Stellungnahme -

ifo Standpunkt Nr. 209: Die Reform der Grundsteuer droht zu misslingen

13.11.2019

Die Debatte um die Grundsteuer geht in die letzte Runde. Sie hat sich auf zwei Konzepte konzentriert: eine flächenbasierte und eine wertbasierte Steuer. Letztlich hat man sich auf eine wertbasierte Bemessungsgrundlage geeinigt. Den Steuerzahlern soll aber eine aufwändige Einzelbewertung der Immobilien erspart werden. Außerdem können Bundesländer, die eine Flächensteuer vorziehen, von der bundeseinheitlichen Lösung abweichen. Im Prinzip ist diese Lösung ein kluger Kompromiss.

Bild Clemens Fuest für Standpunkte

Missglückte Umsetzung

Die Umsetzung ist allerdings gründlich danebengegangen. Das hat zwei Gründe.

  1. Trotz der Bemühung um Vereinfachung hat man ein schlechtes Bewertungsverfahren gewählt. Es ist unnötig kompliziert und torpediert erstaunlicherweise zentrale Anliegen einer wertbasierten Steuer.
  2. Der Vorteil der Öffnungsklausel – Vereinfachung durch Verwendung einer Flächensteuer – wird durch Regelungen des Finanzausgleichs ins Gegenteil verkehrt.

Für jedes Gebäude wird für die verbleibende Nutzungsdauer ein Wert bestimmt. Während dieser Zeit geht man davon aus, dass der Bodenwert Teil der Miete ist. Für die Zeit danach zählt nur noch der abgezinste Bodenwert. Je länger die Nutzungsdauer des Gebäudes, desto stärker wird abgezinst, und desto weniger beeinflusst der Bodenwert die Höhe der Grundsteuer. Für den Bodenwert zieht man Bodenrichtwerte heran. Deren Eignung ist umstritten, aber immerhin sind sie einfach verfügbar. Das Problem liegt nun in der Bestimmung des Gebäudewerts während der Nutzungsdauer. Die Berechnung ist trotz Pauschalierung kompliziert. Es wird nach Grundstücksarten, Baujahrgruppen und Wohnflächengruppen unterschieden. Hinzu kommt eine Mietniveauunterscheidung zwischen verschiedenen Typen von Gemeinden. Die erstaunlichste Eigenschaft des Verfahrens liegt nun aber darin, dass es keine Rolle spielt, ob sich ein Gebäude in einer zentralen oder bevorzugten Wohnlage befindet oder am Stadtrand. Den Befürwortern der wertbasierten Grundsteuer ging es aber gerade darum, dass innerhalb von Gemeinden teure Immobilien belastet und weniger wertvolle Immobilien in schlechteren Lagen entlastet werden. Das erreicht die neue Grundsteuer kaum. Nur die Bodenrichtwerte wirken in diese Richtung, aber die spielen wegen der langen Nutzungsdauer von Gebäuden eine untergeordnete Rolle.

Mehr Gerechtigkeit durch neue Bewertung?

Ob eine auf Immobilienwerten basierende Grundsteuer gerechter als eine Flächensteuer ist, bleibt umstritten. Die Grundsteuer ist eine Objektsteuer, bei der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Nutzer der Immobilie gefragt wird. Es besteht allenfalls ein statistischer Zusammenhang zwischen dem Wert von Immobilien pro Quadratmeter und dem durchschnittlichen Einkommen des Nutzers. Umstritten ist, ob das reicht, um den erheblichen Aufwand der Immobilienbewertung zu rechtfertigen. Mit Sicherheit aber nicht zu rechtfertigen ist ein pauschaliertes, jedoch noch immer aufwändiges Bewertungsverfahren, das den wichtigsten Grund für Wertunterschiede – zentrale oder periphere Lagen innerhalb einer Stadt – weitgehend ausblendet.  Die geplante Grundsteuerbewertung führt zu einer Art Pseudogerechtigkeit bei der Lastenverteilung, die mit einer Belastung nach tatsächlichen Immobilienwertverhältnissen kaum zu tun hat.

Zu viel Aufwand für den Ausgleich zwischen den Ländern

Der zweite Fehler der geplanten Reform liegt im Umgang mit Bundesländern, die abweichen. Sie können eine flächenbasierte Grundsteuer wählen. Nun sollen sie gezwungen werden, bei allen Immobilien zwei Bemessungsgrundlagen bestimmen zu lassen. Erstens die Fläche für die tatsächliche Erhebung der Grundsteuer, und zweitens den pauschalierten Immobilienwert. Letzteres soll für Zwecke des Finanzausgleichs bestimmen, wie viel Grundsteuer das Land hätte erheben können, wenn es die Öffnungsklausel nicht genutzt hätte. Für die Bürger ist diese Doppelbelastung unzumutbar. Die Zahlungen im Finanzausgleich müssen und können einfacher berechnet werden.

Die Zeit drängt, aber die politischen Entscheidungsträger sollten noch einmal ansetzen und als Bemessungsgrundlage eine direkte Kombination aus Bodenrichtwerten und Gebäudeflächen wählen. Für davon abweichende Bundesländer lässt sich dann ohne weitere Belästigung der Bürger ihr Beitrag zum Finanzausgleich berechnen. Die Politik hätte damit den entscheidenden Faktor für Wertunterschiede zwischen Immobilien berücksichtigt und endlich einmal eine Chance zur Vereinfachung des Steuersystems genutzt.

 

Clemens Fuest
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen unter dem Titel „Reform mit Mängeln“, in Handelsblatt, 21. Oktober 2019, S. 48.

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Clemens Fuest
ifo Institut, München, 2019
ifo Standpunkt Nr. 209
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Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest

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