Auswirkungen des flächendeckenden Mindestlohns im Freistaat Sachsen
Projektlaufzeit: Januar 2016 - April 2016
Bearbeitender Bereich:
Fragestellung und Ziele
Am 1. Januar 2015 wurde in Deutschland ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro je Stunde eingeführt. Dieser wurde zum 1. Januar 2017 erstmals angepasst. Die Anpassung sollte dabei laut Mindestlohngesetz die Auswirkungen des Mindestlohns auf den Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf die Wettbewerbsbedingungen und auf das Beschäftigungsniveau berücksichtigen. Besonders umfangreiche Wirkungen sind im Freistaat Sachsen zu erwarten, da der Mindestlohn hier eine besonders hohe Reichweite entfaltet.
Vor diesem Hintergrund hat die Industrie- und Handelskammer Chemnitz die Dresdner Niederlassung des ifo Instituts beauftragt, die bisherigen Auswirkungen des flächendeckenden Mindestlohns in der gewerblichen Wirtschaft im Freistaat Sachsen zu untersuchen.
Ergebnisse
Die für die Untersuchung benötigten Daten wurden über eine Befragung der Mitgliedsbetriebe der Industrie- und Handelskammern Chemnitz, Dresden und zu Leipzig sowie der Handwerkskammer Chemnitz erhoben, an der sich insgesamt 2.668 Betriebe beteiligten. Dies sind die zentralen Ergebnisse:
- In der gewerblichen Wirtschaft Sachsens entfaltet der flächendeckende Mindestlohn eine besonders hohe Reichweite. Insgesamt sind 54 % der teilnehmenden Betriebe nach eigener Aussage vom Mindestlohn betroffen.
- Die Reichweite des Mindestlohns endet nicht bei Löhnen von 8,50 Euro je Stunde. Ein Drittel der betroffenen Betriebe berichtet, in Reaktion auf die neue Lohnuntergrenze auch Löhne oberhalb des Mindestlohnniveaus angepasst zu haben (z. B. aus Gründen des qualifikatorischen Lohnabstandes). Dazu zählen auch Betriebe, die bereits 2014 keine Löhne unterhalb von 8,50 Euro je Stunde gezahlt haben.
- Die betroffenen Betriebe reagierten nach eigenen Angaben mit vielfältigen Maßnahmen auf die neue Lohnuntergrenze, vor allem mit Preiserhöhungen (58 %), weniger Neueinstellungen (39 %), weniger Investitionen (39 %), der Kürzung von Sonderzahlungen (33%) sowie einer Reduktion der Arbeitszeit (32 %). Anscheinend versuchten sie, zumindest in der kurzen Frist Anpassungen bei der Beschäftigung zu vermeiden.
- Auch aufgrund der vielfältigen Maßnahmen dämpfte der flächendeckende Mindestlohn im ersten halben Jahr nach seiner Einführung die Beschäftigungsentwicklung in betroffenen Betrieben insgesamt nicht statistisch signifikant. Allerdings sind bei besonders stark betroffenen Betrieben, die den Bruttostundenlohn für mindestens einen Beschäftigten um mehr als 20 % anheben mussten, signifikante Beschäftigungseffekte zu beobachten. Nach Angaben der Betriebe betrafen die Anpassungen in der Beschäftigung und bei Neueinstellungen insbesondere Ungelernte und Angelernte.
Publikationen
Schubert, Antje, Johannes Steinbrecher, Marcel Thum und Michael Weber, Auswirkungen des flächendeckenden Mindestlohns auf die gewerbliche Wirtschaft im Freistaat Sachsen, ifo Dresden Studien 77, ifo Institut, 2016, Gutachten im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Chemnitz | PDF Download
Schubert, Antje und Michael Weber, "Der flächendeckende Mindestlohn in Sachsen: Hohe Reichweite, vielfältige Reaktionen der Betriebe", ifo Dresden berichtet 23 (03), 2016, 05–11 | PDF Download