Aufsatz in Zeitschrift

Brexit-Finale: Das letzte Ringen um einen Deal

Rolf J. Langhammer, Lisandra Flach, Feodora Teti, Lena Wiest, Margherita Atzei, Lisa Scheckenhofer, Joachim Wuermeling, Carsten Hefeker, Friedemann Kainer, Philipp Harms, Michael Kaeding
ifo Institut, München, 2020

ifo Schnelldienst, 2020, 73, Nr. 12, 03-27

Rolf J. Langhammer, Institut für Weltwirtschaft, Kiel, sieht als Ziel ein auf Güter und ihre mit ihnen verbundenen Dienstleistungen beschränktes Abkommen. Die EU sollte den Briten etwas entgegenkommen, denn jedes Abkommen sei besser als der No-Deal.

Nach den Berechnungen von Lisandra Flach, Feodora Teti, Lena Wiest, Margherita Atzei und Lisa Scheckenhofer, ifo Institut, trifft der Brexit den Handel des Vereinigten Königreichs härter als den der EU. Der Anteil der EU am Handel des VK ist größer als umgekehrt, auch bei Produkten, bei denen es nur wenige Lieferanten gibt. Trotzdem liege ein Handelsabkommen ab 1. Januar 2021 im beiderseitigen Interesse.

Joachim Wuermeling, Deutsche Bundesbank, erwartet für den Finanzsektor ein „No-deal“-Szenario. Denn mit Blick auf einen möglichen Vertrag über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigtem Königreich galt ein detailliertes „financial chapter“ von Anfang an als sehr unwahrscheinlich. Insgesamt seien die Finanzmarktakteure gut auf das Ende der Übergangsperiode vorbereitet.

Carsten Hefeker, Universität Siegen, befürchtet, dass als außenwirtschaftliche Konsequenz des Brexit das Vereinigte Königreich handelspolitisch isoliert und vielleicht nicht einmal mehr vereinigt sei. Das könne nicht im Interesse der EU sein; es sei zu hoffen, dass sie versuchen wird, dem VK im Rahmen der Möglichkeiten entgegenzukommen.

Friedemann Kainer, Universität Mannheim, betrachtet die unterschiedlichen Perspektiven auf den Brexit-Prozess als Haupthindernis für einen positiven Verhandlungsabschluss. Die europäische Seite habe eine stringente und politisch sowie ökonomisch rationale Verhandlungsposition eingenommen, während das Vereinigte Königreich unklare, politisch teils sehr divergente Ziele verfolge. Im Lager der „Brexiters“ spielten ökonomische Gesichtspunkte keine bedeutende Rolle.

Philipp Harms, Gutenberg-Universität Mainz, sieht in den „Leave-Votes“ den Ausdruck eines allgemeinen Unbehagens gegenüber der Globalisierung und befürchtet, dass rein ökonomische Erwägungen bei der Bestimmung individueller Einstellungen eine eher untergeordnete Rolle spielen, so dass Maßnahmen und Argumente, die an materielle Interessen appellieren, weniger Wirkung entfalten als erhofft. Für die Aussichten auf einen geordneten EU-Austritt des Vereinigten Königreichs verheiße dies nichts Gutes.

Nach Ansicht von Michael Kaeding, Universität Duisburg-Essen, hat das Vereinigte Königreich nie richtig verstanden, was die EU ist und warum es sie gibt. Mit der Unterzeichnung der Europäischen Verträge brachten die Mitgliedstaaten ihren Wunsch zum Ausdruck, am Prozess der europäischen integrativen Solidarität teilzunehmen. Die Brexit-Verhandlungen zeigen, dass es ein grundlegender Fehler der britischen Brexiter war, sich vorzustellen, sie könnten die EU mit ihrer eigenen Ablehnung der europäischen Solidarität anstecken.

Schlagwörter: Europäische Integration, Außenhandel, Außenwirtschaftspolitik, Außenpolitik, Handelshemmnisse, Wettbewerbspolitik, Mitgliedsstaaten, EU-Binnenmarkt, Großbritannien, Europäische Union, Brexit
JEL Klassifikation: F130, F150, F590

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Zeitschrift (Einzelheft)
ifo Institut, München, 2020