Stellungnahme -

ifo Standpunkt 237: Acht Gründe, warum eine Übergewinnsteuer keine gute Idee ist

Derzeit mehren sich Forderungen, die steigenden Gewinne von Energieunternehmen mit einer Sondersteuer zu belegen, die auch als Übergewinnsteuer bezeichnet wird. Den Unternehmen wird vorgeworfen, vom Krieg, der zu einer Verknappung des Energieangebotes und stark steigenden Preisen geführt habe, zu profitieren. Einige Politiker heizen die Stimmung an, indem sie von „Kriegsgewinnlern“ und einer „Steuer auf Gier“ sprechen.

Bild Clemens Fuest für Standpunkte

Historische Vorbilder für Sondersteuern auf Unternehmensgewinne finden sich während der beiden Weltkriege. Damals wurden etwa in den USA und Großbritannien Steuern erhoben, um kriegsbedingte Gewinne abzuschöpfen und zur Deckung der Kriegslasten beizutragen.

Steuer für Krisengewinner: Vorbild Italien?

Ist es auch im Fall weniger gravierender Krisen sinnvoll, Sondersteuern auf Gewinne von Unternehmen zu erheben, die von Krisen profitieren? In Italien ist kürzlich eine Sondersteuer auf Energieunternehmen eingeführt worden. Sie bezieht sich allerdings primär auf die Monate vor dem Ukraine-Krieg, als die Energiepreise bereits anzogen. Dort wird nicht der Gewinn besteuert, sondern der Zuwachs an Wertschöpfung. Die Wertschöpfung ist die Differenz zwischen Umsätzen und Ausgaben für Vorleistungen. Lohnzahlungen sind also ebenso wie Gewinne in der Bemessungsgrundlage enthalten. Verglichen wird die Wertschöpfung im Zeitraum 1. Oktober 2021 bis 31. März 2022 mit jener im gleichen Zeitraum ein Jahr davor. Die Differenz wird mit einem Steuersatz von 10% belegt, allerdings nur, wenn der Zuwachs mindestens 10% beträgt und 5 Mio. Euro übersteigt.

Acht Gründe gegen eine Übergewinnsteuer

Sollte Deutschland dem folgen? Aus folgenden Gründen ist das keine gute Idee:

1. Gewinne von Unternehmen, die von der aktuellen Krise profitieren, werden in Deutschland bereits besteuert, zunächst in Höhe von etwa 30%, bei Ausschüttung auf die Aktionäre steigt die Gesamtbelastung auf rund 48%. Wer hohe Gewinne macht, zahlt auch hohe Steuern und umgekehrt. Warum eine zusätzliche Steuer notwendig oder fair sein soll, ist unklar.

2. Auf den ersten Blick erscheint es zumindest fiskalisch attraktiv, Unternehmen mit einer Sondersteuer zu überraschen, weil sie dieser Steuer nicht mehr ausweichen können. In Italien wirkt die Steuer sogar rückwirkend. Tatsächlich hat ein solcher Schritt aber zur Folge, dass die Unsicherheit im Steuerrecht steigt. Investoren für die Zukunft einpreisen, dass sie jederzeit mit einer Sondersteuer überrascht werden können. Die deutschen Unternehmensteuern sind im internationalen Vergleich bereits sehr hoch. Eine zusätzliche Übergewinnsteuer würde es noch weniger attraktiv machen, in Deutschland zu investieren.

3. Die Aussicht auf knappheitsbedingt hohe Gewinne ist ein wichtiger Anreiz für Unternehmen, aufziehende Versorgungskrisen zu erkennen und vorzusorgen. Dieses Vorsorgen wird zwar gern als Spekulation verunglimpft, ist aber gesamtgesellschaftlich sehr nützlich, weil andernfalls die Versorgungsprobleme im Krisenfall noch größer wären. Hohe Gewinne führen außerdem dazu, dass andere Unternehmen in den Markt eintreten. Dadurch verbessert sich das Angebot, und Preise sowie Gewinne sinken wieder. Sondersteuern beeinträchtigen diese Marktsignale.

4. Den Energieunternehmen wird vorgeworfen, es sei unmoralisch, vom Krieg in der Ukraine zu profitieren. Aber die Energiepreise sind schon vor dem Ukraine-Krieg stark gestiegen – für die Gewinne der Energieunternehmen ist dieser Faktor vermutlich wichtiger als der Ukraine-Krieg. Unabhängig davon divergieren die Meinungen darüber, welche Geschäfte moralisch mehr oder weniger wertvoll sind, auch deshalb ist es nicht sinnvoll, auf dieser Basis Sondersteuern zu erheben.

5. Dass die Energiepreise gestiegen sind, hat auch damit zu tun, dass in den letzten Jahren vor allem Unternehmen aus westlichen Staaten immer weniger in die Förderung fossiler Brennstoffe investiert haben, unter anderem deshalb, weil der politische Druck groß war, diese Investitionen abzubauen. Den Unternehmen, die Knappheiten vorausgesehen, das Risiko auf sich genommen und investiert haben, trotz des entgegengesetzten politischen Drucks, sollte man nun keine Vorwürfe machen. Die Gewinne sind insofern verdient, als ohne diese Investitionen die Knappheit noch größer wäre.

6. Steuersysteme machen die Steuerlast in der Regel nicht davon abhängig, warum Einkommen oder Gewinn erzielt wurde oder ob Gewinne eher aus Gier oder aus edleren Motiven erwirtschaftet wurden. Tatsächlich werden Gewinne aus vielen Gründen erzielt – Gewinne können entstehen, weil ein Unternehmen zufällig ein Produkt herstellt, dass plötzlich stark gefragt ist – das galt beispielsweise für Hersteller von Gesichtsmasken beim Ausbruch der Corona-Pandemie oder für Online-Händler. Gewinne werden aber auch erwirtschaftet, weil Unternehmen hart gearbeitet und Risiken auf sich genommen haben, um ihre Kunden mit Produkten versorgen zu können, die ihnen besonders wichtig sind. Gewinne können auch anfallen, weil Unternehmen Kartelle bilden. Dann verstoßen sie allerdings gegen Gesetze und müssen zwar keine Sondersteuern zahlen, aber sie müssen mit Strafen rechnen und eventuell Schadensersatz leisten.

7. Gewinne werden meistens über alle Sektoren hinweg einheitlich besteuert. Es gibt Ausnahmen, etwa bei erdölfördernden Unternehmen in Großbritannien, aber diese Ausnahmen sind nicht zeitlich begrenzt und haben mit besonderen Rechten und Pflichten dieser Firmen zu tun. Das aktuelle Gerechtigkeitsempfinden oder die besonderen Interessen einzelner Politiker, Parteien oder öffentliche Stimmungen sind für die Besteuerung nicht maßgeblich. Gleichbehandlung aller Steuerzahler ist wichtig, um sie vor ungerechter Belastung und Willkür zu schützen.

8. Widersprüchlich ist es im Übrigen, zunächst die Gewinne der Mineralölkonzerne durch die Benzinsteuersenkung in die Höhe zu treiben und dann zu verlangen, die Gewinne mit anderen Steuern wieder abzuschöpfen.

Finger weg von steuerpolitischer Stimmungsmache

Dass in einer Extremsituation wie den beiden Weltkriegen vor allem Rüstungsunternehmen erhöhter Besteuerung unterworfen wurden, ist nachvollziehbar. Die heutige Lage Deutschlands ist damit jedoch nicht vergleichbar. Technisch ist es möglich, Sondersteuern auf Energieunternehmen zu erheben, wie der Fall Italiens zeigt. Die Steuer würde die Rahmenbedingungen für künftige Investitionen in Deutschland aber verschlechtern und eine Welle von Gestaltungen zur Vermeidung derartiger Sondersteuern nach sich ziehen. Die verbreitete Behauptung, eine solche Abgabe diene der Steuergerechtigkeit, ist irreführend. Sie wäre eher ein Ausdruck von Willkür. Warum hat man Hersteller von Covid-Impfungen oder Digitalunternehmen, die von der Corona-Pandemie profitiert haben, keiner Sondersteuer unterworfen? Warum nicht zumindest Bau- und Möbelmärkte oder Fahrradhersteller, die ebenfalls profitiert haben? Sondersteuern zu erheben, wenn Knappheiten entstehen und es populär ist, gegen die Anbieter der betroffenen Produkte Stimmung zu machen, ist mit gerechter und effizienter Steuerpolitik unvereinbar. Deutschland sollte davon die Finger lassen.


Clemens Fuest
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen unter dem Titel “Warum eine Übergewinnsteuer keine gute Idee ist“, Handelsblatt, 10. Juni 2022

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Clemens Fuest
ifo Institut, München, 2022
ifo Standpunkt Nr. 237
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