Aufsatz in Zeitschrift

Parallelwährungen jenseits der Finanzaufsicht: Haben Bitcoin und Libra eine Zukunft?

Thomas Mayer, Julian Grigo, Patrick Hansen, Lars Hornuf, Burkhard Balz, Jan Paulick, Markus Demary, Vera Demary, Stefan Eichler, Marcel Thum, Gilbert Fridgen, Benedict Drasch
ifo Institut, München, 2019

ifo Schnelldienst, 2019, 72, Nr. 17, 03-28

Die Ankündigung des Social-Media-Giganten Facebook, eine neue »Weltwährung« mit dem Blockchain-basierten Zahlungssystem Libra einführen zu wollen, löste international kontroverse Diskussionen über Vor- und Nachteile von Kryptowährungen aus. Die Reaktionen reichten von Begeisterung über Skepsis bis zur gänzlichen Ablehnung. Die Befürworter heben unter anderem die Möglichkeit eines schnellen Geldtransfers, unabhängig von nationalen Bankengruppen und Ländergrenzen, hervor. Die Gegner sehen eine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems. Welche Zukunft haben Bitcon und Libra, und welche Herausforderungen stellen sie für die staatliche Geldordnung dar?

Thomas Mayer, Flossbach von Storch Research Institute, Köln, nennt einige Gründe, warum Libra für zukünftige Nutzer sehr attraktiv werden könnte: Libra werde kostengünstige Peer-to-Peer-Geldtransfers in beliebiger Höhe und über jede Entfernung bieten und sei ein stabiles Instrument zur Wertaufbewahrung mit geringen Risiken aus Wechselkursschwankungen. 

Julian Grigo und Patrick Hansen, Bitkom e. V., sehen die Digitalwährungen vor dem Durchbruch. Kryptowährungen werden sich in weiteren Bevölkerungs- und Nutzerschichten verbreiten, wobei es keine Rolle spiele, ob das Projekt Libra wie angekündigt zustande komme.

»Libra: Eine Währung, die die Welt (nicht) braucht?«, ist die Frage, die Lars Hornuf, Universität Bremen, stellt. Die neue Kryptowährung könnte sich aber trotz geringer Vorteile als Standard etablieren, denn sie habe einen Vorzug gegenüber allen anderen Zahlungssystemen und Krypowährungen: die weltweit größten Netzwerkeffekte.

Burkhard Balz und Jan Paulick, Deutsche Bundesbank, weisen darauf hin, dass sich die Struktur des Finanzsystems infolge technologischer und institutioneller Innovationen verändere. Deshalb seien Regulierungs­behörden und Zentralbanken gefordert, diesem Wandel durch angemessene Regulierung und Mitgestaltung zu begegnen. Die stabilisierende Rolle der Finanzaufsicht, die einen regulatorischen Rahmen setze, und der Zentralbanken, die für eine stabile Währung und stabilen Zahlungsverkehr sorgten, dürfte dadurch nicht beeinträchtigt werden.

Markus Demary und Vera Demary, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, gehen davon aus, dass sich Libra stärker verbreiten werde als beispielsweise Bitcoin. Und: Libra könnte zukünftig systemrelevant werden und dürfe nicht unreguliert und unbeaufsichtigt sein.

Stefan Eichler, TU Dresden, und Marcel Thum, ifo Institut und TU Dresden, sehen durch Libra große ökonomische Herausforderungen für die staatliche Geldordnung, vor allem in den Bereichen Geldpolitik und Staatsfinanzierung, entstehen. So werde beispielsweise durch eine starke Verbreitung der Libra die offizielle einheimische Währung immer seltener verwendet und die Wirkung der einheimischen Geldpolitik abnehmen. Die Inflation ließe sich dann immer weniger steuern. Bei allen Risiken könne die Entpolitisierung und Entnationalisierung des Geldes durch die Libra aber auch segensreich sein. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern werde die Zentralbank als verlängerter Arm der Regierung missbraucht, was zu Inflation, Währungsabwertung und realer Entwertung von Sparvermögen führe. Mit der Libra könnten sich die Bürger dieser Art der finanziellen Repression entziehen.

Für Gilbert Fridgen und Benedict Drasch, Universität Bayreuth, haben Kryptowährungen mit ihrer zugrunde liegenden Blockchain-Technologie großes wirtschaftliches Potenzial, auch jenseits des Finanzsektors. Deshalb sollten keine rechtsfreien Räume für die digitale Infrastruktur entstehen können, sie sollte stattdessen entsprechend dem Werte- und Rechtssystems der demokratischen Grundordnung aktiv gestaltet werden.
 

Schlagwörter: Währungssystem, Virtuelle Währung, Bargeldloser Zahlungsverkehr, Elektronisches Geld, Geldwirtschaft, Bitcoin, Libra
JEL Klassifikation: E420

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