ifo Konjunkturprognose

ifo Konjunkturprognose Frühjahr 2023: Deutsche Wirtschaft stagniert

Die hohen Inflationsraten belasten derzeit die Konsum- und Baukonjunktur durch eine sinkende Kaufkraft und erheblich gestiegene Finanzierungskosten. Gleichzeitig erholt sich die Industriekonjunktur aufgrund nachlassender Lieferengpässe bei Vorprodukten und kräftigen Rückgängen bei den Energiepreisen. Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr in etwa auf dem Niveau des Vorjahres stagnieren (-0,1%) und im kommenden Jahr um 1,7% zulegen. Die Inflationsrate wird im Jahr 2023 mit durchschnittlich 6,2% nur wenig niedriger liegen als im Vorjahr. Erst im kommenden Jahr dürfte die Rate auf 2,2% zurückgehen.

Lage der deutschen Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft schrumpft seit Ende vergangenen Jahres, nachdem sie sich bis in den Spätsommer hinein noch recht kräftig erholte. Zwar verlieren die Angebotsschocks, die die Produktionskapazitäten als Folge der Corona- und Energiekrise spürbar einschränkten, allmählich an Bedeutung. Allerdings schwächt sich seit dem Herbst zunehmend die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen ab. Zum einen dämpft die verhaltene Entwicklung der globalen Konjunktur das deutsche Exportgeschäft. Zum anderen belasten die hohen Inflationsraten die Konsum- und Baukonjunktur durch eine sinkende Kaufkraft und erheblich gestiegene Finanzierungskosten.

Die Teuerung hat im Verlauf des vergangenen Jahres zunehmend an Breite gewonnen und verharrt seit einigen Monaten auf historischen Höchstständen. Während sich der direkte Beitrag der Energiepreise seit dem Herbst allmählich abschwächt, hat die Inflation bei allen anderen Waren und Dienstleistungen kontinuierlich zugenommen und im Februar 7,6% erreicht. Neben den gestiegenen Produktionskosten, die von den Unternehmen an die Verbraucher weitergegeben wurden, trugen dazu auch eine spürbare Ausweitung der Gewinnmargen in einigen, insbesondere konsumnahen Wirtschaftsbereichen bei.

„Der Gipfel der Inflation ist erreicht. Im Durchschnitt des Jahres 2023 dürfte die Rate mit 6,2% bereits niedriger sein als im vergangenen Jahr. Im Jahr 2024 werden sich die Raten dann normalisieren und die Inflation 2,2% erreichen.“

Prof. Dr. Timo Wollmershäuser, Stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen und Leiter Konjunkturprognosen

Prognose der deutschen Wirtschaft

Der Höhepunkt der Inflationswelle dürfte mittlerweile erreicht sein. Insbesondere ist von den Energiepreisen im Verlauf der kommenden Monate kein weiterer Schub mehr zu erwarten. Die Beschaffungspreise für Strom und Gas sind seit dem Spätsommer des vergangenen Jahres spürbar gesunken und seit Januar wirken die staatlichen Preisbremsen. Dies entlastet zunächst vor allem die Unternehmen, deren Energiekosten von den Marktpreisen bestimmt werden. Im Verarbeitenden Gewerbe sind daher den ifo Konjunkturumfragen zufolge in den kommenden Monaten spürbar weniger Preisanhebungen geplant, so dass sich der Anstieg der Erzeugerpreise weiter verlangsamen dürfte. Ein merklicher Rückgang beim Verbraucherpreisanstieg wird jedoch noch etwas auf sich warten lassen, da die Energieversorger die gesunkenen Beschaffungskosten erst mit Verzögerung an ihre Abnehmer weitergeben. Für die privaten Haushalte werden daher die Energiepreise erst frühestens ab Ende 2023 unter ihren Vorjahreswert sinken. Ähnliches gilt für die Betriebe in konsumnahen Wirtschaftsbereichen, die ihre Energie auch überwiegend von den Versorgungsunternehmen beziehen. Der Preisdruck von Seiten der Lohnkosten wird zunehmen, da im Laufe dieses Jahres mit spürbaren Anstiegen der Tarifverdienste zu rechnen ist.

Insgesamt dürfte daher vor allem die Kerninflationsrate (also der Anstieg der Verbraucherpreise ohne Energie) im weiteren Verlauf nur langsam sinken und im Jahresdurchschnitt 2023 mit 6,3% sogar deutlich höher liegen als noch im Vorjahr (4,9%). Da jedoch der Inflationsbeitrag der Energiepreise in den kommenden Monaten stark abnimmt, dürfte die Gesamtinflationsrate von 6,9% im Jahr 2022 auf 6,2% im Jahr 2023 zurückgehen. Erst im kommenden Jahr dürfte sich der Preisanstieg allmählich wieder normalisieren. Unter der Annahme, dass sich Rohstoffe und Energie entsprechend der derzeitigen Markterwartung im Prognosezeitraum nicht wesentlich verteuern und dass die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen weiter anhebt, dürfte die Inflationsrate im Jahr 2024 auf 2,2% und die Kernrate auf 2,8% zurückgehen.

Im weiteren Verlauf des Jahres wird sich die Konjunktur in nahezu allen Wirtschaftsbereichen erholen. Darauf deutet die spürbare Verbesserung der ifo Geschäftserwartungen seit Oktober 2022 hin. Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe nehmen seit Jahresbeginn wieder zu, und die globale Konjunktur dürfte an Fahrt gewinnen. Langsam sinkende Inflationsraten und steigende Löhne dürften spätestens ab Jahresmitte wieder zu einem Reallohnplus führen und die Binnenkonjunktur stützen. Bremsen dürfte hingegen die Bauwirtschaft, auch wenn dort zu Jahresbeginn ein überraschend hoher Produktionszuwachs verzeichnet wurde. Die Nachfrage nach Bauleistungen ist kräftig eingebrochen, nicht zuletzt als Folge der rasch steigenden Finanzierungskosten.

Eckdaten der Prognose für Deutschland

  2021 2022 2023 2024
Bruttoinlandsprodukt (Veränderung gegenüber Vorjahr in %) 

2,6 

1,8 -0,1 1,7
Erwerbstätige (1.000 Personen) 44.980 45.570 45.901 46.029
Arbeitslose (1.000 Personen) 2.613 2.418 2.464 2.326
Arbeitslosenquote (in % der zivilen Erwerbspersonen) 5,7 5,3 5,4 5,1
Verbraucherpreise (Veränderung gegenüber Vorjahr in %) 2021 2022 2023 2024
-  Gesamtinflationsrate 3,1 6,9 6,2 2,2
 - Kerninflationsrate (ohne Energie) 2,5 4,9 6,3 2,8
Finanzierungssaldo des Staates 2021 2022 2023 2024
 - in Mrd. EUR -134,3 -101,3 -51,6 -12,4
 - in % des Bruttoinlandsprodukts -3,7 -2,6 -1,3 -0,3
Leistungsbilanzsaldo 2021 2022 2023 2024
 - in Mrd. EUR 265,0 145,1 219,6 251,2
 - in % des Bruttoinlandsprodukts 7,4 3,8 5,4 5,9

Quelle: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Deutsche Bundesbank; 2023 bis 2024: Prognose des ifo Instituts
© ifo Institut Mrz. 2023

Alles in allem wird das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr in etwa auf dem Niveau des Vorjahres stagnieren (-0,1%) und im kommenden Jahr um 1,7% zulegen. Die konjunkturelle Schwäche wird den Beschäftigungsaufbau in diesem Jahr etwas verlangsamen. Bereits im kommenden Jahr dürfte die Arbeitslosenquote wieder auf 5,1% sinken, nach 5,4% in diesem und 5,3% im vergangenen Jahr.

Der Staatshaushalt wird in diesem und im kommenden Jahr mit 1,3 bzw. 0,3% der Wirtschaftsleistung im Minus bleiben. Allerdings fällt das staatliche Finanzierungsdefizit deutlich geringer aus als noch bei der ifo Konjunkturprognose Winter 2022 erwartet. Insbesondere wurden die Ausgaben, die für die staatlichen Energiepreisbremsen veranschlagt wurden, um insgesamt gut 35 Mrd. Euro herabgesetzt, weil sich aus heutiger Sicht die Beschaffungspreise für Strom und Gas im Prognosezeitraum deutlich günstiger darstellen als noch vor drei Monaten. Der Leistungsbilanzsaldo wird bis zum Jahr 2024 wieder auf 5,9% der Wirtschaftsleistung steigen, nachdem er im vergangenen Jahr als Folge der kräftigen Verteuerung der Importe vorübergehend auf 3,8% gesunken war.

Risiken für die Prognose

Die Risiken für die vorliegende Prognose sind vielfältig. Kurzfristig könnte sich das Verarbeitende Gewerbe kräftiger erholen, wenn sich die angebotsseitigen Engpässe schneller auflösen als erwartet. Der Auftragsstau bei den Industrieunternehmen ist nach wie vor beträchtlich, und mittlerweile nehmen auch die Neuaufträge wieder zu. Zudem besteht in den energieintensiven Bereichen, deren Produktion Ende 2022 um 17% niedriger lag als noch ein Jahr zuvor, enormes Aufholpotenzial. Der kräftige Anstieg der Industrieproduktion im Januar 2023 war maßgeblich auf diese Bereiche zurückzuführen, die von sinkenden Gas- und Strompreisen profitieren.

Die hohe Inflation könnte hingegen die Binnenkonjunktur stärker dämpfen als in der vorliegenden Prognose unterstellt. Unklar ist vor allem, wie die privaten Haushalte auf die hohen Preisanstiege und die damit einhergehenden Liquiditätsengpässe reagieren. So ist durchaus vorstellbar, dass sie ihre Sparneigung erhöhen und einen zunehmenden Anteil ihres Einkommens, möglicherweise aus einem Vorsichtsmotiv heraus, beiseitelegen. Dies würde den privaten Konsum stärker beeinträchtigen. Auch könnte sich die heimische Preisdynamik langsamer abschwächen als erwartet, etwa weil Tariflohnanstiege oder Gewinnausweitungen höher ausfallen. Dies würde den Rückgang der Kerninflationsrate verzögern und eine restriktivere geldpolitische Reaktion erfordern. Vor allem die Baukonjunktur dürfte dadurch noch stärker in Mitleidenschaft gezogen werden.

Video

Pressekonferenz: ifo Konjunkturprognose Frühjahr 2023: Deutsche Wirtschaft stagniert

Kontakt
Prof. Dr. Timo Wollmershäuser, Stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen

Prof. Dr. Timo Wollmershäuser

Stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen und Leiter Konjunkturprognosen
Tel
+49(0)89/9224-1406
Fax
+49(0)89/907795-1406
Mail
Das könnte Sie auch interessieren