Aufsatz in Zeitschrift

Die Verhandlungen zum Brexit: Finanzielle und wirtschaftliche Auswirkungen

Peter Becker, Jörg Haas, Carsten Hefeker, Steffen Hindelang, Eberhard Eichenhofer, Christian Tietje, Susanne Wixforth, Nicolai von Ondarza, René Repasi, Klaus Günter Deutsch, Stefan Mair, Gabriel Felbermayr
ifo Institut, München, 2017

ifo Schnelldienst, 2017, 70, Nr. 11, 03-40

Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union beschäftigte am 24. April 2017 den Europaausschuss des Bundestags. In einer öffentlichen Anhörung nahmen einige Experten zum einen zu den finanziellen Auswirkungen und den wechselseitigen Verpflichtungen, zum anderen zu Statusfragen und wirtschaftlichen Aspekten des Brexit Stellung. Nach Ansicht von Peter Becker, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, wäre der beste Verhandlungsauftakt zunächst eine Verständigung beider Verhandlungspartner auf eine pragmatische Vorgehensweise. Das beste Verhandlungsergebnis aus Sicht der EU wäre, den aktuellen Mehrjährigen Finanzrahmen unverändert auslaufen zu lassen. Jörg Haas, Jacques Delors Institut, weist darauf hin, dass der Brexit zwar eine Lücke in den Haushalt der Europäischen Union reißt, aber auch neue Chancen eröffnet. Der Wegfall des Britenrabatts vereinfache das Finanzierungssystem und ermögliche es, komplizierte Verfahren zu ersetzen. Carsten Hefeker, Universität Siegen, sieht Möglichkeiten, über neue und zukunftsträchtige Wege einer engen Kooperation mit Drittstaaten wie dem UK, der Schweiz und anderen Ländern in der engeren Nachbarschaft nachzudenken. Das EWR-Modell habe sich überholt, weil viele der aktuellen Mitgliedsländer und auch der Drittstaaten kein Interesse mehr an Personenfreizügigkeit haben. Steffen Hindelang, Freie Universität Berlin, hält als Ergebnis fest, dass kein Anspruch Großbritanniens auf einen Anteil an den Vermögensgütern der EU bei Austritt bestehe, dagegen müsse das Land seine in der Vergangenheit eingegangenen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Union auch nach Austritt erfüllen. Eberhard Eichenhofer, Universität Jena, unterstreicht, dass mit dem Ende der Mitgliedschaft eines Staates sämtliche sich aus dem Europäischen koordinierenden Sozialrecht ergebenden Bindungen entfallen. EU-Bürger werden gegenüber dem vorherrschenden Rechtszustand zahlreiche Nachteile zu gewärtigen haben. Und auch Christian Tietje, Universität Halle-Wittenberg, betont, dass es zur Neuregelung der Statusrechte von Unionsbürgern und juristischen Personen der EU-Mitgliedstaaten einer völkervertraglichen Festlegung zwischen der EU und Großbritannien bedarf. Nach Einschätzung von Susanne Wixforth, DGB, lassen die gesteckten Verhandlungspositionen nur eine geringe gemeinsame Schnittmenge erkennen. Nicolai von Ondarza, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, sieht die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien über ihre zukünftigen Beziehungen nach dem Brexit unter einem politischen Primat, so dass trotz enger wirtschaftlicher Verpflichtungen beide Seiten auf eine harte Verhandlungsposition zusteuern. René Repasi, EURO-CEFG, skizziert die Rechte, die bei dem Brexit wegfallen würden, und diskutiert die Möglichkeiten, den Fortbestand dieser Rechte zu sichern. Klaus Günter Deutsch und Stefan Mair, BDI, rechnen mit massiven Störungen im Wirtschaftsverkehr. Der Brexit könne per se kein wirtschaftlicher Erfolg werden. Nach den Berechnungen von Gabriel Felbermayr, ifo Institut, werden für beide Seiten, gleichgültig wie die zukünftigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU 27 und Großbritannien geregelt werden, ökonomische Kosten entstehen, wobei im Durchschnitt die verbleibenden EU-Mitglieder weniger als das Vereinigte Königreich verlieren werden.

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Zeitschrift (Einzelheft)
ifo Institut, München, 2017