Aufsatz in Zeitschrift

Demografischer Wandel – bekannte Herausforderungen, neue Gestaltungsmöglichkeiten

Karin Haist, Sigrid Ladig, Gisela-Elisabeth Winkler, Patrick Höppner, Nicolas Bunde, Anita Wölfl, Oliver Falck, Valentin Lindlacher, Simon Wiederhold, Rudolf Schleyer, Yvonne Giesing, Tabea Bucher-Koenen
ifo Institut, München, 2023

ifo Schnelldienst, 2023, 76, Nr. 11, 03-32

Karin Haist, Körber-Stiftung, sieht in Städten und Gemeinden die Gestalter des demografischen Wandels. Öffentlicher Raum, Mobilität und Wohnen seien die wichtigsten Bereiche einer kommunalen Infrastruktur, die sich auf die Bedarfe Älterer einstellen müsse. Die Lebensqualität im Alter würde wesentlich davon bestimmt, wie Menschen wohnen. Für Babyboomer spiele „Ageing in place“ – im eigenen Zuhause und Quartier alt zu werden – eine wesentliche Rolle.

Mit den Umwälzungen durch den demografischen Wandel stehen aus Sicht von Gisela-Elisabeth Winkler, Sigrid Ladig, beide Ladig & Winkler GmbH, und Patrick Höppner, ifo Institut, die Chancen gut, dass ältere Gründerinnen und Gründer eine größere Bedeutung für das Gründungsgeschehen insgesamt erlangen. An einem konkreten Beispiel berichten sie von Hindernissen bei Gründungen durch Ältere, da diese keine „natürliche“ Zielgruppe für Fördermaßnahmen seien. Insgesamt bleibe das Potenzial, unternehmerische Chancen über Generationen hinweg zu verbessern und auch den Zugang Älterer zu unternehmerischer Aktivität zu stärken, hoch.

Mit dem Einsatz digitaler Technologien entstehen auch für ältere Menschen neue Möglichkeiten, ihren Alltag selbständig zu gestalten und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Nicolas Bunde und Anita Wölfl, beide ifo Institut, zeigen anhand Daten des Eurobarometers, dass ältere Menschen in Deutschland im Vergleich mit älteren Menschen in anderen großen Volkswirtschaften der EU eine geringere Digitalaffinität aufweisen. Beim Blick auf die Altersgruppen könne bei den 55- bis 64-Jährigen gegenüber den 65- bis 74-Jährigen bereits eine etwas höhere Digitalaffinität festgestellt werden. Dies eröffne zusätzliche Spielräume im Umgang mit dem demografischen Wandel.

Oliver Falck, ifo Institut, Valentin Lindlacher, TU Dresden, und Simon Wiederhold, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle und Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, zeigen anhand von PIIAC-Daten, dass ältere Arbeitskräfte mit grundlegenden digitalen Fähigkeiten wesentlich bessere Beschäftigungschancen haben, höhere Löhne erzielen und einem geringeren Risiko der Automatisierung ihrer Tätigkeit ausgesetzt sind. Die Förderung der digitalen Kompetenzen älterer Menschen sei somit eine wichtige Maßnahme zur Stärkung integrativer Arbeitsmärkte, die auch älteren Arbeitnehmer*innen gute Chancen bieten. Es sei wichtig, Anreize für Arbeitgeber*innen zu schaffen, mehr Weiterbildungsmaßnahmen für Ältere anzubieten.

Bisher werde Digitalisierung der Verwaltung oft als Aufwandstreiber verstanden. In Zeiten von Fachkräftemangel im Rahmen des demografischen Wandels bestehe aus Sicht von Rudolf Schleyer, Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung, die Chance, die Diskussion um wesentliche Aspekte zu erweitern. Es gehe gerade nicht um eine vordergründige Digitalisierung der Schnittstelle zum Bürger, sondern um eine grundlegende Veränderung des Verwaltungshandelns, beginnend mit rechtlichen Grundlagen wie ausschließlich digitalen Zugängen für Verwaltungsleistungen bis hin zur kritischen Prüfung der innerstaatlichen Zuständigkeitsordnung.

Ob Einwanderung als Chance genutzt werden kann, um den Fachkräftemangel in Deutschland zu beheben, kommt auf die deutsche Einwanderungs- und Integrationspolitik an, erklärt Yvonne Giesing, ifo Institut. Das Einwanderungssystem müsse so gestaltet werden, dass Deutschland für Fachkräfte attraktiv ist und bleibt. Mit dem neuen Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung habe die Regierung Schritte in die richtige Richtung eingeleitet. Schnellere und einfachere Einwanderungsverfahren für Hochqualifizierte und unbürokratische Arbeitserlaubnisse für Arbeiter*innen mit Arbeitsplatzangebot bleiben weiterhin notwendig. Daneben können Investitionen in Sprache und Umschulungen dazu beitragen, bereits hier lebende Zugewanderte, die noch nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind, in Arbeit zu bringen. Kurzfristig dürfte es schwierig sein, durch den Zuzug von Geflüchteten den Fachkräftemangel zu reduzieren.

Tabea Bucher-Koenen, ZEW Mannheim, untersucht Konsum und Vermögen älterer Haushalte. Die Evidenz deute darauf hin, dass viele Rentner*innen im Alter weniger konsumieren und Vermögen langsamer abbauen als erwartet. Insgesamt habe sich die Einkommens- und Vermögenssituation älterer Haushalte in Deutschland verbessert, wobei das Durchschnittseinkommen und das Vermögen zugenommen haben. Die Herausforderung der Altersvorsorgeplanung erfordere eine vorausschauende Planung, Zugang zu Informationen, finanzielle Bildung und bessere Darstellung zukünftiger Renten.

Enthalten in Zeitschrift bzw. Sammelwerk

Zeitschrift (Einzelheft)
ifo Institut, München, 2023