Gastbeitrag

Hey, Abgeordneter, du brauchst mehr Geld? Über Politikergehälter und Korruption

Klaus Gründler und Niklas Potrafke werfen die Frage auf, ob es in Deutschland ein grundlegendes Problem mit der Bezahlung von Politikern und Korruption im öffentlichen Sektor gibt.


Quelle:
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Bundestagsabgeordnete sollen für die Vermittlung von Schutzmasken im letzten Jahr horrende Honorare eingestrichen haben. Das riecht nach persönlicher Vorteilsnahme, denn der Weg der Bundestagsabgeordneten ins Gesundheitsministerium war mit Sicherheit kurz und die Summen über das Honorar, über die in den Medien gesprochen wird, sind unglaublich hoch. Haben wir in Deutschland ein grundlegendes Problem mit Korruption im öffentlichen Sektor? Die Daten im internationalen Vergleich, die Transparency International bereitstellt, deuten nicht darauf hin. Die neueste Ausgabe des "Corruption Perception Index" (CPI) sieht Deutschland weltweit mit einem Indexwert von 80 auf dem neunten Platz im Ranking, wobei höhere Werte ein geringes Ausmaß von Korruption signalisieren. Spitzenreiter ist Neuseeland mit einem Wert von 88, Schlusslicht ist Somalia mit einem Wert von 12. Die Vorwürfe gegen die Bundestagsabgeordneten wiegen dennoch schwer, und man beginnt zu fragen, warum die Bundestagsabgeordneten sich so fürstlich für die Vermittlung der Masken haben bezahlen lassen. Sie verdienen als Abgeordnete zu wenig Geld, könnte man vielleicht meinen. Wem das Geld aus der primären Tätigkeit nicht genügt, streckt die Fühler nach Hinzuverdienstmöglichkeiten aus. Ohne Frage steht die Bezahlung unserer Politiker in Deutschland in keinem Verhältnis zu den Gehältern von Topmanagern und Spitzensportlern: Die Politikergehälter sind zu niedrig. Bestechlichkeit rechtfertigt das aber niemals.

Fraglich ist, wie die Bezahlung von Politikern und Korruption im öffentlichen Sektor über Ländergrenzen hinweg korrelieren. Politikergehälter im Ländervergleich zu messen ist sehr anspruchsvoll. Schließlich bekommen Abgeordnete einige Vergünstigungen, beispielsweise beim Reisen. In Deutschland gibt es solche zum Beispiel bei der Deutschen Bahn und der Lufthansa, dazu kommt die Fahrbereitschaft des Bundestages. In anderen Ländern ist das ähnlich.

International vergleichbar gemacht wurde das bislang nicht. Es gibt aber Daten zu den Grundgehältern der Abgeordneten in den nationalen Parlamenten für die 27 EU-Staaten aus dem Jahr 2013. Korreliert man diese mit den erwähnten Daten zur Korruption im öffentlichen Sektor von Transparency International, kommt in der Tat ein bemerkenswerter Zusammenhang heraus: Ein relativ niedriges Gehalt von Politikern geht mit viel Korruption einher, weil man eben sehen muss, wo man bleibt? Das ist es gerade nicht. Die Daten zeigen vielmehr, dass Länder, die ihren Abgeordneten im Vergleich zu den durchschnittlichen Gehältern der Gesamtbevölkerung wenig zahlen, kaum durch Korruption im öffentlichen Sektor geplagt sind. Dänemark und Luxemburg sind sehr gute Beispiele. In den Ländern waren die Politikergehälter im Vergleich zu den Durchschnittsgehältern in der Bevölkerung nur um den Faktor 1,7 beziehungsweise 1,6 höher. Der CPI nahm im Jahr 2013 mit 91 und 80 Werte an, die auf wenig Korruption hindeuten. Länder wie Italien und Griechenland zahlen ihren Abgeordneten hingegen 4,5- beziehungsweise 3,4-mal so viel, wie die Bürger im Durchschnitt verdienen. Der CPI weist mit 43 und 40 viel niedrigere Werte als in Dänemark und Luxemburg auf. Deutschland liegt insgesamt im Mittelfeld: Das Verhältnis von Abgeordnetengehältern zum Durchschnitt der Bevölkerung lag bei 2,9, der CPI bei 78 im Jahr 2013.

Diese Korrelationen sagen freilich nichts über die Kausalität, also Ursache und Wirkung. Man kann über den Zusammenhang nur mutmaßen. Eine ernüchternde Erklärung könnte sein, dass die Politikergehälter in Ländern mit hoher Korruption so üppig sein müssen, damit die Politiker nicht noch korrupter sind. Will man aus der theoretischen Literatur zu Politikergehältern und der Qualität von Politikern - unabhängig von Korruption - lernen, dann läge auch ein U-förmiger Verlauf zwischen Politikergehältern und Korruption nahe: Zahlt man den Politikern so gut wie nichts, dann treibt man sie in die Korruption, denn etwas zum Bestreiten ihres Lebensunterhaltes brauchen sie schließlich auch. Zahlt man hingegen besonders hohe Gehälter, so selektieren sich gegebenenfalls Leute in die Politik, die es nur des Geldes wegen machen, den Hals dann nicht voll genug bekommen können und sich auch noch bestechen lassen. Um gute Politiker zu bekommen, die eben nicht bestechlich sind, scheint es laut dieser Theorie also ein gutes Mittelmaß an Bezahlung sein zu müssen. Die Daten geben einen solch U-förmigen Verlauf allerdings nicht her. Es braucht zweifelsohne noch bessere Erklärungen für den Zusammenhang zwischen Politikergehältern und Korruption im öffentlichen Sektor.

Bleibt man bei dem, was die Daten gegenwärtig hergeben und schaut sich Länder mit geringer Korruption im öffentlichen Sektor und relativ geringen Politikergehältern an, wie eben Deutschland, kann man auch schlussfolgern, dass korrupte Abgeordnete in diesen Ländern die Ausnahme sind und sich insgesamt Persönlichkeiten als Abgeordnete in den Dienst des Staates stellen, denen es in erster Linie nicht ums Geld geht.

Klaus Gründler und Niklas Potrafke lehren an der Ludwig-Maximilians-Universität München und arbeiten im Ifo-Zentrum für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie.