ifo Zentrum für Außenwirtschaft

Handelskosten und Handelspolitik

Das weltwirtschaftliche Umfeld ist von zunehmenden handelspolitischen Spannungen geprägt. Dies führt zu einer merklichen Verlangsamung des Welthandelswachstums, was insbesondere eine offene Volkswirtschaft, wie die deutsche, vor Herausforderungen stellt. Seit dem Abschluss der Uruguay-Runde im Jahr 1995 gab es keine nennenswerte Senkung der WTO-Zölle mehr. Diesem Stillstand des Multilateralismus sind viele Länder mit einer verstärkten Bilateralisierung ihrer Freihandelsbestrebungen entgegengetreten, was zu einem starken Anstieg von bilateralen und regionalen Freihandelsabkommen seit 2001 führte. In diesem Forschungsstrang untersucht das Zentrum die Rolle von Handelsabkommen für Wohlfahrt und Beschäftigung in den direkt betroffenen Ländern und in Drittstaaten. Dabei werden strukturell geschätzte Modelle des allgemeinen Gleichgewichts verwendet. Aus gegebenem Anlass quantifiziert das Zentrum auch die potentiellen Kosten der Wiedereinführung von Handelsbarrieren, beispielsweise im Zuge des Brexit, der Erhebung von Sanktionen oder der Erhöhung von Zöllen. In diesen Bereichen hat das Zentrum vor kurzem Studien für das BMWi und für die Industrie und Handelskammer für Düsseldorf fertig gestellt.

Das Zentrum hat außerdem den weltweit umfangreichsten Zolldatensatz erstellt, wodurch sich die Zahl der verfügbaren Zölle von 2,9 auf 5,7 Milliarden fast verdoppelt hat. Mit dem neuen Datensatz werden zahlreiche neue Fakten über Zölle dokumentiert.

Um die Auswirkungen von Zöllen und nicht-tarifären Barrieren auf den Wohlstand und auf den Arbeitsmarkt zu quantifizieren, verwendet das Zentrum das so genannte Gravitätsmodell, welches – eingebettet in strukturell geschätzte allgemeine Gleichgewichtsmodelle – für die Politikberatung genutzt werden kann. Zurzeit arbeitet das Zentrum an weiteren Verbesserungen des ifo Handelsmodells für die Modellierung der Einkommensverteilung in quantitativen Analysen.

Globalisierung und Arbeitsmärkte

Die internationale Mobilität von Firmen und Arbeitnehmer*innen birgt Chancen und Gefahren für die Beschäftigung und die Lohnstruktur in Deutschland und Europa. Die Skepsis bezüglich der Globalisierung ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Umfragen zeigen immer wieder, dass die Menschen in Deutschland und Europa gerade über die Arbeitsmarkteffekte der Globalisierung besorgt sind und den sozialen Zusammenhalt gefährdet sehen.

Allgemein beschäftigt sich der Forschungsstrang Globalisierung und Arbeitsmärkte mit den Arbeitsmarkteffekten von internationalem Güterhandel und Produktionsentscheidungen multinationaler Unternehmen. Dabei werden die Auswirkungen der Handelspolitik und des Firmen-Offshoring auf den Arbeitsmarkt evaluiert. Zudem wird untersucht, wie sich Veränderungen im Wettbewerb der Produktmärkte auf die Arbeitsmärkte übertragen, und wie das Verhalten von Unternehmen unterschiedlicher Größe diese Übertragung moderiert.

Das Zentrum ist Teil des Sonderforschungsbereiches 190 „Rationalität und Wettbewerb“, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wird. Das Ziel des Projekts besteht darin, die Auswirkungen der Globalisierung auf den Arbeitsmarkt und auf die Einkommensverteilung zu untersuchen. Für die Analyse verwendet das Zentrum Modelle der neuen Außenhandelstheorie, mit denen Reallokationseffekte auch innerhalb von eng definierten Sektoren untersucht werden können. Zudem widmet sich das Projekt der theoretischen und empirischen Modellierung des Effektes von internationalem Wettbewerb auf die ökonomische Ungleichheit zwischen und innerhalb von Firmen.

Handel, Umweltpolitik und Pandemien

Pandemien, Naturkatastrophen und Folgen des Klimwandels könnten die Weltwirtschaft einer zunehmenden Zahl an unerwarteten Schocks aussetzen. Ziel dieses Forschungsstrangs ist dazu beizutragen, die Zusammenhänge zwischen Globalisierung und Schocks wie Klimawandel und Pandemien besser zu verstehen.

Im Zuge der Covid-19-Pandemie brachen globale Lieferketten teilweise zusammen, was Zweifel am Fortbestand der internationalen Arbeitsteilung aufkommen ließ. Während der Coronakrise hat das Zentrum zahlreiche Aufsätze zum Thema Lieferketten und zu Auswirkungen der Pandemie auf die deutsche Wirtschaft verfasst. Zurzeit arbeitet das Zentrum an der Erweiterung des Simulationsmodells, um die Wohlfahrts- und Verteilungseffekte der Covid-19-Pandemie auf regionaler und sektoraler Ebene zu quantifizieren. Die Analyse dient dem besseren Verständnis von regionalen und sektoralen Verteilungs- und Wohlstandseffekten und verdeutlicht, welche Handelspartner für Regionen am wichtigsten sind.

Zudem untersucht das Zentrum in diesem Forschungsstrang die Rolle der Handelspolitik bei der Bewältigung von Schäden durch Klimawandel (etwa durch Naturkatastrophen). Aktuell untersucht das Zentrum, welche Rolle internationaler Handel bei der Bewältigung der Kosten des Klimawandels spielt und hat dafür eine große Datenbank aufgebaut – ifo-GAME (Geological and Meteorological Events). Diese Forschungsaktivitäten werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen eines Projektes unterstützt.

Ein weiteres Thema ist Carbon Leakage und die EU-Klimapolitik. Das Zentrum untersucht in diesem Forschungsstrang die Bedeutung des internationalen Handels von Gütern für die Wirksamkeit der Klimapolitik. Diese Fragestellung wird mithilfe eines Simulationsmodells umgesetzt. Konkret kann damit die Frage beantwortet werden, welche Auswirkungen die neuen Klimapolitiken auf den Klimawandel und Carbon Leakage haben. Dies kann zudem mit handelspolitischen Szenarien (z.B. steigender Protektionismus und Handelsliberalisierung) kombiniert werden.

Globalisierung und Innovation

Vergangene technologische Neuerungen senkten häufig Handelskosten und beförderten damit internationalen Handel von Gütern und Dienstleistungen. Aktuelle Innovationen hingegen führen unter Umständen dazu, dass sich die Produktionskosten über Länder hinweg eher angleichen, womit der grenzüberschreitende Handel nach Ricardianischer Vorstellung (komparatives Kostenargument) an Berechtigung verliert. Jedoch werden Automatisierung und Globalisierung als ein dynamisches Duo des wirtschaftlichen Wandels betrachtet, der unsere Gesellschaft in den kommenden Jahren immer stärker prägen wird.

In diesem Forschungsstrang untersucht das Zentrum den Zusammenhang zwischen Innovation, insbesondere der Automatisierung und Globalisierung. Zum Beispiel wird der Einfluss des internationalen Wettbewerbs auf Innovationsentscheidungen von Unternehmen untersucht.

Zurzeit ist das Zentrum an dem von der EU finanzierten Horizon 2020 Projekt „Pathways to Inclusive Labour Markets“ beteiligt. Dieses Projekt untersucht schwerpunktmäßig, wie Automatisierung und Handelsverflechtungen die Produktion und den Arbeitsmarkt in lateinamerikanischen Ländern neu definiert haben, und wie die daraus resultierende Produktionsstruktur zur Vergrößerung der Ungleichheiten in Lateinamerika beigetragen hat.

ifo GAME – die geologische und meteorologische Event-Datenbank

ifo GAME sammelt Informationen über geologische und meteorologische Ereignisse, wie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Stürme, extreme Temperaturereignisse, Überschwemmungen und Dürren, und bietet damit einen einzigartigen Datensatz zur ökonomischen Analyse: Die Daten beinhalten Veränderungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit exogen für wirtschaftliche Entwicklungen sind. ifo GAME gehört zu den ifo-Forschungsdaten zum Download, die im EBDC bereitgestellt werden.

Prof. Dr. Peter Egger, ETH Zürich 

Prof. Gabriel Felbermay, Ph.D., Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung

Prof. Wolfgang Keller, Ph.D., University of Colorado, Boulder

Prof. Dr. Mario Larch, Universität Bayreuth

Prof. Dr. Wilhelm Kohler , Eberhard Karls Universität Tübingen

Prof. Devashish Mitra, Ph.D., Syracuse University

Prof. Dr. Marc Andreas Mündler, University of California, San Diego

Prof. Yoto V. Yotov, Ph.D., Drexel University Philadelphia

Michele Battisti, Ph.D., University of Glasgow

Dr. Martin Braml

Dr. Inga Heiland, Norwegian University of Science and Technology

Prof. Dr. Erdal Yalcin, Hochschule Konstanz

CESifo Area on Global Economy