Aufsatz in Zeitschrift

Lehren aus der Covid-19-Pandemie: Der Weg zu größerer Resilienz im deutschen Gesundheitssystem

Franz Benstetter, Johannes Blum, Florian Dorn, Stefan Greß, Axel Heuer, Christian Jesberger, Beate Jochimsen, Christoph M. Schmidt, Jonas Schreyögg, Jochen Pimpertz, Amelie Wuppermann
ifo Institut, München, 2022

ifo Schnelldienst, 2022, 75, Nr. 03, 03-30

Stefan Greß und Christian Jesberger, Hochschule Fulda, stellen in Bezug auf die Stabilisierung der GKV-Finanzierung fest, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen nicht ausreichen, um die Beitragsfinanzierung auf eine stabile Grundlage zu stellen. Ohne weitergehende Maßnahmen entstehe auch jenseits von konjunkturellen Krisen ein strukturelles Finanzierungsdefizit, das vor allem durch Beitragssatzerhöhungen finanziert werden müsste. Es fehle weiterhin sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite eine Perspektive auf echte Strukturreformen.

Klare Regeln im Föderalismus und nachhaltige Digitalisierung sind für Beate Jochimsen, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, und Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, die Bedingungen für ein resilientes Gesundheitssystem. Zudem sei eine kontinuierliche Information und Kommunikation Voraussetzung für eine Kooperation der Bevölkerung.

Nach Ansicht von Amelie Wuppermann, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, schneidet das deutsche Gesundheitssystem nach zwei Jahren Pandemie insgesamt zwar gar nicht schlecht ab. Ein wichtiger Beitrag für die Zukunft sei aber eine Dateninfrastruktur, die es erlaube, umfassendere Daten aus dem Gesundheitssystem schneller zusammenzuführen und auszuwerten. Die Datensammlung könnte durch eine Verstärkung der Digitalisierung der Prozesse im Gesundheitssystem erreicht werden.

Franz Benstetter, Technische Hochschule Rosenheim, zeigt, dass in Krisensituationen und darüber hinaus digitale Prozesse und Plattformen eine unabdingbare Basis sind, um eine verbesserte und digital begleitete Versorgung zu erreichen. Zusätzlich würden neue Finanzierungsformen sowie eine transparente Kommunikation zwischen den Sektoren und mit den Patient*innen doppelte und gegebenenfalls nicht notwendige Gesundheitsleistungen vermeiden.

Jonas Schreyögg, Universität Hamburg, sieht vor allem die Notwendigkeit von Reformen der Krankenhausstrukturen. Wenn es in dieser Legislaturperiode gelinge, die gesetzgeberischen Voraussetzungen für eine Modernisierung der Krankenhausstrukturen zu schaffen, wäre das ein gewaltiger Beitrag zu einem resilienteren Gesundheitssystem in Deutschland.

Nach der Bilanz von Christoph M. Schmidt, RWI und Ruhr-Universität Bochum, wurden vor der Corona-Pandemie überflüssige Kapazitäten gehalten und ineffiziente Strukturen nur unzureichend infrage gestellt. Um resiliente Strukturen zu sichern, sei ein ganzes Menü an Anstrengungen erforderlich, das neben einem aktiven Risikomanagement und dem Aufbau redundanter Strukturen auch die Bereitstellung umfangreicher Daten beinhalte.

Jochen Pimpertz, Institut der deutschen Wirtschaft, diskutiert, ob sich das deutsche Gesundheitssystem bislang sogar als resilient erwiesen habe. Zur Begrenzung des Anstiegs der Infektionen seien zudem primär Maßnahmen zur Erhöhung der Impfquote nötig, statt beispielsweise Möglichkeiten einer Aufstockung der stationären Infrastruktur.

Johannes Blum, Florian Dorn, ifo Institut, und Axel Heuer, KfW, untersuchen, ob ein systematischer Zusammenhang zwischen dem politischen Regime und der relativen Höhe der öffentlichen sowie privaten Gesundheitsausgaben eines Landes besteht. Sie zeigen, dass Demokratien im Vergleich zu Autokratien in Relation zu ihrer Wirtschaftsleistung höhere öffentliche Gesundheitsausgaben tätigen, während sich die privaten Ausgaben für die Gesundheit kaum zwischen Demokratien und Autokratien unterscheiden. Demokratische Strukturen und Institutionen scheinen ein wichtiges Element auf dem Weg zu größerer Resilienz in der Gesundheitsversorgung zu sein.  

Schlagwörter: Gesetzliche Krankenversicherung, Gesundheitswesen, Gesundheitspolitik, Gesundheitsfinanzierung, Gesundheitsversorgung, Coping-Strategie, Epidemie, Deutschland
JEL Klassifikation: I110, I180

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