Aufsatz in Zeitschrift

Kooperation von Bund und Ländern in der Bildungspolitik: Bildungsföderalismus in der Kritik

Susanne Eisenmann, Kerstin Schneider, Susanne Lin-Klitzing, Karin Prien, Robert Schwager
ifo Institut, München, 2019

ifo Schnelldienst, 2019, 72, Nr. 03, 03-17

Der Bildungsföderalismus gerät immer wieder in die Kritik. Er bringe im internationalen Vergleich schlechte Schülerleistungen hervor. Die Schulabschlüsse in den einzelnen Bundesländern seien nicht vergleichbar, was die Mobilität von Familien mit schulpflichtigen Kindern erschwere. Außerdem behindere er Innovationen: Zuletzt scheiterte der geplante »DigitalPakt Schule« an dem Widerstand der Länder. Sollte künftig der Bund deutlich stärker in die Bildungspolitik der Länder eingreifen als bisher? Susanne Eisenmann, Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg, betrachtet den Bildungsföderalismus als Gestaltungsaufgabe. Den Ländern sei aus guten Gründen die Hauptverantwortung für die Bildungspolitik übertragen worden, da sie »die richtige Größe (haben), um sowohl bürgernah als auch mit Blick aufs Ganze eine Bildungspolitik aus einem Guss zu betreiben«. Der Bund sei dabei als Unterstützer durchaus gern gesehen. Die Länder sollten verlässlich auf auskömmliche Finanzierung pochen und bei neuen Aufgaben mit dem Bund in Verteilungsverhandlungen eintreten. Für Kerstin Schneider, Bergische Universität Wuppertal, ist der DigitalPakt Schule »ein Paradebeispiel dafür, wie Investitionen in Zukunftstechnologien an Schulen nicht umgesetzt werden, weil es ein Gerangel um politische Zuständigkeiten gibt«. Zudem müssten die Bundesländer nicht die Konsequenzen schlechter oder falscher Entscheidungen bei ihrer Bildungspolitik tragen. Zur Beurteilung der Qualität der verschiedenen Bildungspolitiken bedürfe es einer größeren Transparenz. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wären z.B. Schülerregisterdaten, mit denen Erwerbsbiographien mit Bildungsbiographien verknüpft werden könnten. Nach Ansicht von Susanne Lin-Klitzing, Philipps-Universität Marburg und Deutscher Philologenverband, ist es zwar offensichtlich, dass der Bildungsföderalismus zu großen Disparitäten in der Bildungsqualität in Deutschland geführt habe. Dennoch gebe es aber für Deutschland keine Alternative zum Bildungsföderalismus. Bildungsstrukturelle wie -inhaltliche Fragen seien auf Länderebene besser aufgehoben als in Berlin. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keinen Verbesserungsbedarf im Bildungsföderalismus gebe, wie die politische Auseinandersetzung um den Digitalpakt gezeigt habe. Karin Prien, Bildungsministerin des Landes Schleswig-Holstein, sieht den Bildungsföderalismus in Deutschland als eine Errungenschaft. Mit der Gründung der Kultusministerkonferenz sei auch ein Gremium mit dem Ziel einer gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung geschaffen worden, um sowohl die Kulturhoheit der Länder zu wahren als auch bundesweite Standards zu etablieren. Robert Schwager, Georg-August-Universität Göttingen, befürwortet einen »Bildungsföderalismus für mündige Bürger«. Wer an mündige Bürger glaube, dürfe große Herausforderungen nicht zentral angehen. Es sei doch anzunehmen, dass sich Bürger bei wichtigen Fragen die Mühe machten, wohlüberlegt zu entscheiden und sich als Wähler gut zu informieren. Im Vertrauen auf das verantwortliche Eigeninteresse der direkt Betroffenen setze die freiheitliche Rechtsordnung daher grundsätzlich auf Bürgernähe und Subsidiarität, statt alle öffentlichen Entscheidungen von vorneherein der höchsten Ebene zuzuordnen.

Schlagwörter: Föderalismus, Landespolitik, Bildung, Bildungspolitik, Bildungswesen
JEL Klassifikation: I210, I230, I280, H700

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ifo Institut, München, 2019