Gastbeitrag

Kann denn Sparen Sünde sein?

Klaus Gründler und Niklas Potrafke


Quelle:
Wirtschaftswoche
Online:

Politiker fürchten,  Austerität hemme die wirtschaftliche  Dynamik. Dabei legt eine neue Studie nahe: Konsolidierung ist kein Wachstumskiller.

Als vor gut zehn Jahren die Schuldenkrise eskalierte, verankerte der Gesetzgeber die Schuldenbremse im Grundgesetz. Die Schuldenquote, also die Staatsschulden in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), sinkt seither. 2010 lag sie noch bei mehr als 80 Prozent, in diesem Jahr könnte sie die 60-Prozent-Grenze des Maastrichter Vertrages unterschreiten. Zwar hat dieser Erfolg auch andere Gründe; Deutschland ist in den vergangenen Jahren in den Genuss eines kräftigen Wirtschaftswachstums gekommen. Doch dürfte die Schuldenbremse über ihre disziplinierende Wirkung auf die politischen Entscheidungsträger einen gewichtigen Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen geleistet haben. Das ist auch deshalb wichtig, weil die Staatsschulden im vergangenen Jahr noch immer bei 2,06 Billionen Euro lagen. Wenn die Babyboomer-Generation in wenigen Jahren in Rente geht, werden zusätzliche Belastungen auf die Staatsfinanzen zukommen.

Gleichwohl hat die Kritik an der Schuldenbremse und der Haushaltskonsolidierung in jüngster Zeit zugenommen. Die Politik der Austerität dämpfe das Wachstum, heißt es häufig. Man dürfe die Konjunktur nicht kaputtsparen. Wie belastbar ist der Vorwurf? Der Harvard-Ökonom Alberto Alesina hat mit Co-Autoren die Folgen staatlicher Haushaltskonsolidierung untersucht. Er fand in Langfriststudien heraus, dass Konsolidierungsphasen in Industrieländern nicht mit einem geringeren Wirtschaftswachstum einhergingen. Mehr noch: Die Autoren stellten fest, dass Haushaltskonsolidierung das Wachstum sogar ankurbeln kann.

STREIT UM DIE MESSMETHODE

Um festzustellen, ob eine Regierung den Staatshaushalt tatsächlich saniert, gibt es mehrere Methoden. Der von Alesina und Co-Autoren verwendete Cyclically-Adjusted-Primary-Balance-Ansatz (CAPB) misst die Veränderungen des Primärüberschusses (Einnahmenüberschuss unter Vernachlässigung der Zinsausgaben) in Relation zum BIP. Steigt die Überschussquote gegenüber der Vorperiode, wird das Jahr als ein Zeitraum der Haushaltskonsolidierung gewertet. Allerdings können starke Konjunkturschwankungen die Ergebnisse verzerren. Denn Zweitrundeneffekte einer guten Konjunktur auf den Staatshaushalt - etwa durch boomende Aktienmärkte - werden durch das Verfahren der Konjunkturbereinigung nicht ausgeschaltet.

 Daher haben Ökonomen das alternative Konzept des Narrative Approach (NA) eingeführt. Bei diesem erzählenden Ansatz untersuchen die Wissenschaftler die Regierungserklärungen der Politiker, um herauszufinden, ob diese tatsächlich die roten Zahlen bekämpfen. Auch der NA-Ansatz ist umstritten. Denn er bietet erhebliche Spielräume bei der Bewertung der Politiker-Statements.

Der empirische Befund über den Zusammenhang zwischen Konsolidierung und Wirtschaftswachstum hängt daher auch davon ab, welches Maß man verwendet. Mit dem NA-Ansatz lässt sich eher ein negativer Zusammenhang nachweisen, mit dem CAPB-Konzept ein positiver.

Anhand von Panelstudien ermittelte Korrelationen lassen allerdings keine Aussagen über die Kausalität zu. So ist sowohl denkbar, dass die Haushaltskonsolidierung das Wachstum beeinflusst, als auch, dass das Wachstum die Konsolidierung beeinflusst. Zudem können dritte, in den Modellen nicht berücksichtigte Faktoren auf Konsolidierung und Wachstum gleichermaßen einwirken.

In einer noch unveröffentlichten Studie für die Konrad-Adenauer-Stiftung haben wir den Zusammenhang zwischen Haushaltskonsolidierung und Wirtschaftswachstum auf Basis neuer Daten für die 28 EU-Länder untersucht. Der Datensatz umfasst den Zeitraum 1980 bis 2017 und ist größer als der, den Alesina und Co-Autoren verwenden. Unsere Ergebnisse bestätigen viele frühere Befunde. Wir finden einen negativen Zusammenhang zwischen der Staatsverschuldung und dem Wirtschaftswachstum. Konsolidierungsmaßnahmen können also helfen, den negativen Wachstumseffekt von Schulden zu lindern.

Ebenso zeigen die Daten, dass es erfolgversprechender ist, Haushaltsdefizite durch Ausgabenkürzungen als durch Steuererhöhungen zu bekämpfen. Kürzt die Regierung die Ausgaben, kann dies zwar kurzfristig die Nachfrage senken und die Konjunktur dämpfen. Doch eröffnet die wegen geringerer Ausgaben niedrigere Neuverschuldung des Staates am Kapitalmarkt zusätzliche Spielräume für private Investitionen. Höhere Steuern hingegen reduzieren das Arbeitsangebot der privaten Haushalte, da von jedem verdienten Euro ein geringerer Teil in ihrer Tasche verbleibt. Das dämpft das Wachstum.

Bei welchen Ausgaben aber sollte die Regierung den Rotstift ansetzen? Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Kürzungen im Bereich der konsumtiven Ausgaben mit höheren Wachstumsraten einhergehen. Kürzungen bei den Forschungsausgaben hingegen sind eher kontraproduktiv - denn Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind positiv mit dem Wirtschaftswachstum korreliert.

Niklas Potrafke und Klaus Gründler arbeiten am ifo Zentrum für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie in München. Der Text entstand in Zusammenarbeit mit den Doktoranden Luisa Dörr und Martin Mosler.

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Harald Schultz

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