Aufsatz in Zeitschrift

Die Privatisierung der Bahn: »Volksaktie« oder »normaler« Börsengang?

Dirk Ehlers, Otto Wiesheu, Gerd Aberle, Hans-Peter Friedrich, Christian Kirchner, Christoph Schaaffkamp
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2007

ifo Schnelldienst, 2007, 60, Nr. 22, 03-22

Die Deutsche Bahn AG, derzeit ein dem Bund gehörender Konzern, soll zumindest teilweise privatisiert werden. Darin sind sich die maßgeblichen politischen Kräfte einig. Über die Art und Weise der Privatisierung besteht aber keine Einigkeit. Dirk Ehlers, Universität Münster, stellt die fünf Privatisierungsvarianten, die in der Diskussion sind, vor und unterzieht sie einer kritischen Betrachtung. Er hält fest, dass die vom Gesetzgeber bisher verfolgte Strategie, die DB AG unter Beibehaltung eines integrierten Bahnkonzerns zu privatisieren, wegen der Rückwirkungen auf den Ausbau und den Erhalt der Schienenwege nach seiner Ansicht mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist – es sei denn, es werden nur stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgegeben, und es kann sichergestellt werden, dass das Stimmrecht nicht wieder auflebt. Für Otto Wiesheu, Deutsche Bahn AG, wird die Bahnreform, »die 1994 mit einem entschlossenen Ja zu Wettbewerb und Privatisierung umgesetzt wurde und in deren Folge das Unternehmen DB AG den Sprung zu einem wettbewerbs- und zukunftsfähigen Konzern mit guten Perspektiven für die Beschäftigten geschafft hat«, durch ein »unausgegorenes Privatisierungsmodell à la »Volksaktie« ad absurdum geführt. ... Das diffuse Bild, das sich ergibt, wenn man das »Volksaktienmodell« näher durchdenkt, legt den Schluss nahe, dass es den Befürwortern wohl eher darum geht, die Kapitalprivatisierung der DB AG ganz zu verhindern.« Gerd Aberle, Universität Gießen, sieht in den Wirtschaftsergebnissen der vergangenen Jahre und der erfolgreichen Positionierung der DB AG als international tätiger Mobilitätsdienstleister die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Börsengang. Für die Gewinnung von neuem Kapital durch einen Börsengang sind, seiner Meinung nach, vor allem institutionelle Anleger anzusprechen, die eine sichere längerfristige Kapitalanlage mit marktfähiger Rendite anstreben. Das Volksaktienmodell ist für ihn weder unternehmenspolitisch noch gesamtwirtschaftlich attraktiv. Hans-Peter Friedrich, CDU/CSU-Bundestagesfraktion, sieht die Volksaktie als eine reine Scheinprivatisierung an: »Heraus kommen würde ein schlechtes Privatisierungsmodell, das die ordnungspolitischen Probleme des Eigentumssicherungsmodells mit dem Mangel an Kontrolle durch die Kapitalmärkte verbunden hatte.« Auch für Christian Kirchner, Humboldt-Universität zu Berlin, wäre das Projekt »Bahnprivatisierung« mit der Ausgabe von Volksaktien gescheitert. Es würde bei der Staatsbahn bleiben, mangels Haushaltsengpässen unterfinanziert und unfähig, sich an der Neustrukturierung der europäischen Eisenbahn zu beteiligen. Für Christian Schaaffkamp, Unternehmensberatung kcw, Berlin, kann durch eine klare Privatisierungssperre für die Eisenbahninfrastruktur die primäre Zielstellung der Volksaktie – Schutz der Eisenbahninfrastruktur vor dem Zugriff von »Heuschrecken« – effektiver und mit einem deutlich besseren finanziellen Ergebnis für die öffentliche Hand umgesetzt werden.

 

Schlagwörter: Privatisierung, Bahn, Eisenbahnverkehr, Aktie, Börse, Kleinaktionäre, Eisenbahnpolitik, Deutschland
JEL Klassifikation: G300,G340,G380

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Zeitschrift (Einzelheft)
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2007