Geldpolitik
Die Europäische Zentralbank (EZB) gerät zunehmend unter Druck. Sie will ihr Ziel der Preisstabilität mit einer Inflationsrate von nahe unter 2% für den Euroraum langfristig erreichen. Gleichzeitig sorgt sie sich um das schwache wirtschaftliche Umfeld. Aufgrund der bereits sehr niedrigen Leitzinsen scheint die EZB an die Grenzen ihrer Möglichkeiten zu stoßen. Welche Strategie wird die EZB weiterverfolgen? In den USA scheint die Trennung zwischen Geld- und Fiskalpolitik schon zu verwischen.
Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) senkte im Juli 2019 erstmals seit Dezember 2008 ihre Zinsen auf eine Spanne von 2,00% bis 2,25%. Der entsprechende Leitzins (Hauptrefinanzierungssatz) der EZB beträgt seit März 2016 0,00%. Neben diesem zinspolitischen Instrument setzen beide Zentralbanken seit der Finanzkrise (Fed: 2008–2014; EZB seit 2015) auf das Instrument der Quantitativen Lockerung (QE) im Rahmen der unkonventionellen Geldpolitik.
Fed vor Beginn einer neuen expansiven Geldpolitik
Während die EZB das Volumen der Wertpapiere im Rahmen ihres Anleiheprogramms seit Dezember 2018 konstant hält, hat die Fed im Juli 2019 angekündigt, die Drosselung ihres QE-Programms zu beenden. Die Mittel fällig werdender Wertpapiere werden dann, wie es die EZB derzeit praktiziert, in neue Anlagen reinvestiert. Wenn die Fed mittelfristig auf einen Kurs der expansiven Geldpolitik zurückkehrt, wird sie sich Gedanken um ihre Glaubwürdigkeit machen müssen. Denn bei ihren Entscheidungen steht sie im Kreuzfeuer US-politischem Aktionismus. Je lauter Donald Trump auf Fed-Chef Jerome Powell einredet, desto schwieriger wird es, weitere Zinssenkungen aufgrund ihres Mandats zu rechtfertigen. Die Fed hat den Auftrag, mit ihren Mitteln der Geldpolitik, die Fiskalpolitik zu ergänzen und Wirtschaftswachstum zu fördern. Dabei darf sie aber nicht ihre Ziele, eine maximale Beschäftigungsquote, stabile Preise und moderate langfristige Zinsen, aus den Augen verlieren.
Glaubwürdigkeit der Zentralbanken bewahren
Ab November 2019 wird Christine Lagarde als Präsidentin die Führung der EZB übernehmen. Auch sie sieht sich bereits jetzt lauter werdenden Forderungen nach einer weiteren oder sogar verstärkten expansiven Geldpolitik gegenüber. Dass diese Stimmen aus Wirtschaft und Politik die Unabhängigkeit der EZB beeinträchtigen können, hat sie erkannt. Bereits im Vorfeld hat sie auf eine neue Kommunikationsstrategie der EZB hingewiesen. Im Gegensatz zur Fed hat die EZB das oberste Ziel der Preisstabilität. Erst wenn dieses nicht gefährdet wird, darf sie die Fiskalpolitik der europäischen Länder hin zu einem ausgewogenen Wirtschaftswachstum unterstützen.
Betreibt die EZB auch Fiskalpolitik?
Im Vergleich zur Fed hat die EZB allein deswegen eine schwierige Ausgangslage, weil sie 19 Euroländern gegenübersteht, die unterschiedlich in Fiskalpolitik und Wirtschaftswachstum aufgestellt sind. Im Rahmen seiner Forschungsaktivitäten untersucht das ifo Institut die gesellschaftspolitischen Auswirkungen der Geldpolitik der EZB. So hat ifo Forscher Timo Wollmershäuser mit Koautoren bei einer Untersuchung der Target2-Salden im System der Europäischen Zentralbanken gezeigt, dass eine unterschiedliche Inanspruchnahme der Möglichkeit, Target2-Salden aufzubauen, dazu geführt hat, eine Rezession in den europäischen Krisenländern abzumildern.
Die künftige Rolle der EZB
Die Aktivitäten der EZB werden weiterhin die gemeinsame Entwicklung der Europäischen Union prägen. Im Rahmen seiner Konjunkturprognosen im Sommer und Winter analysiert das ifo Institut auch die aktuelle Entwicklung der europäischen Geldpolitik. So wurde in der Prognose im Sommer 2019 bereits festgehalten, dass der scheidende EZB-Präsident Mario Draghi den ersten Fahrplan für seine Nachfolgerin vorgegeben hat. Eine erste Anhebung des Leitzinses seit Juli 2011 wurde bereits weiter in die Zukunft verschoben. Das ifo-Prognoseteam erwartet, dass die EZB erst im Jahr 2021 die Zinswende einleiten dürfte. Bis dahin würden die neu angekündigten Refinanzierungsgeschäfte Liquiditätsengpässe einzelner Banken abwenden. Damit übernimmt die EZB weiterhin die Rolle eines Finanzintermediärs, der problembehaftete Kreditinstitute vor einer möglicherweise teuren Refinanzierung am Interbankengeldmarkt bewahrt.
„Bei der Geldpolitik ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik muss mehr für Wachstum und wirtschaftliche Dynamik leisten.“
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Working paper version available as: Ifo Working Paper 149 (PDF)
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