Projekt

Gemeinschaftsdiagnose 2022 - 2026

Auftraggeber: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Projektlaufzeit: Juli 2022 - Juni 2026
Bearbeitender Bereich:
Projektteam: Friederike Fourné, Max Lay, Dr. Robert Lehmann, Dr. Sebastian Link, Sascha Möhrle, Radek Šauer Ph.D. , Dr. Klaus Wohlrabe, Prof. Dr. Timo Wollmershäuser, Lara Zarges, Ann-Christin Rathje, Moritz Schasching, Gerome Wolf, Ida Wikman

Fragestellung und Ziele des Projekts

Im Forschungsprojekt „Gemeinschaftsdiagnose“ (GD) wird die wirtschaftliche Lage in Deutschland analysiert und prognostiziert. Die Diagnosen werden zweimal jährlich, jeweils im Frühjahr und im Herbst, erstellt. Die Prognosen der GD liefern eine Orientierung für die Projektionen der Bundesregierung. Die GD ist ein gemeinsames Forschungsprojekt mehrerer Wirtschaftsforschungsinstitute. Durch ihre Zusammenarbeit werden die Analyse und die Prognose im Dialog bestmöglich fundiert.

Derzeit wird die GD von den nachfolgend aufgeführten Auftragnehmern gemeinsam erarbeitet:

  • ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. in Kooperation mit:  Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO)
  • RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung e.V., Essen, in Kooperation mit: Institut für Höhere Studien Wien
  • Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und
  • Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel).

In den Gutachten werden die bedeutenden wirtschaftlichen nationalen und internationalen Rahmenbedingungen und Entwicklungen untersucht und dargestellt. Auf dieser Basis erfolgt die Analyse der wirtschaftlichen Lage in Deutschland, die Prognose der kurzen Frist sowie die Prognose der mittleren Frist einschließlich einer Potenzialschätzung. Die Potenzialschätzung wird in Übereinstimmung mit dem von Deutschland gemäß der Europäischen Haushaltsüberwachung angewandten und mit der Europäischen Kommission abgestimmten Verfahren durchgeführt. Das Gutachten kann eine Analyse der Wirtschaftspolitik und wirtschaftspolitische Empfehlungen enthalten. Ein Schwerpunktthema mit Bezug zu aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen wird vertiefend behandelt. Die Prognosen werden im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen auf Basis der vierteljährlichen Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes erstellt. Dabei werden alle wichtigen Aggregate der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen prognostiziert. 

Methodische Vorgehensweise

Das ifo Institut setzt auf eine Prognose, die in der umfragebasierten Konjunkturforschung verankert ist und die sich aktuelle empirische Methoden und theoretische Modelle zunutze macht. Im Bereich der Prognosemethodik werden den Problemen großer Datenmengen, unterschiedlicher Frequenzen und diverser Publikationsverzögerungen sowohl in der aktiven Forschung als auch in der Prognosepraxis besondere Beachtung geschenkt. 

Einen Forschungsschwerpunkt bilden Verfahren zur Informationsverdichtung und -selektion. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob die Mikrodaten der Unternehmensbefragungen zur Prognose makroökonomischer Zeitreihen geeignet sind. Dabei werden unter anderem unterschiedliche Aggregationen der Mikrodaten (nach Teilnehmern, Branchen oder Regionen) auf ihren Einfluss auf die Prognosegüte überprüft. Ein Beispiel sind Boosting-Techniken, mit denen Kerninformationen (z.B. Unternehmen mit hoher Prognosekraft) ermittelt werden können. Daneben werden Verfahren wie die bayesianische Modellmittelung oder Modelle mit gemischten Frequenzen, die sich bereits in ständiger Anwendung befinden, auf ihre Eignung untersucht und weiterentwickelt. Einen weiteren Forschungsschwerpunkt bilden Analysen neuer und alternativer Datenquellen zur Prognose gesamtwirtschaftlicher Indikatoren im Rahmen der ifo-weiten Big-Data-Strategie. Hier stehen vor allem hochfrequente Indikatoren wie der Stromverbrauch, die Lkw-Maut-Fahrleistung, Mobilitätsindikatoren, Reservierungsdaten in Gaststätten, Transaktionsdaten von Finanzdienstleistern oder Textanalysen von Zeitungsartikeln im Mittelpunkt der Untersuchungen.

In der Prognosepraxis werden jene Verfahren eingesetzt und an die deutsche Datenlage angepasst, deren Eignung zuvor nach wissenschaftlichen Kriterien überprüft wurde. Für die entstehungs- und verwendungsseitige Prognose des Bruttoinlandsprodukts in der sehr kurzen Frist, also die Schätzung des laufenden und des darauffolgenden Quartals, betont das ifo Institut die Bedeutung umfragegestützter Indikatoren. Dabei spielen für die Prognose der deutschen Konjunktur die umfangreichen Ergebnisse der ifo Konjunkturumfrage eine zentrale Rolle. Hierzu zählen zum einen die über den Zeitraum mehrerer Jahrzehnte auf Monatsfrequenz vorliegenden Zeitreihen wie z.B. der ifo Geschäftsklimaindex, das ifo Beschäftigungsbarometer oder die ifo Preiserwartungen, und zum anderen die Ergebnisse von lageabhängig eingeführten Sonderfragen, auf deren Basis beispielsweise seit Mai 2020 monatliche Schätzungen zum aktuellen Ausmaß der Kurzarbeit in Deutschland erstellt und veröffentlicht werden. Darüber hinaus werden aber auch andere Frühindikatoren aus der amtlichen Statistik sowie jüngst erschienene hochfrequente Indikatoren berücksichtigt. Um die Fülle der zur Verfügung stehenden Informationen und Indikatoren zu einer Prognose zu verdichten, verfolgt das ifo Institut zwei Ansätze. Zum einen werden mit vielen Indikatoren viele Prognosen erstellt, die anschließend durch Mittelwertbildung verdichtet werden („Pooling of Forecasts“). Dieser Ansatz wird am ifo Institut bereits seit dem Jahr 2009 erfolgreich angewendet. Zum anderen werden die Informationen bereits vor der Prognoseerstellung verdichtet und eine einzelne Prognose erstellt („Pooling of Information“). So wird am ifo Institut seit dem Jahr 2020 mit ifoCAST eine fortlaufende und automatisierte Prognose des deutschen Bruttoinlandsprodukts für das laufende und das darauffolgende Quartal auf Basis eines dynamischen Faktormodells erstellt, die im zweiwöchigen Turnus aktualisiert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. 

Aber auch für darüberhinausgehende Prognosehorizonte wird eine Fülle alternativer Modelle verwendet, um mit Hilfe von Gegenkontrollen Modellunvollkommenheiten rechtzeitig erkennen zu können. Dabei wird auf unterschiedliche Modelltypen aus der Zeitreihenanalyse, der Ökonometrie und der angewandten Makroökonomik zurückgegriffen. Zum einen kommen sowohl für die verwendungs- als auch die entstehungsseitige Prognose vektorautoregressive Modelle mit gemischten Frequenzen zum Einsatz. Zum anderen greift das ifo Institut auf ein eigens entwickeltes und für die deutsche Volkswirtschaft geschätztes DSGE (Dynamic Stochastic General Equilibrium)-Modell zurück. Für die Prognose des weiteren konjunkturellen Verlaufs spielt eine detaillierte Trendanalyse des Bruttoinlandsprodukts und seiner verwendungs- und entstehungsseitigen Aggregate eine zentrale Rolle. Dies wird umso wichtiger, je mehr sich zugrundeliegende Trendwachstumsraten im Prognosezeitraum absehbar, z. B. infolge des demografischen Wandels verändern. Neben der EU-Referenzmethode zur Bestimmung des Produktionspotenzials wird zu diesem Zweck auch auf alternative Zeitreihenmodelle zurückgegriffen, die unter anderem die zyklischen Komponenten der Zeitreihen mit Hilfe der ifo-Kapazitätsauslastung eliminieren. 

Großen Wert wird auf eine wissenschaftlich fundierte theoretische, institutionelle und empirische Analyse gelegt. Damit können frühzeitig konjunkturelle und strukturelle Entwicklungstendenzen erkannt und die Effekte von Politikmaßnahmen oder von Änderungen der institutionellen Rahmenbedingungen abgeschätzt werden. Thematisch konzentrieren sich die Arbeiten auf den Einfluss von Finanzmarktfriktionen und Unsicherheit sowie die Auswirkungen geld- und finanzpolitischer Maßnahmen auf real- und finanzwirtschaftliche Größen. Viele Fragestellungen ergeben sich dabei aus den Erfahrungen und Beobachtungen im Zusammenhang mit der Weltfinanz- und Eurokrise sowie der Coronakrise. Methodisch kommen modelltheoretische Ansätze, wie z.B. DSGE-Modelle, empirische Zeitreihenverfahren, wie z.B. vektorautoregressive Modelle, und mikroökonometrische Schätzverfahren zum Einsatz. Bei den empirischen Arbeiten wird dabei häufig auf die Befragungsdaten des ifo Instituts zurückgegriffen. Mit Hilfe der Mikrodaten der ifo Konjunkturumfrage werden z.B. Finanzierungsbeschränkungen und Firmenunsicherheit auf Unternehmensebene identifiziert, die Krisenfestigkeit des deutschen Mittelstands analysiert sowie die Reaktion der Unternehmen auf die Coronakrise hinsichtlich ihres Investitions-, Preissetzungs- und Einstellungsverhaltens untersucht. 

Die Vielfalt der Prognosemodelle und Analyseverfahren wird in einem iterativ-analytischen Verfahren mit dem vorhandenen Expertenwissen zusammengeführt und zu einer inhaltlich und rechnerisch konsistenten Prognose verdichtet, im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Zudem werden die Prognosen der Verwendungsrechnung, für die traditionell eine geringere Zahl an Indikatoren zur Verfügung steht, mit den Prognosen aus der Entstehungsrechnung plausibilisiert. Die sich insgesamt ergebende Unsicherheit von Konjunkturprognosen wird offen kommuniziert. So veröffentlicht das ifo Institut ein Prognoseintervall für die eigene Prognose des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Zudem werden wichtige Prognoserisiken beschrieben. Da eine Konjunkturprognose immer auf bestimmten Annahmen, z. B. bezüglich der Wechselkursentwicklung oder der Wirtschaftspolitik, beruht, werden auch Szenarien diskutiert. Diese können die verschiedenen Politikoptionen und alternative Reaktionen der Finanzmärkte betreffen. Die Annahmen der Basisprognose und möglicher Alternativszenarien werden offengelegt. Besonders wichtig waren solche Szenarienrechnungen in der Anfangsphase der Coronakrise, als die Unsicherheit über den weiteren Fortgang des Infektionsgeschehens sowie über die Reaktion der privaten Wirtschaftsakteure und der Wirtschaftspolitik besonders groß war.

Von besonderer Bedeutung für die Prognosephilosophie des ifo Instituts ist zudem die Kommunikation der Prognosemethodik, der analytischen Hintergrundinformationen sowie der Relevanz der ifo-Umfrageergebnisse für die Konjunkturanalyse. Regelmäßig werden von Mitgliedern des Prognoseteams die wichtigsten Ergebnisse eigener Studien der Öffentlichkeit im Rahmen von Artikeln im ifo Schnelldienst sowie Kästen in den hauseigenen Konjunkturprognosen vorgestellt. 

Datenquellen

Statistisches Bundesamt, Deutsche Bundesbank, Bundesagentur für Arbeit, Europäische Zentralbank, Eurostat, IWF, OECD sowie eigene Berechnungen.

Ergebnisse

Kontakt
Prof. Dr. Timo Wollmershäuser, Stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen

Prof. Dr. Timo Wollmershäuser

Stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen und Leiter Konjunkturprognosen
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+49(0)89/9224-1406
Fax
+49(0)89/907795-1406
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