Aufsatz in Zeitschrift

Wiederaufbauplan: Wie gelingt der Neuanfang in der Ukraine?

Garry Poluschkin, Robert Kirchner, Julian Bergmann, Werner Hoyer, Michael Harms, Gerit Schulze, Stephan von Cramon-Taubadel, Oleg Nivievskyi, Heiko Pleines, Susan Stewart, Joop Adema, Yvonne Giesing, Tetyana Panchenko, Panu Poutvaara
ifo Institut, München, 2023

ifo Schnelldienst, 2023, 76, Nr. 04, 03-28

Garry Poluschkin und Robert Kirchner, German Economic Team, gehen davon aus, dass der Wiederaufbau der Ukraine eine langfristige multilaterale Herausforderung sein wird, bei der insbesondere die EU eine hervorgehobene Rolle einnehmen wird. Gleichzeitig dürfe die Diskussion der Wiederaufbaukonzepte nicht den Blick darauf verstellen, dass jetzt während des Krieges eine umfassende Unterstützung der Ukraine in humanitärer, finanzieller und militärischer Hinsicht nötig sei.

Julian Bergmann, German Institute of Development and Sustainability (IDOS), sieht ebenfalls die Institutionen und Mitgliedstaaten der EU in einer entscheidenden Rolle beim Wiederaufbau der Ukraine. Dafür sei es aber notwendig, Voraussetzungen auf EU-Seite zu schaffen – von der Frage der Finanzierung des EU-Beitrags bis hin zur Flexibilisierung des EU-Beitrittsprozesses. 

Werner Hoyer, Europäische Investitionsbank, betont, dass es für die Ukraine gerade im Krieg wichtig ist, die Wirtschaft, soweit möglich, funktionsfähig zu halten. Eine funktionsfähige Infrastruktur sei hierfür die Voraussetzung, und der Wiederaufbau müsse daher jetzt beginnen. Die Europäische Investitionsbank habe deshalb bereits 2022 ein Nothilfepaket von 2,3 Mrd. Euro bereitgestellt und damit Investitionen ermöglicht. Es sei aber offensichtlich, dass der Wiederaufbau nicht allein aus den europäischen Staatshaushalten kommen werde. Private Investitionen müssten zwingend hinzukommen. 

Michael Harms, Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, nennt die Prioritäten für einen möglichst effizienten Wiederaufbauprozess aus Sicht der Wirtschaft. So müssten unter anderem die administrativen Abläufe optimiert und die Risikoabsicherungen ausgeweitet werden.

Nach Ansicht von Gerit Schulze, Germany Trade & Invest (GTAI), geht es der Ukraine nicht nur um eine Reparatur und Ausbesserung der Kriegsschäden, sondern um den Aufbau einer global wettbewerbsfähigen und an internationalen Standards orientierten Ökonomie. Dafür müssten hohe Hürden überwunden werden. So müsste Seeblockade beendet werden und eine größere Anzahl von Arbeitskräften zurückkehren.

Angesichts ihrer nationalen und globalen Bedeutung betonen Stephan von Cramon-Taubadel und Oleg Nivievskyi, Universität Göttingen, dass die Landwirtschaft in der Ukraine als Schlüsselsektor beim Wiederaufbaubedarf berücksichtigt werden muss. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören die Entminung und Rekultivierung landwirtschaftlicher Flächen, der Wiederaufbau von landwirtschaftlichen Betrieben und lokalen Lagereinrichtungen sowie die Instandsetzung der Exportinfrastruktur.

Eine Voraussetzung für den Wiederaufbau der Ukraine ist „Good Governance“. Dazu gehört unter anderem ein erfolgreiches Vorgehen gegen die Korruption. Heiko Pleines, Universität Bremen, zeigt, dass die Ukraine auf einem guten Weg ist und die Institutionen zur Korruptionsbekämpfung weitgehend geschaffen hat – mit spezialisierten Ermittlungsbehörden, einem spezialisierten Gericht für alle größeren Korruptionsfälle sowie transparenten Verfahren für die Vergabe von Staatsaufträgen.

Susan Stewart, Stiftung Wissenschaft und Politik, unterstreicht die Rolle der kommunalen Ebene und der Zivilgesellschaft beim Wiederaufbau der Ukraine. Zwar sollte diese nicht idealisiert werden, aber die kommunale Ebene spiele eine bedeutende Rolle im Widerstand. Zudem sei sie bereits jetzt mit Maßnahmen beschäftigt, die zum Wiederaufbau zählen können, um ihre Städte und Dörfer funktionsfähig zu halten und die wichtigsten Dienstleistungen weiterhin anbieten zu können.

Joop Adema, Yvonne Giesing, Tetyana Panchenko und Panu Poutvaara, ifo Institut, untersuchen die Rolle der Diaspora für den Wiederaufbau der Ukraine. So unterstützten die Ukrainer*innen, die im Ausland leben, die wirtschaftliche und politische Entwicklung in der Nachkriegszeit mit ihren Überweisungen. Eine Rückkehrmigration könnte auch den Transfer von Wissen, innovativen Ideen und demokratischen Werten fördern. 

Schlagwörter: Politischer Konflikt, Krieg, Kriegsfolgen, Wirtschaftlicher Schaden, Wirtschaftlicher Wiederaufbau, Ukraine
JEL Klassifikation: F510, D740

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