Gastbeitrag

Höhere Schulden sind jetzt alternativlos - die Rückzahlung ist nicht entscheidend

Clemens Fuest

Staatsschulden ein wichtiges Instrument der Finanzpolitik, und sie zu erhöhen ist in der Krise richtig. Gleichzeitig ist es wichtig, nach der Krise rechtzeitig wieder umzusteuern.


Quelle:
FOCUS Online

In der Coronakrise wird die öffentliche Verschuldung drastisch zunehmen. In Deutschland wird die Staatsschuldenquote, also das Verhältnis aus Staatsschulden und Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich von 60 auf mindestens 75 Prozent des steigen, in Italien auf 160 Prozent und in Griechenland auf Werte nahe bei 200 Prozent. Viele Menschen sehen diesen Anstieg mit wachsenden Sorgen.

Kritiker befürchten, dass die hohen Schulden die Stabilität der Staatsfinanzen bedrohen könnten. Außerdem wird beklagt, dass durch überbordende Verschuldung künftige Generationen belastet werden. Andere halten dem entgegen, wachsende Staatsschulden seien wegen der Krise unvermeidlich und angesichts der niedrigen Zinsen auch harmlos.

Schulden sind ein wichtiges Instrument der Finanzpolitik

Tatsächlich sind Staatsschulden ein wichtiges Instrument der Finanzpolitik, und sie zu erhöhen ist in der Krise richtig. Gleichzeitig ist es wichtig, nach der Krise rechtzeitig wieder umzusteuern. Derzeit erlauben es niedrige, teils sogar negative Zinsen, mit hohen Staatsschulden zu leben, ohne dass die öffentlichen Haushalte durch Zinszahlungen überlastet werden. Hinzu kommt, dass viele Investoren in der Krise sichere Anlagemöglichkeiten suchen, zu denen Staatsanleihen zumindest der finanziell stabileren Länder in Europa gehören. Dass Staatsschulden künftige Generationen belasten, trifft zu, spricht aber nicht gegen die aktuellen Budgetdefizite.

Es gibt keine sinnvolle Alternative zu steigender Staatsverschuldung in der Corona-Krise

Ohne höhere Neuverschuldung könnte der Staat die Wirtschaft in der aktuellen Krise nicht stützen. Darauf zu verzichten würde bedeuten, einen deutlich tieferen wirtschaftlichen Einbruch hinzunehmen. Das würde die Staatsfinanzen ebenfalls belasten und darüber hinaus viel Vermögen vernichten. Künftige Generationen wären dadurch ebenfalls belastet. Entscheidend ist es, nach der Krise die Finanzpolitik wieder auf die Konsolidierung der Staatsfinanzen auszurichten. Man sollte jedoch nicht allzu früh damit anfangen, weil sonst die wirtschaftliche Erholung gefährdet wird.

Befürworter hoher Staatsverschuldung heben hervor, dass der Staat anders als private Haushalte Schulden nicht tilgen muss. Üblicherweise müssen private Haushalte Schulden, die sie beispielsweise für den Hauskauf aufnehmen, vor Eintritt in den Ruhestand zurückzahlen, weil danach ihr Einkommen sinkt. Einnahmen von Staaten sind nicht durch die Spanne der Berufstätigkeit einzelner Menschen beschränkt. Staaten müssen eher darauf achten, dass die Staatsschuldenquote im Zeitablauf stabil bleibt.

Wirtschaftswachstum und Schuldenabbau sollten Hand in Hand gehen

Solide Finanzpolitik bedeutet derzeit nicht, kurzfristig Staatsschulden abzubauen, sondern glaubwürdig zu signalisieren, dass die Staatsschuldenquote nach der wirtschaftlichen Erholung schrittweise zurückgeführt wird. Das erfolgt idealerweise durch dynamisches Wirtschaftswachstum. Denn die Schuldenquote sinkt bereits, wenn die Schulden langsamer steigen als das Bruttoinlandsprodukt.

Allerdings ist zu bedenken, dass die Corona-Pandemie nicht die letzte Wirtschaftskrise war. Es ist wichtig, die Schuldenquote in den Jahren nach der Krise zurückzuführen, damit beim nächsten Einbruch der Wirtschaft neue Spielräume zur Stabilisierung verfügbar sind. Deshalb sollte Deutschland sich darauf festlegen, die Schuldenquote mittelfristig wieder in Richtung 60 Prozent zu senken.

Diese Politik würde nicht nur Handlungsspielräume für die Zukunft schaffen, sondern auch das Vertrauen der Gläubiger stärken und die Zinskosten niedrig halten. Falls darüber hinaus Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen notwendig werden, sollten die so gestaltet werden, dass Lasten fair verteilt sind und das Wirtschaftswachstum möglichst wenig beeinträchtigt wird.

 

Zur Person

Clemens Fuest, geboren 1968 in Münster, ist seit April 2016 Präsident des ifo Instituts. Er war von 2007 bis 2010 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen und von 2013 bis 2016 Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Vorher war er Professor an den Universitäten Köln und Oxford.

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Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest

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