Ebene überhaupt einen konstruktiven Beitrag zur Vermeidung der globalen Erwärmung leisten könnten. Statt übermäßiger einseitiger Vermeidungspolitik benötige man mehr Anstrengungen bei der Anpassungsstrategie. Wolfgang Buchholz, Universität Regensburg, und Dirk Rübbelke, Basque Centre for Climate Change, sehen neben der begründeten Skepsis im Hinblick auf die Erfolgsaussichten einer globalen Vermeidungsstrategie von Treibhausgasen auch Gründe zu der Annahme, dass sich die Vermeidungsanstrengungen weltweit intensivieren werden. Es komme darauf an, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Verpflichtungen und der aufgrund der großen Unsicherheiten von Nutzen und Kosten des Klimawandels unverzichtbaren Flexibilität zu finden. Christian Hey, Karin Holm-Müller und Michael Weber, Sachverständigenrat für Umweltfragen, warnen vor einer »Entweder- oder-Entscheidung« und weisen darauf hin, dass – laut dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen – der Klimawandel ohne entschiedenes Gegensteuern die Anpassungsfähigkeit vieler Gesellschaften sehr bald überfordern wird. Außerdem könnten nationale Selbstverpflichtungen sogar bei Abwesenheit eines globalen Klimaschutzregimes im eigenen Interesse liegen, zumal sie auch oftmals mit anderen Nutzeffekten einhergehen. Dies unterstreicht ihrer Meinung nach die Bedeutung einer nationalen Vermeidungsstrategie. Rüdiger Pethig, Universität Siegen, sieht den politischen Handlungsansatz in einer Form der Kombination von Anpassung und Vermeidung auf nationaler und internationaler Ebene. Nach Ansicht von Joachim Weimann, Universität Magdeburg, ist angesichts der bisher vorliegenden Erfahrungen nicht mit dem Zustandekommen eines globalen Klimaabkommens zu rechnen. Das lässt die Erfolgsaussichten einer Vermeidungspolitik rapide sinken, denn erfolgreich kann Klimapolitik nur sein, wenn sie in globalem Maßstab betrieben wird. Anpassungsmaßnahmen erfordern weitaus weniger Staatseingriffe. Mit der Einsicht, dass die Vermeidungsstrategie zum Scheitern verurteilt ist, sollte deshalb das Signal für einen Teilrückzug des Staates gegeben werden. Timo Goeschl, Universität Heidelberg, meint, dass die heutigen Diskussionen um Vermeidung versus Anpassung mittelfristig ohnehin zu kurz greifen, da sich bereits heute konkrete Ideen abzeichnen, die eine neue Kombination der beiden Handlungsalternativen aufweisen und »zur absichtlichen, großskaligen Manipulation des Klimasystems mit technischen Mitteln geeignet sind. Mit Mitigation haben diese Methoden des Geoengineering die globale Wirksamkeit gemein, mit Anpassung die rasche Wirksamkeit.«
Enthalten in Zeitschrift bzw. Sammelwerk
ifo Schnelldienst 5/2011
in: ifo Schnelldienst, 2011, 64, Nr. 05