Stellungnahme -

ifo Standpunkt Nr. 195: Deutschland sollte zu einer flächenbasierten Grundsteuer übergehen

Das Bundesverfassungsgericht hat die bestehende Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt, weil sie auf seit Jahrzehnten veralteten Grundstückswerten beruht und letztlich zu einer willkürlichen Lastenverteilung unter den Steuerzahlern führt. Das Gericht hat erklärt, dass eine Grundsteuer nicht notwendigerweise auf Grundstückswerten beruhen muss. Aber wenn die Steuer an den Werten von Grundstücken und Häusern ansetzt, müssen die tatsächlichen Werte verwendet werden, die sich im Laufe der Zeit immer wieder verändern.

Bild Clemens Fuest für Standpunkte

Die Politik will die Grundsteuer nicht abschaffen, sondern aufkommensneutral reformieren. Die wichtigste Frage ist dabei, ob die Steuer künftig auf der Basis von aktuellen Immobilienwerten erhoben wird oder ob sie an anderen Merkmalen ansetzt, beispielsweise der Fläche von Grundstücken und Gebäuden. Die Finanzminister der Bundesländer wollen mehrheitlich auf aktuelle Immobilienwerte übergehen. Das ist eine schlechte Idee. Besser wäre eine an der Grundstücks- und Gebäudefläche ansetzende Steuer, aus folgenden Gründen.

Als Argument für die Orientierung an Immobilienwerten wird angeführt, nur so sei eine gerechte Steuerlastverteilung zu erreichen. Das ist ein Irrtum. Die Grundsteuer ist eine reine Objektsteuer, bei der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Besteuerten keine Rolle spielt. Bei vermieteten Häusern wird die Grundsteuer den Mietern mit den Nebenkosten in Rechnung gestellt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Mieter hohe oder niedrige Einkommen haben. Ein selbst genutztes Einfamilienhaus kann einer weitgehend verarmten Witwe oder einem Multimillionär gehören, die Grundsteuer ist immer die gleiche, egal, ob die Steuer am Marktwert des Hauses ansetzt oder an der Gebäudefläche. Ähnlich wie die Mehrwertsteuer oder die Mineralölsteuer verfolgt die Grundsteuer konstruktionsbedingt gar nicht das Ziel, Steuerzahler entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit heranzuziehen.

Eine andere Begründung für die Grundsteuer lautet, sie sei ein Entgelt für kommunale Dienstleistungen. Das kann man so sehen, auch wenn die Städte für viele dieser Leistungen bereits Gebühren und Beiträge erheben, zum Beispiel Müllgebühren, Abwassergebühren oder Erschließungsbeiträge. Aber daraus folgt nicht, dass die Höhe der Grundsteuer vom Wert der Immobilie abhängig sein sollte. Die Kosten kommunaler Leistungen sind in der Regel eher von der Grundstücksgröße oder der Anzahl der in einem Haus lebenden Menschen abhängig. Der Grundstückswert ist dafür nicht entscheidend.

Wenn es keine überzeugende Begründung für eine Bemessung der Grundsteuer an Immobilienwerten gibt, sollte man sich fragen, was den unter dem Aspekt der Einfachheit und der Vermeidung überflüssiger Verwaltungskosten sinnvoll ist. Hier schneidet die auf Marktwerten beruhende Grundsteuer schlecht ab. Für die insgesamt rund 35 Millionen Grundstücke in Deutschland müssten regelmäßig Marktwerte bestimmt werden. Selbst bei pauschalierten Verfahren ist das großer Aufwand. Bei rund 35 Millionen Grundstücken bedeutet ein Steueraufkommen von 14 Milliarden Euro, dass pro Grundstück rund 400 Euro Steuern pro Jahr erhoben werden. Der Aufwand für die Bewertung aller 35 Millionen Grundstücke einschließlich darauf befindlicher Gebäude wäre gewaltig, selbst wenn man ein stark pauschalierendes Verfahren anwendet wie etwa den sogenannten Kostenwert, der sich an den Herstellungskosten der Gebäude orientiert. Fachleute rechnen damit, dass es zehn Jahre dauern wird, bis der Prozess der erstmaligen Bewertungen abgeschlossen ist. Ob die vom Bundesverfassungsgericht nun gesetzte Frist bis 2024 ausreicht, ist zweifelhaft.

Deshalb sollte man für die Grundsteuer eine Bemessungsgrundlage verwenden, die einfacher zu ermitteln ist. Geeignet wäre eine Kombination aus Grundstücks-, Wohn- und Nutzfläche. Dafür reicht eine einmalige Bestimmung, Anpassungen wären nur bei baulichen Veränderungen nötig. Man könnte Milliarden an Bewertungskosten einsparen und endlosen Streit über die richtigen Steuerwerte vermeiden.

Wenn es dennoch politische Kräfte gibt, die eine wertbasierte Grundsteuer wollen, dann könnte das zwei Gründe haben. Erstens wird eine solche Steuer wohl dazu führen, dass wirtschaftlich starke Bundesländer mit hohen Immobilienpreisen mehr in den Länderfinanzausgleich einzahlen müssen. Empfängerländer würden davon profitieren, Bayern und Baden-Württemberg wären die Verlierer. Zweitens könnte die Erfassung der Immobilienwerte ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer allgemeinen Nettovermögensteuer sein. Diese Nebenwirkungen sollten ein weiterer Grund sein, der einfachen, flächenbasierten Grundsteuer den Vorzug zu geben.

Clemens Fuest
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen unter dem Titel „Willkürliche Lastenverteilung“, Handelsblatt, 11. April 2018, S. 48.

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Clemens Fuest
ifo Institut, München, 2018
ifo Standpunkt Nr. 195
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