Aufsatz in Zeitschrift

Westeuropa : Überwindung der konjunkturellen Schwächephase erst gegen Ende 1993

Oscar-Erich Kuntze
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 1993

in: ifo Wirtschaftskonjunktur, 1993, 45, Nr. 01, A1-A25

Das reale Bruttoinlandsprodukt ist 1992 im Durchschnitt der westeuropäischen Industrieländer lediglich um knapp 1% gestiegen. Im Verlauf haben sich Nachfrage und Produktion zunächst weiter abgeflacht. Gegen Ende des Jahres stagnierten sie oder sind sogar etwas zurückgegangen. Statt der im Frühsommer 1992 prognostizierten allmählichen Belebung der Konjunktur im Laufe des zweiten Halbjahres setzte sich also die Tendenz zur Abschwächung fort. Es gibt mehrere Gründe für diese enttäuschende Entwicklung: Die Produktion erhöhte sich im ersten Quartal - mitbedingt durch den milden Winter - sehr kräftig; dabei wurde jedoch vielfach im Vorgriff auf die folgenden Monate konsumiert und investiert. Zweitens tendierten die Zinsen in Deutschland vollkommen unerwartet bis August aufwärts statt zu sinken. Drittens erholte sich die Konjunktur in den USA etwas stockend und begleitet von mancherlei Zweifel. Viertens wirkten die sich von September bis zum Ende des Jahres hinziehenden Währungsturbulenzen negativ auf das Wirtschaftsklima aus. 1993 wird das Bruttoinlandsprodukt in Westeuropa vermutlich nur um rund 0,5% zunehmen. Der Verbrauch bleibt die wichtigste Stütze der Nachfrage, obwohl er nur noch sehr verhalten zunimmt. Dämpfend wirken die kaum noch steigenden realen verfügbaren Einkommen, die weitere Verschlechterung der Lage auf dem Arbeitsmarkt und vielfach der Zwang zum Abbau der in Relation zum Einkommen sehr hohen Verschuldung. Auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert sich die Lage etwas, während die Zahl der Erwerbspersonen erneut zunimmt. Die Arbeitslosenquote dürfte im Durchschnitt des Jahres reichlich 10% betragen. Der Preisanstieg verlangsamt sich weiter. Im Jahresdurchschnitt dürften die Konsumtentenpreise um rund 3,5% steigen.

Schlagwörter: Westeuropa, Wirtschaftslage, Währungspolitik, Geldpolitik, Außenwirtschaftspolitik, Konsum, Frankreich, Italien, Großbritannien, Spanien