Projekt

Den Klimawandel mit Klimatickets bekämpfen? Die Auswirkungen von Fahrpreisermäßigungen auf das Verkehrsaufkommen und die Umwelt

Projektteam: Prof. Mario Liebensteiner, Jakob Losert, Dr. Florian Neumeier, Prof. Dr. Sarah Necker, Dr. Jörg Pätzold, Dr. Sebastian Wichert

Bearbeitende Bereiche

  • Ludwig Erhard ifo Zentrum für Soziale Marktwirtschaft und Institutionenökonomik 
  • Juniorprofessur für Energiemärkte und Energiesystemanalyse an der FAU Nürnberg

Fragestellung und Ziele des Projekts

Klimatickets in Form von Fahrpreisermäßigungen für den öffentlichen Nahverkehr gewinnen an Popularität, um den Verkehrssektor zu dekarbonisieren und unabhängiger von russischem Öl und steigenden Kraftstoffpreisen zu werden. Die Deutsche Umwelthilfe fordert seit einiger Zeit die Einführung eines Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr in Höhe von jährlich 365 Euro. Einige deutsche Kommunen haben ein solches Klimaticket bereits versuchsweise eingeführt (z.B. Reutlingen von 2019 bis Mitte 2021; Amberg seit Februar 2020). Deutschland hat ein bundesweites Ticket für den öffentlichen Nahverkehr für 9 € pro Monat im Zeitraum Juni-August 2022 eingeführt. Auch Österreich bietet Klimatickets an. Das Bundesland Oberösterreich startete im Oktober 2021 ein regionales Klimaticket, gefolgt von der Region Wien-Niederösterreich-Burgenland (25. Okt. 2021), Vorarlberg (1. Nov. 2021), Steiermark (1. Jan. 2022), Salzburg (1. Jan. 2022), Kärnten (1. Jan. 2022) und Tirol (1. März 2022). Am 26. Oktober 2021 wurde ein bundesweites Ticket eingeführt.

Wir wollen empirisch untersuchen, welche Auswirkungen Klimatickets auf die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel haben und welche Folgen die Veränderungen im Mobilitätsverhalten auf das Verkehrsaufkommen und die Treibhausgasemissionen haben. Da die Maßnahmen regional (Einführung lokaler, regionaler und bundesweiter Tickets in Deutschland und Österreich) und zeitlich variieren, werden wir mehrere Effekte analysieren. Wir werden verschiedene Datensätze verwenden, um die Auswirkungen auf verschiedene Ergebnisvariablen zu schätzen, z. B. den Schienenverkehr (Nah-, Regional- und Schnellzüge), den Straßenverkehr sowie Verspätungen und Zugausfälle verschiedener Zugtypen. Wir interessieren uns ferner für die Frage, ob die Senkung der Fahrpreise im öffentlichen Verkehr zu einer Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene oder hauptsächlich zu Mitnahmeeffekten geführt hat. Wir werden das Ausmaß von Substitutionseffekten zwischen verschiedenen Verkehrsträgern quantifizieren (z. B. vom Auto auf die Schiene, aber auch innerhalb verschiedener Schienenverkehrsträger, z. B. vom Hochgeschwindigkeits- auf den Nahverkehr). Darüber hinaus werden wir auch die Umweltfolgen der Einführung von Klimatickets analysieren, wobei wir die durchschnittlichen Emissionen von CO2, NO2 und PM10 als abhängige Variablen verwenden. Eine negative Auswirkung von Klimatickets könnte eine geringere Zuverlässigkeit des öffentlichen Verkehrs durch Staus, Verspätungen und Zugausfälle sein, die wir ebenfalls analysieren wollen. Schließlich werden wir auch in der Lage sein, die politischen Kosten (z. B. Subventionszahlungen für Fahrpreisermäßigungen) gegen ihren ökologischen Nutzen abzuwägen, und wir leiten sowohl kurzfristige als auch langfristige Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit ab.

Methodische Vorgehensweise

Ein vielversprechender Ansatz, um kausale Effekte zu identifizieren, ist die Anwendung eines Differenz-in-Differenzen-Modells (DiD). Um die Auswirkungen regionaler Klimatickets zu bewerten, vergleichen wir die Mobilitätsmuster in den betroffenen Gemeinden mit den Mobilitätsmustern in anderen, nicht behandelten Städten vor und nach der Änderung der Politik. Um sicherzustellen, dass die Annahme eines gemeinsamen Trends gilt, kombinieren wir den DiD-Ansatz gegebenenfalls mit Matching-Techniken. Die Bewertung der Auswirkungen von landesweiten Klimatickets ist schwieriger, da es keine natürliche Kontrollgruppe gibt, die nicht von der Maßnahme betroffen ist. Um dieses Problem zu lösen, vergleichen wir die Mobilitätsentwicklung in Regionen, in denen der öffentliche Verkehr gut entwickelt ist, mit der in Regionen, in denen der öffentliche Verkehr schlecht entwickelt ist. Auf diese Weise nutzen wir Unterschiede in Bezug auf die Maßnahmenintensität, um einen kausalen Effekt zu identifizieren. 
Datenquellen:

Für unsere empirische Analyse werden wir verschiedene Datensätze verwenden. Mobilfunkdaten des Telekommunikationsanbieters Telefonica (vertrieben durch den Datenanbieter Teralytics) werden genutzt, um Mobilitätsströme über Landkreise in Deutschland und Österreich für verschiedene Verkehrsmittel (Auto, Bahn) im Tagesrhythmus zu analysieren. Die Daten wurden vom ifo Institut bereits in der Vergangenheit in einem Forschungsprojekt zur Bewertung der möglichen Auswirkungen der Einführung einer City-Maut in München verwendet. Die Daten zu den geplanten und tatsächlichen Ankunftszeiten der Züge zur Analyse von Verspätungen und Zugausfällen werden vom Online-Portal zugfinder.net (train finder) bezogen, das alle Zugverbindungen (vom Regionalzug bis zum Schnellzug) in Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien bis ins Jahr 2019 abdeckt. Daten zum deutschen Straßenverkehrsaufkommen nach Fahrzeugkategorien (Motorrad, Pkw, Lkw) von Verkehrsmessstellen und nach Straßentyp (Autobahn, Landstraße usw.) in täglicher Frequenz (zurück bis 2015) werden von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) zur Verfügung gestellt. Diese Daten ermöglichen eine eingehende Analyse des Straßenverkehrs als Reaktion auf die Einführung von Klimatickets. Darüber hinaus werden wir anhand von Durchschnittswerten der CO2-, NOx-, SO2- und PM10-Emissionen die Umweltauswirkungen der durch Klimatickets verursachten Verkehrsveränderungen analysieren. 

Ergebnisse

Erste Ergebnisse sollen Ende 2023 veröffentlicht werden.
 

Kontakt
CV Foto Dr. Florian Neumeier

Dr. Florian Neumeier

Leiter der Forschungsgruppe Steuer- und Finanzpolitik
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+49(0)89/9224-1425
Fax
+49(0)89/985369
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