Gastbeitrag

Auch ohne neue Schulden kann die Ampel kräftig investieren - um ein wichtiges Problem zu lösen

Die neue Ampel-Koalition steht vor gewaltigen Herausforderungen wie zum Beispiel Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung sowie das Problem der Überalterung unserer Gesellschaft. Wie das ohne neue Schulden gelingen kann, beschreibt Niklas Potrafke.


Quelle:
Focus Online
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Die Ampel-Verhandler verbreiten Aufbruchstimmung. Deutschland soll bestmöglich auf die gewaltigen Herausforderungen unserer Zeit vorbereitet werden. Richtig so. Gleich mehrere Themen gilt es jetzt anzugehen - darunter auch ein Problem, das die Politik lange Zeit ignoriert hat: Die Überalterung unserer Gesellschaft wächst uns über den Kopf.

Die Herausforderungen, die angepackt werden sollen, sind in erster Linie der Klimaschutz und die Digitalisierung. Dafür braucht es Geld. Fraglich ist, wieviel in welchem Zeitraum investiert werden sollte und wie dies finanziert werden könnte. Steuererhöhungen scheinen vom Tisch. Das ist gut, denn die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Pandemie wird nicht gelingen, wenn Bürger und Unternehmen durch erhöhte Steuern belastet werden.

Diskutiert werden neue Schulden, um die Wünsche der Ampel-Verhandler finanzieren zu können. Klar, es ist immer leicht zusätzliche Ausgaben mit Schulden finanzieren zu wollen, doch passen neue Schulden nicht zur Aufbruchsstimmung, die gegenwärtig aus Berlin verbreitet wird.

Wenn die Ampel-Verhandler kräftig in den Klimaschutz und Digitalisierung investieren wollen, dann sollten sie ernsthaft prüfen, auf welche Staatsausgaben stattdessen verzichtet werden kann. Das wäre der wirkliche Aufbruch. Leicht wird das keineswegs, zumal Ausgabenkürzungen ebenso die wirtschaftliche Erholung beeinträchtigen können, wie es Steuererhöhungen tun würden.

Doch zeigen empirische Studien, dass Konsolidierung besser über Ausgabenkürzungen als über Steuererhöhungen gelingt. Bei Ausgabenkürzungen wird das Arbeitsangebot nicht so beeinträchtigt wie bei Steuererhöhungen.

Ampel-Verhandler sollten sich demografischen Wandel widmen

Auseinandersetzen sollten sich die Verhandler mit einer weiteren, altbekannten aber von der Politik beharrlich ignorierten Herausforderung unserer Zeit: dem demografischen Wandel. Der Umstand, dass immer mehr alte Bürger von immer weniger jungen Bürger versorgt werden müssen, drückt an allen Ecken und Enden auf den Staatshaushalt.
 

Es gibt weniger Erwerbstätige, die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Es gibt gleichzeitig zunehmend mehr Bürger, die Transfers erhalten. Die Beitragszahlungen ins Rentensystem (dem finanzpolitisch bedeutsamsten Teil der Sozialversicherungen) reichen schon seit Jahrzehnten nicht mehr aus, um die Rentenzahlungen (auch außerhalb versicherungsfremder Leistungen) zu finanzieren.

Vielmehr wird immer mehr aus Steuergeldern bezuschusst. Der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung liegt bei rund 100 Milliarden Euro pro Jahr. Wie brenzlig die Situation ist, hatten beispielsweise jüngst der wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium und bereits im letzten Jahr die Berechnungen für den Tragfähigkeitsbericht der Bundesregierung gezeigt.

Geprüft werden sollte auch, welche Subventionen gestrichen werden können

Die Politik sollte prüfen, wieviel finanzpolitischer Spielraum durch eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit, durch eine Ausweitung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und durch Zuwanderung entsteht. Eine solche Rentenreform eignet sich nicht zur kurzfristigen Konsolidierung; sie entfaltet ihre Wirkung vielmehr erst mittel- und langfristig. Zusätzlich geprüft werden sollte, welche Subventionen gestrichen werden können. Der Kieler Subventionsbericht hatte das Kürzungspotential auf rund elf Milliarden Euro beziffert.

Der wirkliche Aufbruch wäre, beherzt mehr Staatsausgaben für Klimaschutz und Digitalisierung aufzubringen, Subventionen zu streichen und vor allem durch mutige Reformen dafür zu sorgen, dass die staatlichen Zuschüsse in die Sozialversicherungssysteme reduziert werden. Gelingt der Ampel das?