Gastbeitrag

Die Vorteile der Schuldenbremse

Investitionen in die Zukunft dürfen nicht über Schulden finanziert werden. Die Schuldenbremse mahnt die Politik, sorgfältig zu prüfen, wozu öffentliche Mittel verwendet werden sollen, erklärt Niklas Potrafke.


Quelle:
Handelsblatt

Die Schuldenbremse ist ihren Kritikern schon lange ein Dorn im Auge. Im August 2019 machte ein auf Sand gebautes Argument zum Abschaffen der Schuldenbremse die Runde. Damals waren die Zinsen niedrig und der Konjunkturmotor brummte. Die Kritiker der Schuldenbremse meinten, dass dies genau der richtige Moment sei, um die Schuldenbremse loszuwerden, und empfahlen dem Staat, sich nach Abschaffen der Schuldenbremse ordentlich zu verschulden. Es stimmt: Wenn die Zinsen dauerhaft kleiner als die Wirtschaftswachstumsrate sind, lohnt sich das Schuldenmachen. Doch eignete sich das damalige Verhältnis von Zinsen und Wirtschaftswachstum keineswegs, um als Grund zum Abschaffen der Schuldenbremse herzuhalten. Schließlich konnte sich das Verhältnis von Zinsen und Wirtschaftswachstum schnell ändern.

Die Kritiker der Schuldenbremse schlugen im Spätsommer 2019 vor, eine Wette auf die Zukunft einzugehen. Mit den niedrigen Zinsen und hohem Wirtschaftswachstum würde es schon munter weitergehen. Die Politik ließ sich nicht beirren und hielt an der Schuldenbremse fest. Zum Glück.

Und was kam dann? Erst Corona und dann Putins Krieg. Nun haben wir eine Rezession und so hohe Zinsen, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben.

Jetzt soll das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November als Grund zum Reformieren – das heißt Lockern – oder gar zum Abschaffen der Schuldenbremse herhalten. Die Schuldenbremse passe nicht mehr in unsere Zeit, heißt es.

Das ist bemerkenswert. Die Schuldenbremse ist gerade jetzt wichtig. Die Schuldenbremse hält die Politik an, sorgfältig zu prüfen, für welche Vorhaben öffentliche Mittel verwendet werden sollen. In der Vergangenheit war es durch die günstigen makroökonomischen Bedingungen mit positiven Wachstumsraten und niedrigen Zinsen doch leicht, sie einzuhalten.

Es ist bestürzend, wie der Bevölkerung anhand von zwei Alternativen weisgemacht wird, dass der Staat entweder in die Zukunft investieren oder sich kaputtsparen könnte. Da gibt es diejenigen im öffentlichen Diskurs, die es offensichtlich nicht besser wissen und gebetsmühlenhaft vortragen. Und einige andere sagen es, obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten.

Selbstverständlich soll in die Zukunft investiert werden. Es ist genau richtig, verstärkt öffentliche Mittel für die Infrastruktur wie Straßen und Brücken, das Schienennetz und in Schulen und Bildungseinrichtungen zu investieren.

Ebenso braucht es Investitionen zum Gelingen des Klimaschutzes und der Transformation unserer Wirtschaft zur verstärkten Nutzung von erneuerbaren Energien. Aber diese Investitionen dürfen nicht mit Schulden finanziert werden. Es muss der Politik gelingen, sie mit vorhandenen Mitteln zu bestreiten.

Jahrelang haben wir in Deutschland verschlafen, notwendige Strukturreformen anzupacken. Zu den schwerwiegendsten Fehlern gehört, den demografischen Wandel zu ignorieren und die sozialen Sicherungssysteme eben nicht auf den demografischen Wandel einzustellen.

Seit Jahrzehnten wissen wir – und hatten uns vor knapp zwanzig Jahren mit der Rente mit 67 darauf in der Gesellschaft verständigt – das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung anzupassen.

Die Politik ist diesen Weg nicht weitergegangen, vielmehr marschiert sie mit der Rente mit 63 in die entgegengesetzte Richtung.

Dafür wenden wir weit über 100 Milliarden Euro pro Jahr an Bundeszuschüssen für die Rentenversicherung auf. Denn die Beitragszahlungen der heute jungen Generation reichen schon seit vielen Jahren nicht mehr, um die Renten der heute alten Generation zu bestreiten. In diesem Jahr werden rund 115 Milliarden Euro an Steuergeldern in die Rentenversicherung zugeschossen. Tendenz drastisch steigend. Für das Jahr 2027 rechnet das Bundesfinanzministerium schon mit 135 Milliarden Euro. Das ist der mit Abstand größte Posten im Bundeshalt.

Rentenreformen zum Reduzieren des Bundeszuschusses sind eine große Stellschraube. Um mehr Mittel für Investitionen zur Verfügung zu haben, muss endlich das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung angepasst werden.

Das ist selbstverständlich kein kurzfristiges Programm zum Stopfen der gegenwärtigen Haushaltslöcher. Vielmehr würden wir die öffentlichen Haushalte durch Erhöhungen des Renteneintrittsalters in der mittleren und langen Frist konsolidieren.

Der Autor Niklas Potrafke ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der LMU München und leitet das Ifo-Zentrum für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie.

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Prof. Dr. Niklas Potrafke

Prof. Dr. Niklas Potrafke

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