Aufsatz in Zeitschrift

Abgasskandal, Kartellverdacht, Zulassungsverbot: Deutsche Autoindustrie im Verruf – was folgt für den Standort Deutschland?

Christian Rammer, Jochen Flasbarth, Heinz Rudolf Meißner, Helmut Becker, Ferdinand Dudenhöffer, Jörg Hofmann
ifo Institut, München, 2017

ifo Schnelldienst, 2017, 70, Nr. 18, 03-20

Die Automobilindustrie macht derzeit keine guten Schlagzeilen. Die Vorwürfe reichen von Manipulation bei den Abgaswerten der Dieselfahrzeuge bis zum Verdacht von Kartellabsprachen. Die Autokonzerne, das Herzstück der deutschen Wirtschaft, werden zum neuen Sorgenkind der deutschen Industrie. Wie kann verlorenes Vertrauen zurückgewonnen werden? Christian Rammer, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, nennt die Gründe für die »wohlwollende Rücksichtnahme« der Politik in Deutschland gegenüber den Autokonzernen und verweist auf die große volkswirtschaftliche Bedeutung der Branche. Rund 5% aller Arbeitsplätze in Deutschland hängen direkt oder indirekt an der Produktion von Kraftfahrzeugen. Die deutsche Politik habe sich dafür entschieden, den Autoproduktionsstandort Deutschland so gut es geht zu schützen. Ob dies so weitergehen werde, sei aber mehr als fraglich. Durch den Abgasskandal wurde nach Ansicht von Jochen Flasbarth, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, viel Vertrauen in den Diesel, aber auch in die Automobilindustrie insgesamt verspielt. Ebenso sei angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre die Nähe von Politik und Unternehmen infrage zu stellen. Zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der Automobilindustrie müsse der Staat seine Kontrollfunktion stärker wahrnehmen, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen sei. Heinz Rudolf Meißner, ehem. Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin, sieht die Zukunftsfähigkeit der deutschen Autoindustrie nur durch eine aktive Industriepolitik gesichert. Zukunftsfähige Konzepte müssten sich zudem vom »engen Blickwinkel der Autos« lösen und sollten ihre Aufmerksamkeit auf integrative Ansätze von Mobilitätskonzepten richten, in denen das privat genutzte Auto nur eine unter anderen Möglichkeiten sei. Helmut Becker, Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK), München, warnt vor der Einführung einer E-Autoquote in Europa. Seiner Meinung nach müssten die Hersteller etwas produzieren, was sie auf dem freien Markt so nicht absetzen könnten. Das würde die deutsche Automobilindustrie und vor allem das »Autoland Deutschland« vor unlösbare wirtschaftliche Probleme stellen. Ferdinand Dudenhöffer, Universität Duisburg-Essen, sieht die Ursachen für »den größten Skandal der deutschen Autoindustrie« in einer Verquickung von falschen politischen Preissignalen, einer distanzlosen Regierungspolitik gegenüber der Autobranche sowie einer schrägen Moral in Engineering-Abteilungen und Vorstandsgremien. Jörg Hofmann, IG Metall, sieht Industrie und Politik gleichermaßen gefordert, um der deutschen Automobilindustrie eine gute Zukunft zu geben. Unverzichtbar seien verbindliche Regelungen, der Schutz der Verbraucher und die Sicherung der Wertschöpfungskette der Elektromobilität in Deutschland.

Schlagwörter: Kfz-Industrie, Dieselmotor, Standort, Industriepolitik, Nachhaltige Mobilität, Deutschland
JEL Klassifikation: L620, Q550, O100

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ifo Institut, München, 2017