Geopolitik und Handel: Deutsche Ökonominnen und Ökonomen bewerten Abhängigkeiten von China

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Grafik, ifo Institut, Umfrage, Ökonomenpanel von ifo und FAZ, Subventionen für Zukunftsindustrien, Juli 2024

Deutschland deutlich stärker von China abhängig als andersherum

Bei den aktuellen Handelsbeziehungen ergeben sich verschiedene Abhängigkeitsverhältnisse. Mit Blick auf die Han-delsbeziehungen bewerten ganze 88% der Ökonominnen und Ökonomen Deutschland als sehr hoch oder hoch abhängig von China. Zwar ergibt sich für die Abhängigkeiten der EU von China ein ähnliches Bild, aber mit lediglich 63% für sehr hoch oder hoch werden sie als weniger stark ausgeprägt bewertet. Zudem schätzen 34% der Teilnehmenden das Abhängigkeitsverhältnis der EU von China als mittel ein. Für die deutschen Ökonominnen und Ökonomen bestehen die Abhängigkeiten bei den Handelsverhältnissen primär einseitig. Die Abhängigkeit Chinas von Deutschland bzw. der EU bewerten nur 13% bzw. 29% als sehr hoch oder hoch. Etwa die Hälfte stuft das Abhängigkeitsverhältnis Chinas gegenüber Deutschland und EU als mittel ein. Sogar 36% bzw. 21% der Teilnehmenden bewerten die Abhängigkeit Chinas von Deutschland bzw. der EU nur als niedrig oder sehr niedrig. Andersherum hat das weniger als zwei Prozent der Teilnehmenden angegeben.

Grafik, ifo Institut, Umfrage, Ökonomenpanel von ifo und FAZ, Subventionen für Zukunftsindustrien, Juli 2024
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Die Ökonominnen und Ökonomen fürchten vor dem Hintergrund der asymmetrischen Abhängigkeitsverhältnisse, dass die chinesische Regierung die wirtschaftlichen Abhängigkeiten zur Durchsetzung ihrer (außen-)politischen Interessen gegenüber Deutschland einsetzen werde. Für die nächsten ein bis fünf Jahre sehen 47% der Teilnehmenden ein hohes Risiko dafür. Zudem sehen 25% das Risiko sogar als sehr hoch an. Demgegenüber schätzen 23% das Risiko als mittel ein. Nur 3% geben niedrig an; 1% gibt sehr niedrig an. Für den Zeithorizont von sechs bis zehn Jahren stufen 44% bzw. 36% der Teilnehmenden das Risiko als sehr hoch bzw. als hoch ein. Nur 13% stufen in diesem Fall das Risiko eines Einsatzes der wirtschaftlichen Abhängigkeiten für die chinesischen (außen-)politischen Interessen als mittel ein. Nur 2% antworten mit niedrig oder sehr niedrig. 5% antworten mit „Weiß nicht“.

Grafik, ifo Institut, Umfrage, Ökonomenpanel von ifo und FAZ, Subventionen für Zukunftsindustrien, Juli 2024
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De-Risking ist die präferierte Leitlinie im Umgang mit China

Mit 69% spricht sich die eindeutige Mehrheit der Ökonominnen und Ökonomen für De-Risking als Leitlinie mit Blick auf die Handelsbeziehungen zu China aus. Darunter versteht man das Minimieren von wirtschaftlichen Risiken sowie das Reduzieren von Importabhängigkeiten. Die Unterstützerinnen und Unterstützer dieser Leitlinie fordern, Abhängigkeiten in kritischen und sicherheitsrelevanten Industrien wie der Telekommunikations- oder Pharmaindustrie zu reduzieren. Zudem wird die Diversifikation von Bezugsquellen und Absatzmärkten verstärkt empfohlen. Es solle außerdem sichergestellt werden, dass kritische sowie wirtschaftlich wichtige Güter auch innerhalb der EU hergestellt werden können. Des Weiteren werden höhere Forschungs- und Entwicklungsausgaben, vor allem in jenen Bereichen empfohlen, in denen China mittlerweile führend sei (z.B. Batterien, E-Autos und KI). Die ganzheitliche wirtschaftliche Entkopplung von China, De-Coupling, wird nur von 7% der Teilnehmenden als präferierte Leitlinie für China gesehen. Keinerlei Einschränkungen in unternehmerischen Entscheidungen sehen rund 15% der Teilnehmenden als beste Vorgehensweise. Den Handel mit der Volksrepublik zu intensivieren, schlagen nur rund 2% der Ökonominnen und Ökonomen vor. Etwa 2% antworten „Weiß nicht“.

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Keine klare Meinung zu Ausgleichszöllen auf E-Autos aus China

Die von der EU-Kommission eingeführten Ausgleichszölle für in China gefertigte E-Autos spalten die Profession der Ökonominnen und Ökonomen. Ein Drittel der Teilnehmenden gibt an, dass die Ausgleichszölle genau passend seien. Hauptgrund für diese Position sind die nachgewiesenen Subventionen der chinesischen Regierung, denen man entgegenwirken müsse. Gleichzeitig ist ein Drittel der VWL-Professorinnen und Professoren der Meinung, dass überhaupt keine Ausgleichszölle angebracht wären. Sie führen vor allem das Risiko eines drohenden Handelskriegs an. Des Weiteren würden Zölle nicht die Dominanz chinesischer E-Autos beheben und die europäischen Hersteller würden dadurch nicht effizienter werden. Ausgleichszölle seien kein Mittel zur Stärkung der heimischen Wettbewerbsfähigkeit. Zudem würden europäische Konsumentinnen und Konsumenten sowie die europäischen Klimaziele von der Verfügbarkeit günstiger E-Autos aus China profitieren. Rund 11% sprechen sich für Ausgleichszölle aus, jedoch in einem geringeren Ausmaß als von der EU-Kommission geplant. Sie argumentieren, dass die europäische Automobilindustrie dadurch kurzfristig geschützt werden könne, sich jedoch mittelfristig an die neuen Gegebenheiten anpassen und die verschlafene Umstellung auf E-Mobilität nachholen müsse. Mit niedrigeren Ausgleichszöllen könne auf der einen Seite eine Gegenreaktion demonstriert und auf der anderen Seite das Risiko eines Handelskriegs minimiert werden. Etwa 17% der Teilnehmenden haben hierzu keine klare Meinung und nur rund 6% empfehlen höhere Ausgleichszölle als von der EU geplant.

Grafik, ifo Institut, Umfrage, Ökonomenpanel von ifo und FAZ, Subventionen für Zukunftsindustrien, Juli 2024

Die Frage, ob die EU-Kommission auf chinesische Subventionen in „Zukunftsindustrien“ mit eigenen Subventionen antworten solle, beantwortet die klare Mehrheit der Teilnehmenden mit Nein (53%). Die Ineffizienz einer solchen Maßnahme sowie die Gefahr eines globalen Subventionswettlaufs werden in diesem Zusammenhang genannt. Des Weiteren sollten Unternehmen sowie Konsumentinnen und Konsumenten selbst darüber entscheiden, was als „Zu-kunftsindustrie“ zu sehen sei. Sie haben die Sorge, dass die EU und die Politik im Allgemeinen nicht genug Informa-tionen darüber hätte, welche Industrien zukunftsträchtig seien und Subventionen somit meistens nur an Verlierer des Strukturwandels fließen würden. Die 34% der Teilnehmenden, die sich für europäische Subventionen aussprechen, führen vor allem an, dass so die Abhängigkeiten von China reduziert werden könnten. Auch sagen sie, dass die EU sich längst in einem internationalen Subventionswettlauf befände und es daher unumgänglich sei, selbst Subventionen einzuführen. 13% der Ökonominnen und Ökonomen haben hierzu keine klare Meinung.

Grafik, ifo Institut, Umfrage, Ökonomenpanel von ifo und FAZ, Subventionen für Zukunftsindustrien, Juli 2024
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Prof. Dr. Niklas Potrafke

ifo Zentrum für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie
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