Projekt

Reformoptionen für die Grundsicherung von Erwerbstätigen

Auftraggeber: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
Projektlaufzeit: August 2019 - Oktober 2019
Bearbeitender Bereich:
Projektteam: Dr. Maximilian Joseph Blömer, Prof. Dr. Andreas Peichl

Fragestellung und Ziele des Projekts

Das derzeitige System der Grundsicherung für Erwerbsfähige in Deutschland gilt als ineffizient und zu komplex und ist zahlreichen Kritikpunkten ausgesetzt. Die Transferleistungen des SGB II sind unzureichend mit den Leistungen des Kinderzuschlags und des Wohngelds abgestimmt. Hinzu kommt die wahrgenommene Komplexität und Stigmatisierung der Antragstellung, die Personen an der Inanspruchnahme hindert. Arbeitsanreize werden durch teilweise sehr hohe effektive Grenzbelastungen gehemmt. Insbesondere für Familien und Alleinerziehende verfehlen die derzeitigen Instrumente der passiven Arbeitsmarktpolitik das Ziel, die Arbeitsaufnahme zu fördern. Gleichzeitig unterliegt das Niveau der Grundsicherung der Kritik, zu niedrig zu sein, um seiner originären Aufgabe, der Sicherung des Existenzminimums nachzukommen. Vor diesem Hintergrund wurden in den vergangenen Monaten verschiedene Reformvorschläge erarbeitet, wie die derzeitigen Instrumente neugestaltet werden können.

Die meisten Reformvorschläge haben gemeinsam, dass der Kinderzuschlag und das Wohngeld gemeinsam mit Hartz IV in eine universelle Transferleistung überführt wird, welche zudem die Hinzuverdienstregeln von Hartz IV modifiziert. Bei der Ausgestaltung einer derartigen universellen Transferleistung gibt es jedoch zahlreiche Freiheitsgrade, die es zu definieren gilt. Dazu gehört nicht nur die Höhe der Grundsicherung, sondern auch die Ausgestaltung des Transferentzugs, also die Reduktion der Leistungen bei eigenständig erwirtschafteten Einkommen. So können Freibeträge gewährt oder Transfers mit dem Einkommen entzogen werden. Bei der Ausgestaltung kommt es jedoch zu einem Zielkonflikt: Je großzügiger Sozialleistungen gewährt werden, desto stärker sinken die individuellen Arbeitsanreize, während die öffentlichen Ausgaben steigen.

Inwiefern die verschiedenen Komponenten einer Grundsicherung auf dieses Sozialstaatsdilemma wirken, ist aufgrund der komplexen Wirkungszusammenhänge nur bedingt nachvollziehbar. Diese Kurzexpertise soll eben diese Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Komponenten einer universellen Transferleistung und den sozialpolitischen Zielgrößen beleuchten.

Methodische Vorgehensweise

Die Expertise nutzt ein ex-ante Steuer-Transfer-Modell, um die Auswirkungen verschiedener Reformoptionen auf zentrale sozialpolitische Zielgrößen zu analysieren. Dabei werden die Reformoptionen untereinander und mit dem Status quo 2019 verglichen. Es werden die Veränderungen der Armutsrisikoquote und des Arbeitsangebots (in Vollzeitäquivalenten) analysiert. Außerdem werden die Auswirkungen der Reformvorschläge auf den öffentlichen Haushalt quantifiziert. Für die Analyse von Budgetwirkungen gehen Mikrosimulationsmodelle über einfache saldenmechanische Abschätzungen deutlich hinaus, da sie Verhaltensanpassungen auf dem Arbeitsmarktexplizit modellieren und somit eine ex-ante Abschätzung der Wirkungen bieten: Erstens, Sofortwirkungen ohne Verhaltenseffekte („morning after“-Effekt) und zweitens, Wirkungen mit Verhaltenseffekt auf das Arbeitsangebot.

Datenquellen

Als Datengrundlage für die Simulation dient das Sozioökonomische Panel (SOEP). Die repräsentative Stichprobe der Bevölkerung umfasst über 20.000 Personen in rund 11.000 Haushalten.

Ergebnisse

Die vorgelegte Kurzexpertise untersucht verschiedene Bausteine einer möglichen Hartz IV Reform. Es wird ersichtlich, dass die genaue Ausgestaltung tatsächlicher Reformen stark von den politischen Zielvorgaben abhängt. Eine Kombination der verschiedenen Varianten auch für unterschiedliche Haushaltstypen, so wie im ifo-Vorschlag vorgesehen, ist sinnvoll, um die Vor– und Nachteile der
Reformblöcke zu kombinieren. Die vorliegende Expertise erlaubt es nun, die entsprechenden Zielgrößen gegeneinander abzuwägen und die „optimale“ Parameterkonstellation zu wählen.

Monographie (Autorenschaft)
Maximilian Joseph Blömer, Simon Litsche, Andreas Peichl
ifo Institut, München, 2019
ifo Forschungsberichte / 108