Die deutsche Schuldenbremse – Stabilitätsanker oder Investitionsblocker?

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Grafik, ifo Institut, Umfrage, Ökonomenpanel von ifo und FAZ, deutsche Schuldenbremse, 12/2023

Von jener Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die eine Reform oder Abschaffung der Schuldenbremse fordern, gibt es die meiste Unterstützung für eine Ausnahmeregel für Investitionen. Dabei sprechen sich 44% für Ausnahmen für Netto-Investitionen und 18% für Ausnahmen für Brutto-Investitionen aus. Zudem wollen 36% die Konjunkturkomponente großzügiger ausgestalten. In einer Krise wäre dann eine höhere Verschuldung zulässig, die aber im Aufschwung ausgeglichen werden muss. Von den Unterstützerinnen und Unterstützern einer Reform der Schuldenbremse befürworten 30% den Vorschlag, bestimmte Ausgabenkategorien wie Klima und Verteidigung von der Schuldenbremse auszunehmen. Etwa 18% unterstützen eine Erhöhung der strukturellen Nettokreditaufnahme in normalen Zeiten auf mehr als 0,35% der Wirtschaftsleistung. Nur 12% wollen die Schuldenbremse abschaffen. Zudem antworten 15% mit „Andere“. Sie nennen zum Beispiel eine restriktivere Gestaltung der Schuldenbremse, eine Aufweichung der Jährlichkeit oder eine Rückkehr zur alten Regelung für die Schuldenbremse. Etwa 2% antworten „Weiß nicht“. Mehrfachnennungen waren möglich.

Grafik, ifo Institut, Umfrage, Ökonomenpanel von ifo und FAZ, deutsche Schuldenbremse, 12/2023
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Kurzfristig negative Folgen aufgrund des Urteils zur Schuldenbremse erwartet

Die Ökonominnen und Ökonomen erwarten mehrheitlich, dass sich die Staatsschuldenquote sowohl kurz- als auch mittelfristig in Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts verbessern wird. Jedoch gehen die VWL-Professorinnen und VWL-Professoren davon aus, dass das Urteil in den nächsten ein bis zwei Jahren zu einer Verschlechterung der politischen und wirtschaftlichen Situation beiträgt. Eine Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung wird von 52% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet. Mit Blick auf den Wandel der Wirtschaft hin zu modernen Technologien und Branchen sind es 46%, beim Klimaschutz sind es ebenso 46% und bei der politischen Stabilität sogar 59% der Ökonominnen und Ökonomen, die negative Folgen aufgrund des Urteils erwarten. Auf die mittlere Frist  - also die nächsten fünf bis zehn Jahren – hellt sich die Einschätzung zumindest leicht auf. Mit Blick auf die mittelfristige allgemeine wirtschaftliche Entwicklung erwarten nur 24% eine Verschlechterung durch das Urteil, 28% erwarten sogar eine Verbesserung und die meisten erwarten keinen Einfluss (42%). Ähnlich verhält es sich für den Wandel der Wirtschaft zu modernen Technologien und Branchen sowie den Klimaschutz und die politische Stabilität. Dort erwartet jeweils ein Drittel auch noch in fünf bis zehn Jahren eine Verschlechterung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, mehr als 40% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehen aber keinen Einfluss d auf diese Bereiche durch das Urteil.

Grafik, ifo Institut, Umfrage, Ökonomenpanel von ifo und FAZ, deutsche Schuldenbremse, 12/2023
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Mehrheit für Aussetzen der Schuldenbremse im Jahr 2023

Eine große Mehrheit von 66% der VWL-Professorinnen und VWL-Professoren unterstützt den Plan der Bundesregierung, für das Jahr 2023 erneut eine außergewöhnliche Notlage zu beschließen und die Schuldenbremse auszusetzen. Sie argumentieren, dass dies der einzige Weg sei, um das Jahr kurzfristig mit einem verfassungsmäßigen Haushalt abzuschließen. Im Nachhinein könne man nicht mehr sparen. Alle Alternativen würden Unternehmen und Haushalte erheblich verunsichern und Klimaziele gefährden. Sie sehen mit Blick auf die Energiepreiskrise am Anfang des Jahres die notwendigen inhaltlichen Voraussetzungen für die Notlage. Demgegenüber lehnen 28% der Ökonominnen und Ökonomen die Aussetzung der Schuldenbremse für das Jahr 2023 ab. Sie sehen die objektiven Voraussetzungen des Grundgesetzes an eine Notlage und damit die rechtliche Grundlage für diesen Schritt nicht gegeben. Etwa 6% antworten „Weiß nicht“.

Grafik, ifo Institut, Umfrage, Ökonomenpanel von ifo und FAZ, deutsche Schuldenbremse, 12/2023

Wie soll die Lücke im Haushalt ab 2024 geschlossen werden?

Die Kernfrage, die sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergibt, ist: Wie soll die durch den Urteilsspruch entstandene Lücke in der Haushaltsplanung der Bundesregierung ausgeglichen werden? Für das Jahr 2024 fordern die Ökonominnen und Ökonomen größere Anstrengungen der Bundesregierung. Etwa die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer spricht sich dafür aus, dass die Haushaltslücke primär durch Einsparungen geschlossen wird. Sie verweisen darauf, dass der Staatshaushalt insgesamt ausreichend groß sei und Kürzungspotentiale, insbesondere bei Sozialausgaben und Subventionen enthalte. Das Schließen der Lücke über Steuern oder Schulden halten sie langfristig für wirtschaftsschädlich. Demgegenüber steht ein großes Lager von VWL-Professorinnen und VWL-Professoren, die auch im Jahr 2024 einen Anstieg der Neuverschuldung als primäre Lösung sehen. Sie favorisieren dabei aber unterschiedliche Wege: Rund 15% fordern eine Reform oder Abschaffung der Schuldenbremse, um so Freiraum für Investitionen zu schaffen, weitere 18% wollen Sondervermögen zu Klima und Infrastruktur in Grundgesetz verankern, weil so Planungssicherheit geschaffen werde und die Mittel zweckgebunden seien. 5% sprechen sich für ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse aus, weil sie das in der Umsetzung für den realistischsten Weg halten. Eine kleine Gruppe von 5% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer fordert primär Steuerhöhungen, um die Haushaltslücke im Jahr 2024 zu schließen. Zudem antworten 7% mit „Andere“. Sie unterstützen vielfach eine Mischung aus Einsparungen und höheren Steuereinnahmen. Etwa 6% antworten mit „Weiß nicht“.

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Potenziale zur Einsparung werden bei Subventionen und Sozialem gesehen

In der haushaltpolitischen Debatte kommt regelmäßig die Frage nach Einsparpotenzialen im Bundeshaushalt auf. Wo sehen die Ökonominnen und Ökonomen hier den größten Spielraum? Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten auf die Frage nach Potenzialen zur Einsparung im Freitext antworten. Insgesamt haben sich 126 Ökonominnen und Ökonomen an der Diskussion um Einsparungspotenziale beteiligt. Mit 63% werden Subventionen am häufigsten als Quelle von Einsparungen angegeben. Spezifisch werden primär die Förderung von Unternehmensansiedlungen sowie klimaschädliche Subventionen genannt. Mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Freitextantworten gibt zudem den Sozialbereich als Möglichkeit für Einsparungen an. Namentlich werden am häufigsten das Bürgergeld (und dessen geplante Erhöhung) sowie die Kindergrundsicherung genannt. Im Bereich von Klimamaßnahmen sehen 25% Einsparpotenziale und verknüpfen diese häufig mit der Forderung nach einer höheren Besteuerung von CO₂ als Lenkungsinstrument. Einsparpotenziale werden zudem bei der Rente (20%), Verwaltung (11%), Asyl (9%) und Entwicklungshilfe (5%) gesehen. Etwa 2% gaben explizit an, dass sie keine Einsparungen unterstützen. Mehrfachantworten waren möglich.

Grafik, ifo Institut, Umfrage, Ökonomenpanel von ifo und FAZ, deutsche Schuldenbremse, 12/2023
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Steuererhöhungen werden vor allem im Bereich der Emissionen gefordert

Insgesamt haben 101 Ökonominnen und Ökonomen im Freitext Bereiche für Erhöhungen der Steuern und Abgaben genannt. Davon gaben 19% explizit an, dass sie Steuererhöhungen ablehnen. Demgegenüber fordern 37% höhere Steuern auf CO₂ und andere Emissionen. Zudem geben 30% an, dass Erbschaft- und Schenkungssteuer erhöht werden sollten. Auch fordern 21% eine höhere Einkommenssteuer. Diese solle aber nur die Personen im Bereich des Spitzen- oder Reichensteuersatzes betreffen. Zudem wollen 17% die Steuereinnahmen durch den Verzicht auf Steuervergünstigen anheben. Dabei wird primär das Dienstwagenprivileg genannt. Ähnlich verhält es sich mit jenen 15%, die sich für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aussprechen. Sie wollen lediglich die Ausnahmeregelungen mit Blick auf die Mehrwertsteuer abschaffen. Zudem fordern 11% höhere Steuern auf Vermögen und 6% höhere Steuern auf Kapitalerträge. Mehrfachnennungen waren möglich.

Grafik, ifo Institut, Umfrage, Ökonomenpanel von ifo und FAZ, deutsche Schuldenbremse, 12/2023

Quelle:

Die deutsche Schuldenbremse – Stabilitätsanker oder Investitionsblocker?
Clemens Fuest, Klaus Gründler, Maximilian Nübling, Niklas Potrafke, Marcel Schlepper
ifo Schnelldienst, 2024, 77, Nr. 01
44-48
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Der Ampel-Koalitionsvertrag im Ökonomentest
Klaus Gründler, Niklas Potrafke, Fabian Ruthardt
ifo Schnelldienst, 2022, 75, Nr. 01
52-56
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Die Schuldenbremse in der Diskussion – Teilnehmer des Ökonomenpanels mehrheitlich für Beibehaltung
Johannes Blum, Klaus Gründler, Raphael de Britto Schiller, Niklas Potrafke
ifo Schnelldienst, 2019, 72, Nr. 22
27-33
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ifo Zentrum für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie
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