Aufsatz in Zeitschrift

Scheitern der sozialen Wohnungspolitik: Wie bezahlbaren Wohnraum schaffen?

Friedrich Breyer, Nicole Hoffmeister-Kraut, Matthias Wrede, Harald Simons, Lars Vandrei, Theresia Theurl, Ralph Henger, Konstantin Kholodilin, Sebastian Kohl
ifo Institut, München, 2018

ifo Schnelldienst, 2018, 71, Nr. 21, 03-30

Wohnen wird – zumindest in einigen Städten – zum Luxusgut, bezahlbarer Wohnraum zur Mangelware. Die Wohnungsbaupolitik muss drastisch verändert werden. Sollte der soziale Wohnungsbau ausgebaut, die Mietpreisbremse verschärft werden oder – im Gegenteil – auf beides weitgehend verzichtet werden? Sollten stattdessen die Bauvorschriften gelockert und das Wohngeld reformiert und ausgebaut werden? Friedrich Breyer, Universität Konstanz, stellt das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur derzeit herrschenden Wohnungspolitik vor. Demnach sind die zuletzt beschlossenen Maßnahmen nicht geeignet, die diagnostizierte »Wohnungsnot« nachhaltig und sozial zu beseitigen. Sinnvoller wäre es, in Ballungsgebieten mehr Bauland auszuweisen und den Haushalten, denen es an Kaufkraft fehlt, durch ein Wohngeld zu ermöglichen, sich eine Wohnung zur Marktmiete zu leisten. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg, fasst die Wohnungsbaupolitik des Landes Baden-Württemberg zusammen, die unter anderem aus der Förderung des sozialen Wohnraums und der Förderung des frei finanzierten Wohnungsbaus besteht. Matthias Wrede, Universität Erlangen-Nürnberg, sieht eine soziale Wohnungspolitik in einer Sicherung der Grundversorgung, einer effizienteren Nutzung der Flächen und einer Reduktion der Transaktionen. Hohe Mieten betreffen, nach Harald Simons, empirica, weniger als die Hälfte der regionalen Wohnungsmärkte in Deutschland. Hohe Mieten an einem Ort seien Folge der niedrigen Mieten an anderen Orten und umgekehrt. Ursache davon sei das »Schwarmverhalten«. Die Differenz zwischen Schwarmstädten und ausblutenden Regionen könnte vermindert werden, wenn es gelänge, die Abwanderung junger Menschen in die Schwarmstädte abzuschwächen. Nach Ansicht von Lars Vandrei, ifo Niederlassung Dresden, kann die Mietpreisbremse Preisanstiege zwar zumindest in der kurzen und mittleren Frist verringern. Damit werde aber kein bezahlbarer Wohnraum geschaffen, sondern lediglich vorhandener Wohnraum für einige Mieter bezahlbarer gemacht. Ohne eine tatsächliche Angebotsausweitung dürften von der Regelung vor allem relativ gutverdienende Nachfrager profitieren. Theresia Theurl, Universität Münster, unterstreicht die Bedeutung der Wohnungsgenossenschaften für die Beschaffung bezahlbaren Wohnraums. Ralph Henger, Institut der deutschen Wirtschaft, sieht die Lösung des Wohnungsnotproblems bei der Ausweitung des Angebots und dem richtigen Mix flankierender Maßnahmen. Vor allem die Städte und Gemeinden in den Ballungszentren müssten hierbei einen Politikwechsel vollziehen. Das zentrale Problem sei das fehlende Angebot an Flächen zur Bebauung in den wachsenden Städten und Gemeinden. Konstantin Kholodilin, DIW, Berlin, und Sebastian Kohl, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln, zeigen, dass Mietregulierungen nicht zwangsläufig zum Ende der Neubautätigkeit führen müssen und dass eine Deregulierung des Mietmarkts nicht unbedingt die Neubautätigkeit stimuliert.

Schlagwörter: Wohnimmobilien, Wohnungsmarkt, Wohnungswirtschaft, Wohnungspolitik, Mieten-politik, Miete, Städtische Flächennutzung, Städtischer Immobilienmarkt
JEL Klassifikation: L850, R210, R310

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ifo Institut, München, 2018