Projekt

Auswirkungen eines Zulassungsverbots für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor

Auftraggeber: Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA)
Projektlaufzeit: Januar 2017 - Juni 2017
Bearbeitender Bereich:
Projektteam: Prof. Dr. Oliver Falck, Michael Ebnet, Johannes Koenen, Julian Dieler, Dr. Johann Wackerbauer

Fragestellung und Ziele des Projektes

Diese Studie untersucht empirisch die Auswirkungen eines hypothetischen Neuzulassungsverbots für Personenkraftwagen (Pkw) und leichte Nutzfahrzeuge (Nfz) mit Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2030. Sie gliedert sich in drei Teile: In Kapitel 2 werden potentielle negative Folgen und Risiken eines solchen Verbots auf die Leistungsfähigkeit und Beschäftigung in der deutschen Industrie untersucht. In Kapitel 3 liegt der Fokus auf den Innovationsanreizen der deutschen Automobilindustrie in den Bereichen Verbrennungsmotor und alternative Antriebstechnologien. Kapitel 4 analysiert schließlich die Umweltauswirkungen eines Zulassungsverbots.

Methodische Vorgehensweise

Die Studie führt Analysen auf Basis der detaillierten Produktionserhebung im Verarbeitenden Gewerbe duch, um die Bedeutung der Technologie des Verbrennungsmotors für Wertschöpfung und Beschäftigung in der deutschen Industrie darzulegen. Um den aktuellen Stand der Innovationsaktivität darzustellen, werden anhand internationaler Patentdatenbanken die Anteile der deutschen Industrie bei verschiedenen Arten von Antrieben mit den Anteilen der wichtigsten Wettbewerber verglichen. Hinsichtlich der Umweltauswirkungen wird ein Prognosemodell entwickelt, das einen Vergleich des Kohlendioxidausstoßes im Verkehrssektor mit und ohne Zulassungsverbot bis ins Jahr 2050 ermöglicht.

Datenquellen

Produktionserhebung im Verarbeitenden Gewerbe 2009 - 2015
PATENTSCOPE
KBA (2016): Fahrzeugzulassungen (Bestand an Kraftfahrzeugen nach Umweltmerkmalen) FZ 13
BMWI (2014): Entwicklung der Energiemärkte - Energiereferenzprognose
Strommarktmodell EU REGEN

Ergebnisse

Auswirkungen auf Beschäftigung und Wertschöpfung

Mittels der detaillierten Produktionserhebung im Verarbeitenden Gewerbe werden die potenziellen Risiken eines Zulassungsverbots von Pkw und leichten Nfz mit Verbrennungsmotor für Beschäftigung und Wertschöpfung in Deutschland quantifiziert. Demnach stellen – ausgehend von der Produktionsstruktur im Jahr 2015 – mindestens 457.000 Beschäftigte Produktarten her, die von einem entsprechenden Verbot direkt betroffen wären (z.B. Benzin- und Dieselmotoren, Abgasreinigungssysteme). Das entspricht 7,5% der deutschen Industriebeschäftigung. Der weit überwiegende Teil davon (426.000) ist in der Automobilindustrie angesiedelt. Werden auch Beschäftige aus Zuliefer- und Komplementärbereichen mit einbezogen, die nur indirekt an den Verbrenner gekoppelt sind (z.B. Schaltgetriebe, die in alternativen Antrieben weniger Komplexität aufweisen, oder die Kraftstoffherstellung), erhöht sich die Zahl der potenziell von einem Zulassungsverbot betroffenen Arbeitsplätze um mindestens 163.000 Personen bzw. knapp 3% der deutschen Industriebeschäftigung. Im Fokus steht hier in erster Linie die Metallindustrie: 102.000 Beschäftigte produzieren dort Teile für Straßenfahrzeuge. Direkte und indirekte Abhängigkeiten zusammengenommen beträfe ein Zulassungsverbot schätzungsweise mindestens 620.000 Beschäftigte. Das sind Stand 2015 gut 10% der deutschen Industriebeschäftigung.

Von den 457.000 direkt betroffenen Beschäftigten wären vor allem diejenigen 31.000 besonders bedroht, die in kleinen und mittleren Unternehmen tätig sind. Letzteren dürfte es im Vergleich zu Großunternehmen deutlich schwerer fallen, parallel oder alternativ zur Produktion von Verbrenner-Komponenten auf Produkte und Geschäftsfelder für Elektrofahrzeuge umzustellen. Unter den 163.000 indirekt betroffenen Beschäftigten wären sogar 101.000 in besonderem Maße gefährdet – allen voran bei der schwerpunktmäßig in kleineren Betriebseinheiten erfolgenden Herstellung von Metallteilen für Kfz.

Die Abhängigkeit von der Verbrennungstechnologie ist im Hinblick auf den Wertschöpfungsbeitrag für die deutsche Industrie noch stärker als bei der Beschäftigung. Ein Umstand, der im Wesentlichen auf die Automobilindustrie zurückzuführen ist und die hohe (Arbeits-)Produktivität ihres Personals widerspiegelt. Direkte und indirekte Effekte zusammengenommen wären von einem Zulassungsverbot potenziell knapp 13% der Bruttowertschöpfung der deutschen Industrie tangiert, was Stand 2015 einem Volumen von 48 Mrd. € entspricht. Gegen einen vollständigen Wegfall der Beschäftigung und Wertschöpfung in den genannten Größenordnungen spricht, dass gewisse Zulieferteile für den Verbrennungsmotor nicht ausschließlich für Pkw und leichte Nfz produziert werden, sondern weiterhin in – vom angedachten Zulassungsverbot wohl ausgenommenen – schweren Nfz (Lastwagen, Omnibusse) einsetzbar sind. Zudem muss berücksichtigt werden, dass es im Bereich alternativer Antriebsarten in Deutschland zu einem Beschäftigungsaufbau kommen kann, der den Abbau im Verbrenner-Bereich im Aggregat zumindest teilweise kompensieren würde.

Hinsichtlich der Dynamik im Zeitraum 2011-2015 zeigt sich, dass die Wertschöpfung in denjenigen Produktgruppen, die von einem Zulassungsverbot nicht betroffen wären, stärker gewachsen ist. Im gegebenen Regulierungsrahmen findet also bereits eine Verlagerungstendenz statt. Dies bezieht sich auch auf das Wachstum bei Technologien für batteriebetriebene Elektromotoren bei Pkw und leichten Nfz. Allerdings bewegt sich der Anteil, den Elektrofahrzeuge und zentrale Komponenten wie Elektromotor und Batterie bislang zu Beschäftigung und Bruttowertschöpfung der deutschen Industrie beisteuern, im Promille-Bereich.

Innovationsanreize in alternative Technologien

In der öffentlichen Diskussion ist die Wahrnehmung verbreitet, dass es die Automobilindustrie in Deutschland versäumt habe, technologische Kompetenz in den alternativen Antriebstechnologien aufzubauen. Dies wird als eine innovationspolitische Begründung für ein Zulassungsverbot angeführt. Die Investitionsbemühungen der deutschen Automobilindustrie werden in dieser Studie anhand von bewilligten Patentanmeldungen für Verbrennungsmotoren und alternative Antriebe im Zeitraum 1995-2015 analysiert und ins Verhältnis zu den wichtigsten Wettbewerbsnationen gestellt. Tatsächlich ist der deutsche Anteil an den Patenten der führenden Wettbewerbsnationen im Zeitraum 2010-2015 im Bereich Elektrofahrzeuge mit 34% führend, ebenso im Bereich Hybridfahrzeuge (32%). Darüber hinaus unterscheiden sich die Positionen nicht grundsätzlich vom Bereich Verbrennungsmotoren, in dem ein Anteil von 40% erreicht wurde. Bei Verbrennungsmotoren zielen zudem mehr als zwei von drei deutschen Patenten auf Verbrauchsreduktion ab. Es lässt sich somit nicht konstatieren, dass Anreize zur Investition in alternative Technologien im Vergleich zu den Wettbewerbern gefehlt hätten. Die technologische Basis für alternative Antriebe ist in Deutschland vorhanden und aus innovationspolitischer Sicht ist ein Zulassungsverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren nicht zu begründen. Vielmehr könnte ein Fokus auf Infrastruktur und nachfrageorientierte (Politik-)Maßnahmen die Marktdurchdringung mit innovativen Produkten beschleunigen.

Umweltauswirkungen

Die Studie konzentriert sich auf das klimarelevante Treibhausgas CO2. Darüber hinaus wird eine qualitative Abschätzung der Auswirkungen auf lokale Emissionen und den Flächen- und Ressourcenverbrauch vorgenommen. Für den CO2-Ausstoß wird ein Emissionsprognosemodell der Well-to-Wheel(WTW)-Emissionen von Pkw und leichten Nfz (<3,5t) bis 2050 entwickelt. Die Wirkung eines Zulassungsverbots wird anhand der Differenz eines Business-as-usual(BAU)-Szenarios und eines Verbotsszenarios berechnet. Für Pkw prognostiziert das Modell einen kumulierten Rückgang der CO2-Emissionen von 32% für den Prognosezeitraum (2030-2050) durch ein Neuzulassungsverbot von Verbrennern ab 2030 gegenüber dem BAU-Szenario. Bereits im BAU-Szenario wird bis zum Jahr 2050 im Vergleich zu den Emissionen im Jahr 2016 durch technischen Fortschritt und die Zusammensetzung der Fahrzeugflotte ein Rückgang von etwa 53% erzielt. Hinsichtlich lokal wirkender Emissionen sind ähnliche Rückgänge wie bei den CO2-Emissionen zu erwarten. Nachteile für Elektrofahrzeuge ergeben sich vor allem bei der Fahrzeugherstellung durch den höheren Materialeinsatz und den Einsatz bestimmter Materialien in der Batterie, ressourcenseitig beim kumulierten Rohstoffaufwand und Wasserbedarf und umweltseitig durch Versauerung und gesundheitliche Belastungen (Feinstaubemissionen, Humantoxizität).

Die resultierende starke Anpassung bei der Zusammensetzung der Neuzulassungen ab 2030 macht allerdings erneut deutlich, dass die Verbotsmaßnahme einen starken Eingriff in die Produktion und das Wirtschaftsgeschehen darstellen würde: Im ersten Geltungsjahr eines vollständigen Zulassungsverbots für Pkw mit Verbrennungsmotoren müssten statt der ohne ein Verbot prognostizierten knapp 250.000 batterieelektrischen Fahrzeuge mehr als 3,3 Mill. solcher Autos zugelassen werden, um die fehlenden Neuzulassungen bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zu kompensieren. Dies würde parallel enorme zusätzliche Anforderungen an die Ladeinfrastruktur stellen, für die eine aktuelle Studie ca. einen Ladepunkt je 30 Elektroautos anrät. Die Intensität des Eingriffs spiegelt sich auch in Hinblick auf den zusätzlichen Stromverbrauch wider: Im Jahr 2031 müsste die deutsche Stromproduktion insgesamt aufgrund des Zulassungsverbots um ca. 1,1% zunehmen – und dies CO2-neutral, um die Einsparungsziele für den Energiesektor trotzdem zu erreichen. Bis zum Jahr 2050 steigt dann die zusätzliche Stromanforderung aufgrund des Verbots sogar auf 7,6% der Gesamtstrommenge an, was in einem Aufschlag auf den durchschnittlichen Strompreis in Deutschland von ca. 0,5% resultieren würde.

Gesamtbetrachtung

Unter den getroffenen Annahmen würde ein Zulassungsverbot im Zeitraum 2030-2050 zu einer Reduktion der CO2-Emissionen durch Pkw um etwa 32% gegenüber dem BAU-Szenario führen, wenn gleichzeitig die Einsparziele im Bereich der Stromproduktion erreicht werden. Die hohe Intensität dieses Eingriffs zeigt sich bei den notwendigen Fahrzeugstückzahlen und den Anforderungen an die Stromerzeugung. Gleichzeitig ist die Technologie, auf die sich das Verbot beziehen würde, in der Wertschöpfungs- und Beschäftigungsstruktur der Industrie in Deutschland und Europa breit verankert, was durch die vom Verbot betroffenen Beschäftigten und Wertschöpfungsanteile deutlich wird. Internationale Studien von führenden Wissenschaftlern zeigen, dass preiswirksame Maßnahmen mit geringerer Eingriffsintensität – im Vergleich zu Verboten oder Produktionsquoten – die erwünschte technologische Entwicklung befördern. Vor diesem Hintergrund gibt es also bessere Instrumente als ein Zulassungsverbot, um die Umwelt- und Innovationsziele zu erreichen.

Publikation

Falck, Oliver, Michael Ebnet, Johannes Koenen, Julian Dieler und Johann Wackerbauer,Auswirkungen eines Zulassungsverbots für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor, ifo Forschungsberichte 87, ifo Institut, 2017 | PDF Download

Kontakt
Prof. Dr. Oliver Falck

Prof. Dr. Oliver Falck

Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien
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