Stellungnahme -

ifo Standpunkt 246: Das aktuelle Bankenbeben: Woher kommt es, und was sollte die Politik tun?

Die Krisen der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse haben die Finanzwelt erschüttert. Während Politiker und Notenbanken beschwichtigen, kommen die Märkte nicht zur Ruhe. Banken, die eben noch gesund schienen, geraten in Liquiditätsprobleme. Die Zinserhöhungen der Notenbanken sind ein wichtiger Treiber der Krise. Sie führen dazu, dass zuvor durch expansive Geldpolitik aufgeblähte Marktwerte von Anleihen und anderen langfristigen Vermögensanlagen wie Immobilien und Aktien fallen. Gleichzeitig steigen die kurzfristigen Zinsen stärker als die langfristigen. Das führt dazu, dass die Banken den Kontoinhabern entweder höhere Einlagenzinsen gewähren oder damit rechnen müssen, dass zumindest die aufgeweckteren Anleger ihre Gelder abziehen und zu besseren Konditionen woanders anlegen. 

Bild Clemens Fuest für Standpunkte

Vertrauen darauf, dass Banken zahlungsfähig sind, ist für Finanzstabilität entscheidend. Aber es ist fragil. Wenn auch nur der Verdacht entsteht, dass eine Bank nicht alle Abhebungen von Kunden bedienen kann, weil sie das Geld langfristig angelegt hat, besteht die Gefahr eines Bank-Runs. Für einen solchen Run reicht es, wenn die Kunden ihrer Bank nicht mehr vertrauen, weil sie glauben, dass andere Kunden das nicht tun. Da die Banken die Gefahr kennen, stellen sie in solchen Fällen auch untereinander die Kreditvergabe ein. Ein solcher Run ist aus der Sicht jedes einzelnen Kunden rational, weil diejenigen, die zuerst ihr Geld abziehen, noch bedient werden. Den Letzten beißen die Hunde. Kollektiv ist ein Bank-Run aber irrational, weil er eine prinzipiell solide Bank in die Zahlungsunfähigkeit treiben kann und die Kunden sich gegenseitig schädigen. 

Nie wieder sollten Bankenpleiten Wirtschaftskrisen auslösen

Politiker und Notenbanker versuchen verständlicherweise, Bankkunden und die Akteure an den Finanzmärkten zu beruhigen. Sie sagen, die Banken seien solide, man habe aus der Finanzkrise gelernt und die Regulierung so verändert, dass die Banken mehr Eigenkapital haben und insgesamt weniger krisenanfällig seien. Es hieß, nie wieder sollten Bankenpleiten Wirtschaftskrisen auslösen und die Steuerzahler mit Bankenrettungen belasten. Bei Credit Suisse musste der Staat trotzdem einspringen und Verluste absichern. Offenbar haben die Vorkehrungen nicht gereicht.

In der Tat sind die Verbesserungen überschaubar. Zum Beispiel dürfen Banken nach wie vor in großem Umfang Staatsanleihen erwerben, ohne dafür Eigenkapital bereitzustellen. Staatsanleihen werden als risikolos angesehen, obwohl sie es nicht sind, wie die derzeit fallenden Kurse zeigen. Wissenschaftliche Studien über die Solidität des Bankensystems berechnen Konkurswahrscheinlichkeiten und messen das Kapital, das im Krisenfall für Haftung zur Verfügung steht. Dabei zeigen sich durchaus Verbesserungen. Ob sie in realen Krisen ausreichen, ist aber fraglich. 

Als haftendes Kapital wird nicht nur herkömmliches Eigenkapital betrachtet. Auch bei bestimmten Formen von Fremdkapital ist vorgesehen, dass die Gläubiger Verluste tragen, wenn es nötig ist. Bei derartigen Instrumenten ist das Risiko aber größer, dass es Ansteckungseffekte gibt. Die Haftung von Anleihen in Höhe von 17 Mrd. Euro bei Credit Suisse hat an den Finanzmärkten beispielsweise für viel Unruhe gesorgt.  

Strengere Eigenkapitalverpflichtungen sind ein wichtiger Teil der Lösung

Eine bessere Ausstattung mit hartem Eigenkapital bedeutet noch nicht, dass eine Bank einer Liquiditätskrise oder gar einem Bank-Run besser widerstehen kann. Denn sie sagt nichts darüber aus, wie liquide die Aktiva der Bank sind. Dennoch hilft mehr Eigenkapital auch hier. Erstens stärkt eine höhere Eigenkapitalquote das Vertrauen der Bankkunden, dass sie selbst im Fall von Liquiditätsproblemen ihr Geld irgendwann bekommen. Insofern senkt sie die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt zu einem Bank-Run kommt. Zweitens reduziert mehr Eigenkapital das Risiko, dass staatliche Liquiditätshilfen am Ende zu Verlusten führen, die der Steuerzahler tragen muss. Sie erleichtert es daher, Liquiditätshilfen zu gewähren.

Insgesamt gehört das Risiko von Liquiditätskrisen zum Bankengeschäft, soweit es darin besteht, kurzfristige Anlagen entgegenzunehmen und das Geld langfristig zu verleihen. Dieses Risiko lässt sich durch Liquiditätsregulierungen eindämmen. Ganz aus der Welt schaffen lässt es sich nicht, denn Fristentransformation hat durchaus eine ökonomische Funktion. Ein staatlicher „Lender of Last Resort“ – in der Regel die Notenbank – ist zur Absicherung gegen Liquiditätsrisiken letztlich unentbehrlich. Das Risiko, dass Liquiditätskrisen zu Bankenpleiten mit  Verlusten für die Steuerzahler führen, kann durch striktere Eigenkapitalanforderungen allerdings minimiert werden. Deshalb sollte die Politik hier nachlegen, wenn auch nicht sofort, sondern dann, wenn diese Krise überstanden ist. 

Die Notenbanken stehen vor einem Dilemma

Verschiedentlich wird verlangt, die Notenbanken sollten die geplanten weiteren Zinserhöhen verringern oder ganz aussetzen. Das ist insofern berechtigt, als die Verschlechterung der Finanzierungsspielräume der Banken die Konjunktur ähnlich wie eine Zinserhöhung eher dämpfen dürfte, was auch den Inflationsdruck reduziert.  

Zugleich stehen die Notenbanken vor einem Dilemma, was ihre Reaktion auf das Bankenbeben angeht. Eine allzu plötzliche Kehrtwende in der Zinspolitik würde das Signal geben, dass die Notenbanken die Finanzstabilität bedroht sehen, was für sich genommen das Vertrauen weiter beeinträchtigen kann. Außerdem könnte der Eindruck entstehen, dass die Notenbanken bei der Inflationsbekämpfung Kompromisse machen, um die Finanzstabilität zu wahren. Das könnte die Inflationserwartungen im privaten Sektor in die Höhe treiben. In diesem Dilemma war es richtig, dass die Notenbanken die Zinserhöhungen der letzten Tage wie geplant umgesetzt haben, gleichzeitig aber darauf hingewiesen haben, dass weitere Zinsschritte von der wirtschaftlichen Entwicklung in den kommenden Monaten abhängig sein werden. 

Clemens Fuest
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen unter dem Titel „Bankenbeben: Was die Politik tun sollte“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. März 2023
 

ifo Standpunkt
Clemens Fuest
ifo Institut, München, 2023
ifo Standpunkt Nr. 246
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