Aufsatz in Zeitschrift

Sustainable Finance: Neue Strategie im Finanzsektor trotz Coronakrise?

Alexander Bassen, Kerstin Lopatta, Karsten Löffler, Sebastian Rink, Christa Hainz, Tanja Stitteneder, Johann Wackerbauer, Sylvie Goulard, Sabine Mauderer, Andreas Dombret, Michael Leister, Ingo Speich
ifo Institut, München, 2020

ifo Schnelldienst, 2020, 73, Nr. 10, 03-29

Alexander Bassen und Kerstin Lopatta, Universität Hamburg, sind der Ansicht, dass sowohl marktliche als auch regulatorische Maßnahmen das Thema Sustainable Finance in der Coronakrise eher verstärkt haben. Aufgrund der zu erwartenden weiteren Zunahme gesellschaftlicher Risiken und daraus abgelei-teter regulatorischer Maßnahmen werde Sustainable Finance für den Kapital-markt in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen.

Karsten Löffler und Sebastian Rink, Frankfurt School – UNEP, sehen in dem Sustainable-Finance-Ansatz einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Trans-formation der Volkswirtschaft und damit zum Erreichen sowohl der nationalen und internationalen Klimaziele. Dabei sollte Sustainable Finance als Zusam-menspiel aller relevanten Akteure und der Befähigung des Finanzsektors ver-standen werden, Nachhaltigkeitsrisiken und die Nachhaltigkeitswirkungen im Hinblick auf die eigenen Kreditvergabe-, Investment- und Beratungsaktivitäten als ein zentrales Element in seine Entscheidungskalküle einzubeziehen.

Christa Hainz, Tanja Stitteneder und Johann Wackerbauer, ifo Institut, zeigen die besonderen Herausforderungen, vor die der Sustainable-Finance-Ansatz kleine und mittelständische Unternehmen stellt. Deshalb solle z.B. die Anwendung der Taxonomie auf Finanzanlagen nicht verpflichtend sein und nicht auf alle Finanzprodukte angewendet werden.

Sylvie Goulard, Banque de France, spricht sich dafür aus, dass die Zentralban-ken die Herausforderungen des Klimawandels in ihre Handlungen einbeziehen sollten. Da der Klimawandel systemisch wirke, bedrohe er die Stabilität des Fi-nanzsystems und die Fähigkeit der Zentralbanken, ihr vorrangiges Ziel zu ver-folgen.

Sabine Mauderer, Deutsche Bundesbank, sieht im Klimaschutz eine gesamtge-sellschaftliche Aufgabe. Deshalb müssten auch Notenbanken ausloten, wie sie im Rahmen ihres Mandats wesentliche Beiträge zum Klimaschutz leisten kön-nen. Entsprechend ihrem bankaufsichtlichen und finanzstabilitätspolitischen Auftrag müssten sie sicherstellen, dass Klimarisiken als Quelle von finanziellen Risiken angemessen im internen Risikomanagement der Institute berücksichtigt werden.

Im Übergang zu einer grüneren Wirtschaft liegen neben Risiken für Finanzinsti-tute auch beachtliche Chancen. Denn im Rahmen der wirtschaftlichen Neuaus-richtung eröffnen sich Banken neue Geschäftsfelder. Deshalb sieht Andreas Dombret, ehemals Deutsche Bundesbank, Handlungsbedarf auch für die Ban-kenaufsicht. Die Bankenaufsicht sei in der Verantwortung, die Institute für kli-mabezogene Risiken zu sensibilisieren; Aufsicht und Zentralbanken sollten eine Funktion als Vorbild und Katalysator anstreben.

Nach Meinung von Michael Leister, Commerzbank, löse die Coronakrise am Kapitalmarkt zwar keine grüne Revolution aus, verstärke aber die Evolution ei-nes bereits zuvor stark expandierenden Marktsegmentes. Die Politik bleibe hierbei die treibende Kraft. Um die grüne Gesinnung der Marktteilnehmer zu schärfen, verfüge die EU mit ihrem Wiederaufbaufonds über Möglichkeiten.

Green Finance und Nachhaltigkeit seien im Asset Management nicht mehr wegzudenken, meint Ingo Speich, Deka Bank. Green Finance dürfe jedoch kein Selbstzweck sein, sondern müsse einen Vorteil bei der Risikobetrachtung oder beim Ertrag liefern. Erst wenn sich Nachhaltigkeit für den Anleger auszahle und Asset Manager Nachhaltigkeit in ihre Prozesse integrierten, könne auch eine realwirtschaftliche Lenkungsfunktion erfolgen.

Schlagwörter: Nachhaltige Entwicklung, Regulierung, Finanzwirtschaft, Finanzmarkt
JEL Klassifikation: Q560, O440, L500

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ifo Institut, München, 2020