Aufsatz in Zeitschrift

Patentschutz: Impulsgeber für Innovationen oder Behinderung von Produktion?

Herbert Zech, Stefan Wagner, Thomas Fackler, Reto M. Hilty, Iris Plöger, Michael Stolpe
ifo Institut, München, 2021

ifo Schnelldienst, 2021, 74, Nr. 08, 03-20

Herbert Zech, Humboldt-Universität zu Berlin, fällt insgesamt ein positives Urteil zum Patentschutz: Er ermögliche technische Innovation in Bereichen, in denen sich Entwicklungsaktivitäten wegen leichter Nachahmbarkeit und hohen Investitionsbedarfs ansonsten nicht lohnen würden. Patentschutz sei daher nach wie vor das Mittel der Wahl zur Innovationsförderung.

Stefan Wagner, ESMT Berlin, sieht den Patentschutz zwar ambivalent: Ohne besondere Anreize sei mit einer Unterproduktion von potenziell wohlfahrtssteigernden Erfindungen zu rechnen, aber der Innovationsanreiz durch Patente gehe auch mit Wohlfahrtsverlusten einher. Dennoch hätten mögliche Alternativen andere Nachteile und könnten ein Patentsystem nicht ersetzen. Es gebe keine bessere Alternative zur Förderung privater Innovationsaktivitäten.

Thomas Fackler, ifo Institut, stellt die Ergebnisse einer Studie vor, die die Auswirkung einer Zwangslizenzierung von 8 000 Patenten von Bell Labs in den 1950er Jahren untersuchte: Die Zwangslizenzierung hat sich positiv auf Nachfolgeinnovationen ausgewirkt. Insbesondere wurde dadurch Start-ups die Möglichkeit eröffnet, auf Bells Erfindungen aufzubauen und neue Produkte zu entwickeln. Bei einer Übertragung der Ergebnisse auf die aktuelle Debatte um die Impfstofffreigabe sei aber Vorsicht geboten. Diese Produkte bauen auf relativ wenigen Patenten auf, so dass kumulative Innovation weniger zentral sein könnte. Außerdem unterscheide sich die Marktstruktur erheblich. Zudem gehe es bei der Impfstoffdebatte eher um den Weg vom Patent zur Produktion als um die Entstehung neuer Produkte durch Nachfolgeinnovationen.

Reto M. Hilty, Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, erläutert, warum das Aussetzen von Patenten die Knappheit an Impfstoffen in weniger entwickelten Ländern nicht beseitigt. Zum einen handele es sich – vor allem bei den mRNA-Impfstoffen – um Hightech-Produkte, die auf komplett neuen, aufwendigen Verfahren beruhen und speziell qualifiziertes Personal erfordern. Zum anderen seien die Vorgaben des internationalen Rechts zum Patentschutz bereits jetzt schon flexibler als gemeinhin angenommen. Es sei Sache der einzelnen WTO-Mitgliedstaaten, die vorgesehenen Möglichkeiten auch zu nutzen. Die meisten Länder seien aber nicht in der Lage, moderne Pharmazeutika in Eigenregie herzustellen. Deshalb sei es Aufgabe der entwickelten Staaten, sich direkt und auf eigene Kosten um die Menschen in solchen Regionen zu kümmern.

Für Iris Plöger, Bundesverband der Deutschen Industrie, ist die Aufhebung des Patentschutzes realitätsfremd. Sie würde nicht dafür sorgen, dass Impfstoffe schneller zur Verfügung stehen, sondern dass die Hersteller von Impfstoffen keinen Anreiz mehr haben, sich an einer schnellstmöglichen weltweiten Versorgung mit Impfstoffen zu beteiligen. Deshalb müsse auf Kooperation statt auf Konfrontation gesetzt werden. Nur mit Hilfe eines Patentinhabers könne ein anderes Unternehmen in den Stand versetzt werden, an der Produktion mitzuarbeiten.
 
Michael Stolpe, Institut für Weltwirtschaft, Kiel, schlägt vor, einen globalen Fonds zu nutzen, um Patentrechte an Impfstoffen und Pharmaka zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten in ressourcenarmen Ländern gezielt aufzukaufen und dann freizugeben. Dieser Vorschlag biete die beste Chance, Barrieren im Zugang zu Impfstoffen in ärmeren Ländern abzubauen, und wahre die durch den weltweiten Patentschutz geschaffenen finanziellen Innovationsanreize der pharmazeutischen Industrie.

Schlagwörter: Patent, Internationales Patentrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Innovation, Epidemie
JEL Klassifikation: O340, O320

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ifo Institut, München, 2021