Aufsatz in Zeitschrift

Entlastungspakete, Tankrabatt, Übergewinnabschöpfung: Wie weit kann der Staat uns in Krisen schützen?

Max Lay, Andreas Peichl, Tobias Hentze, Jan Schnellenbach, Lars P. Feld, Philipp Weber, Sarah Necker, Anne Steuernagel, Martin Kesternich, Kathrine von Graevenitz, Achim Wambach, Stefan Kooths, Thilo Schaefer
ifo Institut, München, 2022

ifo Schnelldienst, 2022, 75, Nr. 11, 03-31

Max Lay und Andreas Peichl, ifo Institut, schätzen die Budgetwirkungen der Entlastungspakete über die drei Jahre auf 130 Mrd. Euro oder auf 3,6% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2021. Dies sei eher die Untergrenze. Zudem gingen die Versuche des Staates, die Bevölkerung in der Breite zu kompensieren, zulasten der Bereitstellung öffentlicher Güter oder führten zu höheren Steuern in der Zukunft. Dies sei keine nachhaltige Politik. Vielmehr müssten die staatlichen Unterstützungsprogramme Energiesparanreize setzen und zielgenau an besonders betroffene Haushalte gegeben werden.

Tobias Hentze, Institut der deutschen Wirtschaft, zeigt, dass, obwohl die Dimension der Entlastungspakete bemerkenswert ist, insgesamt nur ein Teil der Teuerung ausgeglichen werden kann. Außerdem enthielten die Entlastungspakete einige fragwürdige Positionen. Sie hätten aber das Potenzial, das Land kurzfristig verhältnismäßig gut durch die Krise zu bringen. Trotzdem seien Wohlstandsverluste unvermeidlich.

Jan Schnellenbach, Brandenburgische Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, sieht zahlreiche Elemente der drei Entlastungspakete falsch adressiert, da sie nicht nur gezielt bedürftigen Haushalten zugutekommen, sondern auch solchen Haushalten, die aus eigenen Mitteln die Krise bewältigen könnten. Zudem würden Preisanreize zum Energiesparen konterkariert.

Die vorläufige Bilanz, die Lars P. Feld und Philipp Weber, Walter Eucken Institut, Freiburg, von den eingesetzten Kriseninstrumenten ziehen, fällt „gemischt“ aus. Zwar habe der Bund eine Reihe sinnvoller fiskalpolitischer Maßnahmen ergriffen, die den Angebotsschock effektiv dämpfen und das Produktionspotenzial nachhaltig kräftigen. Gleichzeitig seien jedoch für viele ineffiziente, teure und ausschließlich politisch motivierte Mehrausgaben Mittel zur Verfügung gestellt worden. Es sei auch unehrlich, dem Bürger den Schutz vor jedem wirtschaftlichen Wohlstandsverlust vorzutäuschen. Der Staat könne seine Bürger und Unternehmen nicht vollständig gegen solche wirtschaftlichen Schocks versichern. Wirtschaftliche Einbußen seien unvermeidbar.

Sarah Necker und Anne Steuernagel, ifo Institut, diskutieren, ob Preiskontrollen, insbesondere die Festlegung von Höchstpreisen, zu rechtfertigen und ob sie dazu geeignet sind, die besonders stark von den Preissteigerungen Betroffenen zu entlasten. Ihrer Ansicht nach ist das Aussetzen von Preissignalen auch in der aktuellen Krisenzeit weder eine effiziente noch zielgenaue soziale Entlastungsmaßnahme. So verstärke die Einführung von Gaspreisdeckeln die bestehenden Knappheiten. Die Wirtschaftspolitik sollte sich eher auf Maßnahmen zur Behebung der Ursachen der Preisanstiege konzentrieren.

Martin Kesternich, Kathrine von Graevenitz und Achim Wambach, Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, plädieren für eine „Gas- statt einer Preisbremse“. Um Anreize zum Gas- und Stromsparen zu geben, sollten die Preise nicht gesenkt werden. Zudem sollten Instrumente entwickelt werden, die auf eine Verhaltensänderung zielen.

Stefan Kooths, Kiel Institut für Weltwirtschaft, weist auf die Unterschiede der Corona- und der Energiekrise hin. Während die Pandemie im Wesentlichen als Interaktionsschock wirkte, sei die Energiekrise demgegenüber die Folge eines klassischen negativen Angebotsschocks und bleibe – anders als die Corona-Pandemie – kein rein temporäres Phänomen. Einer Energiekrise müsse die Wirtschaftspolitik energiepolitisch begegnen. Voraussetzung hierfür sei eine neue Energiestrategie, die aber weiterhin fehle.

Nach Ansicht von Thilo Schaefer, Institut der deutschen Wirtschaft, sollten, gerade auch bei gedeckelten Preisen, Sparanreize erhalten werden. So sei es eine Herausforderung, nach Einführung der „Gaspreisbremse“ den Anreiz aufrechtzuerhalten, ganz auf Gas als Energieträger zu verzichten. Das Preissignal werde verzerrt, denn durch die Entlastung der Gas- und Fernwärmekunden sinken die Anreize für einen Energieträgerwechsel. Zudem sei ein gemeinsames Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten in der Maßnahmengestaltung wünschenswert.

 

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