Gastbeitrag

Bloß nicht neu verschulden

Niklas Potrafke


Quelle:
Die Welt

Der Gesetzgeber hatte seinerzeit klug auf die rasant steigende Staatsverschuldung ab dem Jahr 2007 reagiert: Die Schuldenbremse wurde eingeführt, und sie trägt Früchte. Der Bund nimmt seit einigen Jahren keine neuen Schulden mehr auf (schwarze Null). In die Hände gespielt hatten den Finanzministern Wolfgang Schäuble und Olaf Scholz gleich einige Umstände: Niedrige Zinsen ließen die jährlichen Zinsausgaben sinken, und sattes Wirtschaftswachstum sorgte für sprudelnde Steuereinnahmen.

Klar ist aber auch, dass sich sowohl Wolfgang Schäuble als auch Olaf Scholz für ausgeglichene Haushalte starkgemacht, Begehrlichkeiten erfolgreich abgewehrt und die Schuldenbremse verteidigt hat.

In den vergangenen Wochen hat sich nun wieder eine Debatte entzündet. Sollten wir die Schuldenbremse nicht doch abschaffen und uns besser wieder neu verschulden? Die einen wollen neue Schulden machen, weil mehr ausgegeben werden soll, beispielsweise für bessere Infrastruktur und Bildung.

Es ist völlig richtig, sich für mehr investive Ausgaben starkzumachen. Höhere öffentliche Investitionen sollten aber nicht über neue Schulden finanziert werden, sondern durch weniger konsumtive Ausgaben wie für Soziales oder Unternehmenssubventionen. Andere wollen Steuersenkungen und diese über neue Schulden finanzieren. Diese Rechnung wird ebenso wenig aufgehen. Steuersenkungen, die auch die Steuereinnahmen reduzieren, müssen über Ausgabenkürzungen finanziert werden.

Es gibt nach wie vor viele gute Gründe für die Schuldenbremse. Selbstverständlich sollte sie erhalten und keineswegs gelockert werden. Ein wichtiges Argument für das Sparen ist in der gegenwärtigen Debatte zu kurz gekommen: Die Schuldenbremse schränkt den Spielraum von Politikern ein, die Wähler vor Wahlen durch expansive, schuldenfinanzierte Wahlgeschenke für sich zu gewinnen.

Dass Amtsinhaber vor Wahlen gern Wählerstimmen durch expansive Politik zu kaufen suchen, um ihre Wiederwahl zu sichern, beschreibt die Theorie der politischen Konjunkturzyklen. Diese Theorie wurde maßgeblich vom Nobelpreisträger William Nordhaus durch eine viel zitierte Arbeit aus dem Jahr 1975 mitbegründet. Sie ist mittlerweile vielfach empirisch überprüft worden.

Eine neue Studie von niederländischen Kollegen der Universität Groningen zeigt nun, dass Fiskalregeln - wie in Deutschland die Schuldenbremse - politische Konjunkturzyklen eindämmen. Untersuchungsgegenstand waren 77 Demokratien im Zeitraum von 1984 bis 2015.

Das Resultat: Haushaltdefizite waren vor Wahlen um gut 0,5 Prozentpunkte höher als in anderen Jahren der Legislaturperiode, aber nur dann, wenn es keine Fiskalregeln gab, die opportunistisches Handeln der Regierenden eingeschränkt hätten. Waren die Fiskalregeln hingegen strikt, gelang es den Politikern nicht, vor Wahlen neue Schulden aufzunehmen, um mit Wahlgeschenken die Wähler zu beeindrucken.

Die durch politische Konjunkturzyklen hervorgerufene Verwendung von Staatsausgaben und Defiziten ist oftmals ineffizient. Schließlich sind die Staatsausgaben in diesem Fall nicht auf die Überwindung von Marktversagen oder Rezessionen zurückzuführen, sondern sind allein durch das Heranrücken der nächsten Wahl und die Verteilung von Wahlgeschenken motiviert. Strikte Schuldenbremsen können folglich helfen, solche politischen Konjunkturzyklen einzudämmen oder gar zu verhindern.

Der Autor lehrt an der Universität München und leitet das ifo Zentrum für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie.

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Prof. Dr. Niklas Potrafke

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