Grundsteuer
Mitte Juni 2019 einigten sich die Koalitionspartner auf einen Kompromiss für die Reform der Grundsteuer. Er sieht zwar eine bundesweit einheitliche Berechnung vor, die den Wert des Bodens und die durchschnittliche Miete als Grundlage heranzieht, räumt den Ländern aber durch eine sogenannte Öffnungsklausel Spielraum für eigene Gestaltungsmöglichkeiten ein. Die Neuregelung verlangt die Änderung des Grundgesetzes: Der Bund soll die Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer erhalten. Bundesrat und Bundestag stimmten der Grundgesetzänderung zu.
Steiniger Weg zum Kompromiss
Wie kam es dazu? Das Bundesverfassungsgericht hatte im April 2018 die bestehenden Regelungen für verfassungswidrig erklärt. Bislang wird die Grundsteuer auf Basis stark veralteter Immobilienwerte erhoben, den sogenannten Einheitswerten. Sie stammen teils aus dem Jahr 1935 und haben mit den heutigen Marktwerten der Immobilien wenig zu tun. Besitzer neuer und älterer Immobilien werden ungleich belastet, was nach Auffassung des Gerichts gegen das Gleichheitsgebot im Grundgesetz verstößt. Der Gesetzgeber musste bis zum 31. Dezember 2019 eine Neuregelung treffen.
Im Februar 2019 hatten Bundesfinanzminister Olaf Scholz und die Länderfinanzminister ein Modell vorgestellt, das die Grundstückswerte, das Alter von Gebäuden und die durchschnittlichen Mietkosten heranzieht. Insbesondere die bayerische Landesregierung lehnte den Vorschlag ab. Sie befürchtete Steuer- und Mieterhöhungen sowie mehr Bürokratie durch aufwendige Bewertungsverfahren.
Das Modell ist aus Sicht des ifo Instituts akzeptabel, da auf eine Wertermittlung individueller Immobilien verzichtet wird. Letzteres wäre mit einem erheblichen Aufwand verbunden, der sich angesichts des relativ geringen Grundsteueraufkommens kaum rechtfertigen lässt.
Prinzipiell muss die Grundsteuer nicht an Immobilienwerten ansetzen. Man kann beispielsweise auch die Grundstücksgröße oder die Wohn- und Nutzfläche der Gebäude als Bemessungsgrundlage verwenden. Die Forschungsgruppe Steuer- und Finanzpolitik des ifo Instituts empfiehlt eine Reform, die einfach und flächenbasiert ist und eine aufwendige Ermittlung von Verkehrswerten vermeidet.
Wichtige Einnahmequelle für die Kommunen
Die Grundsteuer ist eine Abgabe auf bebaute und unbebaute Grundstücke. Sie erfasst sowohl Wohn- als auch Gewerbeimmobilien. Die Bemessungsgrundlage ist bundesweit einheitlich geregelt. Den Steuersatz darf jede Kommune eigenständig bestimmen. Das Aufkommen geht an die Städte und Gemeinden. Die Einnahmen aus der Grundsteuer liegen bundesweit bei ca. 14 Mrd. Euro pro Jahr, also rund 175 Euro pro Kopf der Bevölkerung. Zum Vergleich: Die Einnahmen aus der Tabaksteuer sind ähnlich hoch, die aus der Einkommensteuer liegen bei 3 538 Euro pro Kopf. Für die Kommunen ist die Grundsteuer wichtig, da sie ca. 15% ihrer Steuereinnahmen deckt.
Flickenteppich durch Gestaltungsspielraum der Länder?
Bayern hat bereits angekündigt, in Zukunft allein die Fläche der Grundstücke und der Gebäude zur Berechnung heranziehen. Auch Sachsen und Sachsen-Anhalt wollen voraussichtlich die Möglichkeit nutzen und bei der Gestaltung der Grundsteuer vom Bundesgesetz abweichen.
Kritiker befürchten, dass durch die Öffnungsklausel ein „Flickenteppich“ aus 16 Grundsteuermodellen und ein föderaler Steuerwettbewerb entstehen könnten. Befürworter halten dagegen, das vorgeschlagene Modell sei gerecht, verursache nicht zu viel Bürokratie und ermögliche passgenaue Regelungen für die einzelnen Länder.
Aus Sicht des ifo Instituts ist der Kompromiss zur Grundsteuer eine gute Lösung. Die Grundsteuer ist besser als die meisten anderen Steuern dafür geeignet, über ihre Bemessungsgrundlage und Steuersätze dezentral entscheiden zu lassen. Da Grund und Boden nicht mobil ist, sind Befürchtungen, dass sich einzelne, vor allem wohlhabende Bundesländer als Niedrigsteuerländer positionieren, unbegründet. Denn Grund und Boden aus anderen Bundesländern kann man nicht anlocken. Zweitens ist die Grundsteuer eine Objektsteuer, ihre Höhe ist also unabhängig davon, wem eine Immobilie gehört. Es gibt keine Komplikationen, wenn der Nutzer einer Immobilie in einem Bundesland seinen Hauptwohnsitz in einem anderen Bundesland hat. Und bei verschiedenen Modellen der Bundesländer lernen, können sich auf Dauer die besten Lösungen durchsetzen.
Stand: Dezember 2019
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Aufsatz in ZeitschriftStephan Geschwind, Felix Röselifo Institut, Dresden, 2021ifo Dresden berichtet, 2021, 28, Nr. 5, 07-09
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Aufsatz in ZeitschriftCornelius Plaulifo Institut, Dresden, 2019ifo Dresden berichtet, 2019, 26, Nr. 6, 23-26
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ifo Standpunkt — 3. November 2019
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Aufsatz in ZeitschriftClemens Fuest, Lea Immel, Volker Meier, Florian Neumeierifo Institut, München, 2018ifo Schnelldienst, 2018, 71, Nr. 22, 23-29
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Monographie (Autorenschaft)Clemens Fuest, Lea Immel, Volker Meier, Florian Neumeierifo Institut, München, 2018ifo Studie im Auftrag von Haus & Grund Deutschland – Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. sowie ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
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ifo Standpunkt — 11. April 2018
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Aufsatz in ZeitschriftGerhard Grafifo Institut, München, 2016ifo Schnelldienst, 2016, 69, Nr. 24, 24-27
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Aufsatz in ZeitschriftWolfram F. Richterifo Institut, München, 2016ifo Schnelldienst, 2016, 69, Nr. 22, 22-25
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Aufsatz in ZeitschriftMarkus Söder, Thomas Schäfer, Wolfram Scheffler, Gisela Färber, Dirk Löhr, Helmut Dedy, Ralph Henger, Thilo Schaefer, Peter Tschentscherifo Institut, München, 2016ifo Schnelldienst, 2016, 69, Nr. 18, 03-26
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