Gastbeitrag

Eine Wette auf die Zukunft ist keine seriöse Finanzpolitik

Niklas Potrafke

Die Schuldenbremse ist in Kritik geraten – weil sie letztlich öffentliche Investitionen verdränge. Doch ist keineswegs sicher, ob neue schuldenfinanzierte Ausgaben tatsächlich nur für Investitionen verwendet würden, warnt der Volkswirtschafter Niklas Potrafke.


Quelle:
Welt und Welt.de
Online:

Deutschland ist es in den vergangenen Jahren erfolgreich gelungen, die Schuldenstandquote wieder an die in Maastricht vereinbarten 60 Prozent heranzuführen. Großen Anteil daran hatte der brummende Konjunkturmotor, der das BIP hat steigen und die Schuldenquote hat sinken lassen.

Zum Sinken der Schuldenquote dürfte ebenso die Schuldenbremse beigetragen gehabt haben, welche im Bund seit dem Jahr 2016 greift. Nun ist die Schuldenbremse bereits im letzten Jahr in die Kritik geraten. Loswerden sollten wir sie, weil doch gegenwärtig die Zinsen so niedrig seien und sie öffentliche Investitionen verdränge.

Das Zins-Argument hat schon seinen Charme. Es stimmt, dass die Zinsen kaum niedriger sein könnten und ebenso richtig ist, dass die Zinsen in den letzten Jahren geringer als das Wirtschaftswachstum waren. Könnten wir mit Sicherheit davon ausgehen, auch in der Zukunft – vielleicht nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag aber doch in einem klar abgesteckten Rahmen – in den Genuss so dauerhaft niedriger Zinsen zu kommen, dann wären die niedrigen Zinsen ein ernstzunehmender Grund in der Debatte. Doch wer weiß schon, was die Zukunft bringt?

Man muss auch mal Mumm haben und dann schauen, wie der Hase läuft, hieß es die Tage. Doch kann eine Wette auf die Zukunft keine seriöse Finanzpolitik sein. Besonders dann nicht, wenn der Steuerzahler im Verlustfall die Rechnung zahlen muss. Schließlich kann sich das Verhältnis von Zinsen und Wirtschaftswachstumsrate schnell wieder drehen. Solche Umkehrwahrscheinlichkeiten der Zins-Wachstums-Differenz hatte der Sachverständigenrat in seinem letzten Herbstgutachten beschrieben.

Ob es ohne Schuldenbremse mehr öffentliche Investitionen gäbe, bleibt ebenso dahingestellt. Deskriptive Statistiken für den Bund und die Länder deuten nicht darauf hin, dass die Schuldenbremse Investitionstätigkeit gehemmt hätten. Beimessen kann man den deskriptiven Statistiken zwar nicht allzu viel, aber auch die empirischen Studien zum Effekt von Fiskalregeln auf Investitionen lassen keine sinkenden Investitionen befürchten, sind aber empirisch nicht auf dem Stand der Zeit. Wir brauchen neue, gut gemachte empirische Arbeiten, die den Effekt von Fiskalregeln auf Investitionen messen.

Wem die öffentlichen und privaten Investitionen in Deutschland als zu gering erscheinen, flankiert den Ruf nach neuen Schulden gerne mit Steuersenkungswünschen. Das ist clever, wenn auch ein durchschaubares Manöver. Schon lange wird im Land über Einkommensteuerentlastungen gesprochen. Die Konzepte zum Abflachen des Mittelstandsbauches liegen in den Schubladen bereit.
Der neue Range Rover EvoqueJetzt den sofort verfügbaren Range Rover Evoque sichern.

Auch die Unternehmenssteuern sollten gesenkt werden, denn die Konkurrenz im europäischen Ausland und auch in Übersee schläft schließlich nicht. Wer das vorbringt, rennt bei vielen Bürgern offene Türen ein. Und die Straßen sind doch wirklich sanierungsbedürftig, nicht wahr?

Alles fein, aber weder Steuersenkungen noch mehr Investitionen sollten wir über neue Schulden finanzieren. In den kommenden Jahrzehnten kommen auf den Staatshaushalt massive Belastungen durch den demographischen Wandel zu. Diese zukünftigen Belastungen schlagen sich heute noch nicht im Budget nieder, die gegenwärtig positiven Zahlen täuschen daher gewaltig. Für eine zukunftsfähige Finanzpolitik sollten wir die Schuldenbremse daher zwingend erhalten.

Es ist alles andere als ausgemacht, dass die Politik neue schuldenfinanzierte Ausgaben ausschließlich für Investitionen verwenden würde. Viel zu verlockend bleibt es, mit weiteren Transfers die Wähler bei der Stange zu halten. Wenn wir in Deutschland mehr öffentliche Investitionen wollen, sollten wir schauen, ob wir an anderer Stelle im Staatshaushalt weniger ausgeben können.

Kontakt
Harald Schultz

Harald Schultz

Pressesprecher
Tel
+49(0)89/9224-1218
Fax
+49(0)89/907795-1218
Mail
Prof. Dr. Niklas Potrafke

Prof. Dr. Niklas Potrafke

Leiter des ifo Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie
Tel
+49(0)89/9224-1319
Fax
+49(0)89/907795-1319
Mail