ifo Konjunkturprognose 5. September 2024

ifo Konjunkturprognose Herbst 2024: Deutsche Wirtschaft steckt in der Krise fest

Abbildung: News Illustration für Prognosen
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Grafik ifo Konjunkturprognose Herbst 2024: Bruttoinlandsprodukt in Deutschland

Prognose der deutschen Wirtschaft

Die derzeit vorliegenden Frühindikatoren lassen für das dritte Quartal 2024 keine konjunkturelle Trendwende erwarten. Das ifo Geschäftsklima hat sich im August zum dritten Mal in Folge verschlechtert und die Auftragslage wird in allen Wirtschaftsbereichen bis zuletzt als schlecht eingeschätzt. Erst im kommenden Jahr wird mit einer allmählichen Erholung gerechnet. Immerhin sind die Auftragseingänge im Baugewerbe und im Verarbeitenden Gewerbe zuletzt nicht weiter gesunken. Das Exportgeschäft wird von der weltwirtschaftlichen Entwicklung gestützt, die im Prognosezeitraum mit Zuwächsen zwischen 0,5 und 0,6% pro Quartal ihre derzeitige Dynamik wohl halten wird. Allerdings dürfte die schlechte Wettbewerbssituation die exportorientierten Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes weiterhin belasten. Zwar haben die gesunkenen Energiekosten die Situation in den vergangenen zwölf Monaten etwas verbessert. Dennoch beurteilen die deutschen Unternehmen ihre Wettbewerbssituation sowohl auf den europäischen als auch auf den außereuropäischen Märkten deutlich schlechter als die Unternehmen in anderen europäischen Ländern. Im kommenden Jahr wird die Baukonjunktur vor allem vom öffentlichen Bau getragen. Der Wohnbau dürfte zunächst stagnieren, da neu erstellte Wohnimmobilien kaum erschwinglicher geworden sind. Während die Kreditzinsen seit Juli noch einmal deutlich gesunken sind, haben sich neu erstellte Wohnimmobilien bislang nur wenig verbilligt. Erst mit steigenden Realeinkommen wird die Konjunktur beim Wohnbau wieder an Fahrt gewinnen. Da die Löhne im weiteren Prognosezeitraum deutlich stärker steigen als die Preise, wird die Kaufkraft weiter zurückkehren. Damit dürfte sich auch die Konsumkonjunktur erholen.

Alles in allem dürfte die Wirtschaftsleistung im laufenden Quartal unverändert bleiben und erst zum Jahresende wieder leicht um 0,2% gegenüber dem Vorquartal zulegen. Damit dürfte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr stagnieren. In den kommenden beiden Jahren dürfte eine allmähliche Erholung einsetzen, im Zuge derer die Wirtschaftsleistung um 0,9 bzw. 1,5% zunehmen wird. Damit wurde die Wachstumsprognose gegenüber der ifo Konjunkturprognose Sommer 2024 deutlich um 0,4 Prozentpunkte für das laufende Jahr und um 0,6 Prozentpunkte für das Jahr 2025 gesenkt. Entgegen den Erwartungen können sich Industrie- und Konsumkonjunktur nur sehr langsam aus ihrer Starre befreien. Der Anstieg der Wirtschaftsleistung im Jahr 2026 wird durch die hohe Zahl an Arbeitstagen überzeichnet. Kalenderbereinigt beträgt der Anstieg des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts lediglich 1,2%.

Die schwache Konjunktur wird den Beschäftigungsaufbau verlangsamen und die Arbeitslosigkeit zunächst weiter steigen lassen. Die Arbeitslosenquote wird in diesem Jahr mit durchschnittlich 6,0% um 0,3 Prozentpunkte höher liegen als 2023. In den beiden Folgejahren dürfte die Quote im Zuge der allmählichen Erholung und des weiterhin ausgeprägten Arbeitskräftemangels wieder auf 5,8 bzw. 5,3% sinken. Allerdings wird die Beschäftigung dann nur noch geringfügig zunehmen. Hier macht sich der demografische Wandel bemerkbar, der ab dem kommenden Jahr zu einem Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials führen wird. Entsprechend wird auch die Wachstumsrate des Produktionspotenzials bis zum Ende des Jahrzehnts deutlich auf nur noch 0,4% zurückgehen.

Die Inflationsrate wird weiter sinken, von durchschnittlich 5,9% im vergangenen Jahr auf 2,2% in diesem und 2,0 bzw. 1,9% in den nächsten beiden Jahren. Insbesondere Energie wird in den kommenden Monaten für die Verbraucher günstiger als im Vorjahr. Die Energiekomponente dürfte daher bis ins kommende Jahr hinein den Preisauftrieb dämpfen. Die Kerninflationsrate, also der Anstieg der Verbraucherpreise ohne Energie, wird sich langsamer zurückbilden und in diesem und im nächsten Jahr mit 2,7 bzw. 2,3% über der Gesamtinflationsrate liegen. Insbesondere die Teuerung bei arbeitsintensiven Dienstleistungen wird nur langsam zurückgehen, da steigende Lohnkosten den Preisdruck hochhalten. Im Jahr 2026 dürfte die Kerninflationsrate dann auf 2,0% und damit auf das Inflationsziel der EZB zurückgehen.

Mitte Juli hat sich die Bundesregierung auf eine umfangreiche Wachstumsinitiative mit 49 Maßnahmen geeinigt, von denen sie sich einen spürbaren Impuls auf das Produktionspotenzial erhofft. In der vorliegenden Prognose wurden nur wenige Punkte der Wachstumsinitiative berücksichtigt, da für die meisten Maßnahmen noch keine konkreten Gesetzesinitiativen vorliegen. Zu den berücksichtigten Maßnahmen zählen insbesondere die steuerlichen Entlastungen aus dem Steuerfortentwicklungsgesetz, von denen die Anpassung des Einkommensteuertarifs für die privaten Haushalte den größten Impuls haben dürfte. Allerdings waren diese Entlastungen in ähnlicher Größenordnung bereits in den vorangegangenen Prognosen berücksichtigt. Andere Maßnahmen, wie die Stromsteuersenkung für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, waren ebenfalls bereits in früheren Prognosen enthalten, werden nun aber bis über das Jahr 2025 hinaus verlängert. Darüber hinaus werden die Unternehmen durch geänderte Abschreibungsregeln und eine Ausweitung der Forschungsförderung entlastet, die allerdings erst ab 2026 wirksam werden dürften. Insgesamt wird das Defizit im Staatshaushalt in diesem und im nächsten Jahr mit 2,0 bzw. 1,3% der Wirtschaftsleistung etwas höher ausfallen als noch im Sommer erwartet. Hierzu trägt vor allem die schwächere konjunkturelle Entwicklung bei. Im Jahr 2026 dürfte das Finanzierungsdefizit dann wieder leicht auf 1,5% der Wirtschaftsleistung steigen.

Die deutsche Wirtschaft steckt fest, und sie dümpelt in einer Flaute, während andere Länder den Aufwind spüren.

Prof. Dr. Timo Wollmershäuser, Stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen und Leiter Konjunkturprognosen
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Eckdaten der Prognose für Deutschland

  2024 2025 2026
Bruttoinlandsprodukt (Veränderung gegenüber Vorjahr in %)  0,0 0,9 1,5
Erwerbstätige (1.000 Personen) 46.185 46.346 46.468
Arbeitslose (1.000 Personen) 2.773 2.723 2.491
Arbeitslosenquote (in % der zivilen Erwerbspersonen) 6,0 5,8 5,3
Verbraucherpreise (Veränderung gegenüber Vorjahr in %)      
-  Gesamtinflationsrate 2,2 2,0 1,9
 - Kerninflationsrate (ohne Energie) 2,7 2,3 2,0
Finanzierungssaldo des Staates      
 - in Mrd. EUR -86,3 -57,7 -71,7
 - in % des Bruttoinlandsprodukts -2,0 -1,3 -1,5
Leistungsbilanzsaldo      
 - in Mrd. EUR 297,7 284,2 282,6
 - in % des Bruttoinlandsprodukts 6,9 6,3 6,1

Quelle: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Deutsche Bundesbank; 2024 bis 2025: Prognose des ifo Instituts
© ifo Institut Sept. 2024

Risiken

  • Energiepreise
  • Sparquote
  • strukturelle Veränderungen

Kontakt

CV Foto von Prof. Dr. Timo Wollmershäuser

Prof. Dr. Timo Wollmershäuser

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Stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen und Leiter Konjunkturprognosen
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