Deutschlands beständiger Wandel zum Grundsicherungsstaat

Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) genießt vor allem in der öffentlichen aber auch in der wissenschaftlichen Debatte um die sozialstaatliche Sicherung in Deutschland seit geraumer Zeit hohe Aufmerksamkeit. Zwar sind wir vor einem grundlegenden Systemwechsel des Sozialstaates noch (sehr) weit entfernt, gleichwohl verweisen Befragungsdaten darauf, dass der öffentliche Diskurs die Dynamik um das Narrativ des Grundeinkommens antreibt. Die in der Coronakrise eingeführte befristete bedingungsärmere Grundsicherung wie auch die von der Ampelkoalition geplante Kindergrundsicherung, der Entwurf des Bürgergeldgesetzes oder das Klimageld werden (auch) als Schritte hin zu einem Grundsicherungsstaat interpretiert. Das im August 2020 gestartete Pilotprojekt Grundeinkommen, das ein Kooperationsprojekt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und dem Verein Mein Grundeinkommen in Berlin darstellt, kann ebenfalls Erkenntnisse zu individuellen Folgen bedingungsloser Gewährung von Geldzahlungen und zur evidenzbasierten Versachlichung der Debatte beitragen.

Der Beitrag versucht neben der allgemeinen Einordnung der gegenwärtigen Entwicklungen des Systems der sozialen Sicherung die Ziele wie Grenzen experimenteller Feldstudien zu Grundeinkommen zu skizzieren. Der Vortrag endet mit Überlegungen einer stärkeren Verzahnung von Klima- und Sozialpolitik.

Zum Referenten: Prof. Dr. Jürgen Schupp ist Wissenschaftler und Senior Research Fellow in der forschungsbasierten Infrastruktureinrichtung Sozio-ökonomisches Panel (SOEP) am DIW Berlin. Seit 2013 ist er Professor für Soziologie mit Schwerpunkt Empirische Sozialforschung am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin und seit 2009 Mitglied der Faculty der Berlin Graduate School of Social Sciences (BGSS) der Humboldt Universität zu Berlin. Als früherer Survey-Manager des SOEP hat er langjährige Erfahrungen mit der Planung, Durchführung wie Analyse der Längsschnittstudie gesammelt.