Energiekrise
Der Strompreis steigt, das Gas wird knapp, der Klimawandel schreitet voran: Die aktuellen Krisen und geopolitischen Veränderungen stellen die Energiepolitik vor große Herausforderungen. Muss sich die Politik zwischen Versorgungssicherheit und Klimaschutz entscheiden? Sollte sie die Atomkraftwerke länger als ursprünglich geplant am Netz lassen? Planen wir weiter mit Erdgas als Brückentechnologie? Es gilt, den Ausbau der Erneuerbaren schneller voranzutreiben, die Energieeffizienz zu steigern und Infrastrukturen auszubauen. Unser Schwerpunkt bündelt Erkenntnisse zur Lösung der akuten Krise und zur künftigen Gestaltung der Energiemärkte.

Der bisherige Energiemix hat dem preiswerten, russischen Erdgas bei der Wärme- und Stromerzeugung eine zentrale Rolle eingeräumt. Gaskraftwerke sollten bei der Stromerzeugung die Zeiten überbrücken, in denen erneuerbare Energien wie Wind und Sonne nicht genügend Energie liefern, um die Versorgung stabil zu halten. Große Teile der Industrie setzen bei ihrer Produktion seit Jahrzehnten auf Gas. Viele haben in den vergangenen Monaten schon Möglichkeiten ersonnen, alternative Energieformen zu nutzen. Allerdings ist auch zu befürchten, dass besonders energieintensive Teile der Industrie abwandern werden. Besonders für die privaten Verbraucher*innen ist die Entwicklung der Energiepreise und der Versorgungssicherheit ein emotionales Thema. Denn die Politik erwartet auch von Haushalten dass sie den Gasverbrauch senken. Langfristig braucht es Maßnahmen, um die Resilienz der Energieversorgung zu stärken: weg von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien.
Dafür sind entsprechende Preissignale notwendig. Zusätzlich sollen bedürftige Haushalte finanziell unterstützt werden. Eine große Herausforderung liegt zudem nach wie vor in der Versorgung und Dekarbonisierung der energieintensiven Industrie, die auf hohe Temperaturen angewiesen ist. Biomethan aus Abfall- und Reststoffen kann hier einen Beitrag leisten, aber auch klimaneutraler Wasserstoff wird in großen Mengen notwendig sein.
Energiemix und -verbrauch in Deutschland
Unternehmen kämpfen mit hohen Energiepreisen
Die ifo-Umfragen zeigen die Auswirkungen der Energiekrise auf die Unternehmen. Nach den Erholungen mit dem Abebben der Corona-Pandemie sind die Geschäftserwartungen in einigen Branchen pessimistisch wie kaum zuvor. Materialengpässe und hohe Energiepreise führen zu steigenden Preiserwartungen. In der Baubranche kommt es zu Auftragsstornierungen. Die energieintensive Chemiebranche drosselt die Produktion und die Lage entwickelt sich negativ. Die Geschäftserwartungen der Produzenten von Glas, Keramik, Steinen und Erden sind auf den schlechtesten Stand seit 1991 gesunken. Deutschland rutscht in eine Rezession.
Wie hängen Erdgas- und Strompreise zusammen?
In den letzten Monaten stiegen die Gaspreise durch eine Verknappung des Angebots bei gleichzeitig hoher Nachfrage zum Füllen der Gasspeicher. Doch warum verteuern Erdgaspreise die Strompreise so stark, obwohl der Erdgasanteil im Strommix verhältnismäßig gering ist? Ein normaler Strompreis in Deutschland lag bis vor der Corona-Pandemie bei 50 Euro/MWh. Damals wir heute schwankt er allerdings im Zeitverlauf stark. Ist die Einspeisung aus Wind, Sonne und Wasserkraft zusammengenommen hoch, dann tendiert der Preis gegen 0 Euro/MWh, weil diese Erzeuger keine bzw. vernachlässigbare variable (bzw. marginale) Kosten verursachen. Sogar negative Preise sind möglich, die die Inflexibilität von Atom-, Braunkohle- oder älteren Steinkohle-betriebenen Dampfkraftwerken abbilden. Für solche Kraftwerke ist es manchmal zu teuer, zu riskant oder gar nicht möglich, schnell herunterzufahren und dann in der nächsten Stunde wieder hochzufahren. Wehte in der Vergangenheit kein Wind und schien die Sonne nicht, stieg der Strompreis durchaus auf 100 Euro/MWh oder mehr, da in dieser Zeit teurere Gaskraftwerke dazugeschaltet werden mussten. Die Stromerzeugung in diesen Kraftwerken ist nun allerdings massiv teurer geworden. Im Endeffekt ist der Strompreis immer so hoch wie die marginalen Kosten des teuersten Kraftwerks im Einsatz (dem marginalen Kraftwerk). Dieses Prinzip des Marginal Pricing ist das einzig bisher bekannte effiziente Preissystem für Strom, insbesondere bei hohen Anteilen fluktuierenden Sonnen- und Windstroms, auch wenn dies immer wieder in Zweifel gezogen wird.
In der EU koordiniert handeln und Energieangebot erhöhen
Unter dem Druck steigender Energiepreise wächst der heimische politische Druck auf die nationalen Regierungen in Europa, Maßnahmen zu direkten Preissenkungen zu ergreifen. Die negativen Folgen für Europa insgesamt werden in den meist national geprägten Debatten oft ignoriert. Grenzüberschreitende Wirkungen beeinträchtigen andere Maßnahmen, die eigentlich dringend gebraucht werden. Ein wirksamer Schritt zur Entlastung der Gas- und Strommärkte besteht darin, stillgelegte Kohle- und Ölkraftwerke wieder zu aktivieren und die Laufzeiten von Kernkraftwerken zu verlängern. Dadurch kann weniger Gas für die Stromproduktion eingesetzt werden. Hier besteht ein Anreizproblem darin, dass mehr Stromangebot und verringerte Gasnachfrage ganz Europa zugutekommt, nicht nur dem jeweils handelnden Land. Ein wirksames Krisenmanagement in dieser Energiekrise erfordert eine europäische Koordinierung.
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Die Energiekrise, vor allem die Verknappung des Gasangebots durch den Wegfall der Lieferungen aus Russland, stürzt Europa in eine Rezession und führt zu sozialen Spannungen und Verteilungskonflikten. Die Regierungen suchen derzeit nach Wegen, die Krise zu entschärfen. Das wird nur gelingen, wenn die EU-Staaten eng kooperieren. Der grenzüberschreitende Energiemarkt muss offen bleiben, Gaseinkäufe in Drittländern müssen gemeinsame Marktmacht nutzen. Das allein reicht aber nicht. Nationales Krisenmanagement muss ebenfalls koordiniert werden und darf kein blinder Subventionswettlauf werden. Was heißt das?
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