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Das Klimageld ist nicht das richtige Instrument

Die aktuelle Diskussion zum Klimageld überzeugt Clemens Fuest nicht: Eine Kombination aus Erhöhung des Grundfreibetrags, des Bürgergelds und eine Senkung der Grenzsteuersätze wären für alle Bürger am Ende des Monats auf Gehaltszettel und Konto sichtbar. Wenn man noch deutlicher sein will, könnte man den Entlastungsbetrag auch explizit auf der Gehaltsabrechnung als Klima-Bonus ausweisen.


Quelle:
Frankfurter Allgemeine Zeitung

In der Debatte über Klimaschutz und höhere CO₂-Preise wird immer wieder gefordert, dass die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung an die Bürger zurückfließen sollten, statt staatliche Ausgabenprogramme zu finanzieren. Das wirft die Frage auf, wie das Geld zurückfließen soll. Dazu soll auch in Deutschland ein Instrument eingesetzt werden, das sich großer Popularität erfreut: das Klimageld. Die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung sollen in Form eines einheitlichen Pro-Kopf-Betrages an die Bevölkerung zurückfließen. Eine aktuelle Studie des DIW rechnet bei einem CO₂-Preis von 60 Euro zum Beispiel mit 14 Milliarden Euro Einnahmen, damit könnte ein Klimageld von rund 170 Euro je Person und Jahr bezahlt werden. Befürworter erhoffen sich vom Klimageld mehr politische Unterstützung für höhere CO₂-Preise. Dazu trage bei, dass das Klimageld eine soziale Komponente habe und zugunsten von Menschen mit geringen Einkommen umverteile. Ob es in Deutschland zu einer Erstattung der Einnahmen aus dem steigenden CO₂-Preis kommt, ist angesichts der Probleme beim Einhalten der Schuldenbremse im Bundeshaushalt 2024 fraglich. Aber wenn es dazu kommt, sollte man dafür nicht das Instrument des Klimageldes wählen. Es wird zwar vehement eingefordert, ist aber nicht das beste Instrument zur Rückerstattung der CO₂-Steuereinnahmen. Das hat folgende Gründe: Grundsätzlich ist es fragwürdig, wenn der Staat Pauschalzahlungen an alle Bürger tätigt, wenn stattdessen auch verzerrende Steuern wie die Einkommensteuer oder die Mehrwertsteuer gesenkt werden könnten. Letzteres würde die Bürger stärker entlasten, weil die Kosten der steuerlichen Verzerrungen reduziert werden. Mit Einnahmen aus Umweltsteuern nicht nur die Umwelt zu schützen, sondern auch andere, verzerrende Steuern zu senken, wird auch als "doppelte Dividende" von Umweltsteuern bezeichnet. Das Klimageld würde auf diese doppelte Dividende verzichten. Hinzu kommt, dass das Klimageld die Erstattung der Steuereinnahmen mit Umverteilungsanliegen vermengt, die man lieber mit anderen bestehenden Instrumenten verfolgen sollte. Wegen der Umverteilungswirkungen würde es viele Verlierer geben, sodass zweifelhaft ist, ob die vom Klimageld erhoffte politische Unterstützung für Klimapolitik funktioniert.

Um das zu verstehen, muss man zwei Effekte berücksichtigen, die ein CO₂-Preis neben der gewünschten Lenkungsfunktion mit sich bringt. Ein CO₂-Preis hat einen Verteilungseffekt und einen Arbeitsanreizeffekt. Der Verteilungseffekt ergibt sich aus der unterschiedlichen Belastung der Haushalte. Die ärmsten Haushalte tragen dabei prozentual eine höhere Last, da der CO₂-Anteil in den Konsumausgaben dort am höchsten ist. Aber auch alle anderen Haushalte werden durch die Mehrkosten belastet. Der Arbeitsanreizeffekt wirkt wie folgt: Von jedem verdienten Euro können sich Bürger nun weniger leisten, weil durch den CO₂-Preis viele Güter teurer werden. Steuern auf Einkommen und Konsum machen Erwerbsarbeit weniger attraktiv, denn der Genuss von Freizeit wird nicht besteuert. Die anhaltende Debatte über das Bürgergeld zeigt, dass viele Menschen der Auffassung sind, Arbeit lohne sich zu wenig. Diese Problematik wird durch einen CO₂-Preis noch weiter verschärft, ganz unabhängig von der erwünschten Lenkungswirkung des CO₂-Preises in Richtung Klimaschutz.

Eine sinnvolle Rückerstattung der Einnahmen durch den CO₂-Preis an die Bürger sollte sowohl die Arbeitsanreiz- als auch die Verteilungswirkungen adressieren. Der Vorschlag des Klimagelds betont aber einseitig Verteilungseffekte, und das auf fragwürdige Art und Weise. Ein Klimageld würde dazu führen, dass ärmere Haushalte nicht nur für den CO₂-Preis kompensiert werden, sondern mehr zurückbekommen, als sie an CO₂-Preisen zahlen. Haushalte mit mittleren und höheren Einkommen würden hingegen nicht voll für die Mehrbelastung kompensiert. Nach einer Studie des Umweltökonomen Rick van der Ploeg würden 70 Prozent der Bürger in Deutschland durch eine Kombination aus CO₂-Preis und Klimageld schlechter gestellt. Dass das die politische Unterstützung für Klimapolitik erhöhen wird, erscheint unplausibel.

Gleichzeitig würde das Klimageld nicht die Arbeitsanreizproblematik adressieren. Es würde nichts daran ändern, dass der CO2-Preis die Arbeitsanreize vermindert. In der Summe wäre die Kombination aus CO₂-Preis und Klimageld also ein zusätzliches Instrumentarium, das die Umverteilung erhöht und Arbeitsanreize senkt. Der Kuchen würde etwas schrumpfen, aber auch etwas gleicher verteilt werden.

Man mag eine Erhöhung der Umverteilung generell als wünschenswert beachten. Allerdings hat der Staat hierfür schon das bestehende Steuer- und Transfersystem, mit dem er jederzeit mehr umverteilen könnte, wenn auch um den Preis verschlechterter Arbeitsanreize. Wenn die Politik die Umverteilung verstärken will, kann sie das mit diesen Instrumenten gezielt tun, dafür braucht sie das Klimageld nicht.

Wie könnte man die Einnahmen aus dem CO₂-Preis besser an die Bürger zurückfließen lassen? Konzeptionell könnte man anstreben, die Entlastung der Bürger an deren Belastung durch den CO₂-Preis zu orientieren. Dies hätte zur Folge, dass sowohl den Verteilungs- als auch den Arbeitsanreizeffekten des CO₂-Preises entgegengewirkt wird. Im Rahmen einer Optimalsteueranalyse lässt sich zeigen, dass die beste Anpassung darauf abzielen würde, sowohl die zusätzliche Verzerrung des Arbeitsangebotes durch den CO₂-Preis als auch die Verteilungswirkungen zu neutralisieren. Die Anreize, CO₂ einzusparen, bleiben natürlich erhalten. Eine konkrete Möglichkeit der Umsetzung wäre eine Kombination aus leichter Erhöhung des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer, Senkung der Grenzsteuersätze sowie einer Erhöhung des Bürgergeldes. Eine andere Option wäre eine Umsatzsteuersenkung. Die Umsatzsteuersenkung wäre wohl noch einfacher, aber etwas weniger zielgenau. Außerdem wäre unklar, in welchem Umfang sie an die Konsumenten weitergereicht wird. Überwälzungsfragen stellen sich grundsätzlich allerdings auch bei Einkommensteuern.

Diese Lösungen berücksichtigen allerdings nicht, dass Haushalte mit gleichen Einkommen sehr unterschiedlich von CO₂-Preisen belastet werden können. Das gilt beispielsweise für Pendler, die auf dem Land leben und einen weiten Weg zur Arbeit haben. Das könnte man auffangen, indem man die Pendlerpauschale erhöht. Komplizierter ist es bei Inhabern von Ölheizungen. Man könnte diese gegebenenfalls durch Übergangspauschalzahlungen entlasten. Auch wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht dazu führen, dass alle Haushalte präzise durch die Rückerstattung der Einnahmen aus der CO₂-Steuer kompensiert werden, so wird eine deutlich zielgenauere Entlastung erreicht als beim Klimageld. Das könnte die politische Bereitschaft, dem Gesamtpaket zuzustimmen, im Vergleich zum Klimageld stärken. Außerdem könnte man sich den erheblichen Aufwand sparen, der mit der administrativen Umsetzung eines völlig neuen Transferinstruments verbunden ist.

Man hört gelegentlich den Einwand, die Bürger und Wähler würden nur beim Klimageld verstehen, dass die Einnahmen aus demCO₂-Preis zurückfließen, bei einer Senkung bestehender Steuern nicht. Das überzeugt nicht. Eine Kombination aus Erhöhung des Grundfreibetrags, des Bürgergelds und eine Senkung der Grenzsteuersätze wären für alle Bürger am Ende des Monats auf Gehaltszettel und Konto sichtbar. Wenn man noch deutlicher sein will, könnte man den Entlastungsbetrag auch explizit auf der Gehaltsabrechnung als Klima-Bonus ausweisen.

Clemens Fuest ist Präsident des Münchener Ifo-Instituts.
Dominik Sachs ist Ökonomieprofessor an der Universität St. Gallen.

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Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest

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