Ökonomenpanel von ifo und FAZ

Wie beeinflusst Corona die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands?

Vor gut einem Jahr, am 27. Januar 2020, wurde in Deutschland der erste Fall von SARS-CoV-2 diagnostiziert. Seitdem kämpft die Politik gegen die drastischen Folgen der Pandemie an, auch in Form der mittlerweile etablierten Bund-Länder-Konferenzen. Am 10. Februar 2021 fand nun das bis dato letzte Treffen zwischen Bund und Ländern statt. Dabei wurde der Lockdown verlängert und die Inzidenz von 50 auf 35 gesetzt: Erst ab diesem Wert kommt es zu weiteren Lockerungen, insbesondere im Bereich des Einzelhandels. Das 33. Ökonomenpanel von ifo und FAZ beschäftigt sich mit der aktuellen Corona-Politik und den Zukunftsperspektiven für Deutschland. Teilgenommen haben 177 Professor*innen an deutschen Universitäten

Ökonom*innen unzufrieden mit der aktuellen Corona-Wirtschaftspolitik

Fast die Hälfte der teilnehmenden Ökonom*innen ist „eher unzufrieden“ oder „sehr unzufrieden“ mit der aktuellen Corona-Wirtschaftspolitik in Deutschland. Als Gründe werden vor allem genannt, dass die Maßnahmen nicht verhältnismäßig seien, die Politik zu langsam und unflexibel reagiere und keine (Öffnungs-)Perspektiven entwickelt würden. Auch wird bemängelt, dass die Hilfen zu bürokratisch seien und die Impfstrategie bisher weitgehend versagt habe. Rund 30% antworten mit „teils-teils“, schließt sich aber meist den genannten negativen Punkten an. „Eher zufrieden“ mit der aktuellen Corona-Wirtschaftspolitik sind 20% der teilnehmenden Ökonom*innen, 2% sind sogar „sehr zufrieden“. Die Maßnahmen seien ex ante angemessen und ausgewogen gewesen und es sei gelungen, einen katastrophalen Einbruch der Produktion und eine ebensolche Insolvenzwelle zu verhindern.

Infografik Ökonomenpanel Februar 2021, Corona-Wirtschaftspolitik

Verbindlicher Stufenplan am beliebtesten, sofortige Lockerungen werden negativ bewertet

Im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland beurteilen die teilnehmenden Ökonom*innen einen verbindlichen Stufenplan für Lockerungen nach gemessener Inzidenz am positivsten. Rund 55% sehen diese Strategie „eher positiv“ oder „sehr positiv“. Nur ein knappes Viertel beurteilt diese Strategie „eher negativ“ oder „sehr negativ“. Auf Platz zwei folgt eine Strategie, die große Parallelen zu NoCovid aufweist und Lockerungen erst dann vorsieht, wenn die regionalen Gesundheitsämter neue Infektionsfälle verlässlich und schnell nachverfolgen können. Rund die Hälfte der teilnehmenden Ökonom*innen beurteilt diese Strategie „eher positiv“ oder „sehr positiv“. 30% bewerten sie „eher negativ“ oder „sehr negativ“. Lockerungen für den Einzelhandel bei einer gemessenen Inzidenz unter 35 erhalten ähnlich hohe Zustimmungswerte wie weitreichendere Lockerungen: auch für Kultureinrichtungen, die Gastronomie und das Gastgewerbe bei derselben Inzidenz. Jeweils 43% der teilnehmenden Ökonom*innen beurteilen die Strategien als „eher positiv“ oder „sehr positiv“. Gleichzeitig treffen weitreichendere Lockerungen über den Einzelhandel hinaus auf Ablehnung. Auf starke Ablehnung stoßen sofortige und umfängliche Lockerungen. Zwar sehen jeweils gut 10% der teilnehmenden Ökonom*innen diese Strategie „eher positiv“ oder „sehr positiv“, allerdings wird sie von rund einem Viertel „eher negativ“ beurteilt und von knapp der Hälfte sogar als „sehr negativ“.

Um die Corona-Pandemie effektiv zu bekämpfen fordern die teilnehmenden Ökonom*innen zudem eine massive Ausweitung der Teststrategie, einen gezielteren Schutz der Risikogruppen und eine Abkehr von Inzidenzwerten als einziges Kriterium für Öffnungen.

Infografik Ökonomenpanel Februar 2021, Corona-Strategien

Herabsetzung des Inzidenzwertes von 50 auf 35 spaltet die Ökonom*innen

Knapp die Hälfte bewertet sie positiv, 41% bewerten sie negativ: Die Herabsetzung des gemessenen Inzidenzwertes von 50 auf 35 für weitere Lockerungen. Ein Fünftel der Ökonom*innen beurteilt die Herabsetzung als „sehr positiv“ und 29% als „eher positiv“. Sie begründen dies mit der besseren Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten, der hohen Unsicherheit beim zukünftigen Infektionsgeschehen durch die Mutanten. Jeweils rund 20% sehen die Herabsetzung „eher negativ“ oder „sehr negativ“. Sie meinen, dass der neue Inzidenzwert willkürlich, unbegründet und daher nicht nachvollziehbar sei und eine langfristige Perspektive fehle. Folglich sinke die Unterstützung der Maßnahmen in der Bevölkerung. Knapp 10% der teilnehmenden Ökonom*innen stehen der Herabsetzung des Inzidenzwertes für weitere Lockerungen neutral gegenüber.

Infografik Ökonomenpanel Februar 2021, Neuer Inzidenzwert 35

Große Zustimmung für die Ausweitung der Teststrategie

Die angekündigte Ausweitung der Teststrategie wird von den teilnehmenden Ökonom*innen stark befürwortet. „Sehr positiv“ werden zusätzliche Tests von 52% beurteilt, zusätzlich sieht ein gutes Viertel die Ausweitung „eher positiv“. Ein besserer Überblick über das Infektionsgeschehen durch vermehrte Testungen erlaube weitreichendere Lockerungen. Somit stelle die Teststrategie einen wichtigen Baustein in der Pandemie-Bekämpfung dar. In Teilen wird die bisherige Teststrategie auch als unzureichend bewertet. Für viele kommt die Ausweitung der Testungen zu spät. Ein Zehntel beurteilt die Maßnahme neutral und warnt vor zu hohen Erwartungen. Eine kleine Anzahl der teilnehmenden Ökonom*innen sieht die Ausweitung der Teststrategie „eher negativ“ (4%) oder „sehr negativ“ (2%).

Infografik Ökonomenpanel Februar 2021, Teststrategien

Folgen sofortiger Öffnungen für die Unternehmen unklar

Rund 35% der teilnehmenden Ökonom*innen meinen, dass eine sofortige und vollumfassende Aufhebung des Lockdowns die Anzahl von Unternehmensinsolvenzen reduzieren würde. Dadurch könnte kurzfristig Geld in die Kasse der Unternehmen gespült werden: so wirke man den dünner werdenden Kapitalreserven entgegen. 43% sind der Meinung, dass dies nicht die richtige Strategie sei, da die negativen Effekte einer drohenden dritten Welle den Unternehmen einen größeren Schaden zufügen würde. Für eine hohe Unsicherheit spricht die große Zahl an „Weiß nicht“-Antworten (22%).

Infografik Ökonomenpanel Februar 2021, Unternehmensinsolvenzen

Prämien für zusätzlichen Impfstoff werden positiv beurteilt

Die teilnehmenden Ökonom*innen befürworten Zahlungen von Prämien an Impfstoffhersteller für zusätzlichen, schneller gelieferten Impfstoff. „Sehr positiv“ werden die Prämien von 45% beurteilt, zusätzlich sieht ein gutes Fünftel eine Ausweitung „eher positiv“. Durch die Zahlung von Prämien würden Anreize geschaffen, zusätzliche Produktionskapazitäten für Impfstoffe aufzubauen. Außerdem überwiege der Nutzen einer zusätzlichen Impfdosis die Kosten. Rund 16% beurteilen die Maßnahme neutral, da die Profite in der Branche ohnehin hoch seien und die Anreizwirkung zwar grundsätzlich in Ordnung gehe, Deutschland allerdings eine nationalistische Strategie vorgeworfen werde könnte. „Sehr positiv“ werden die Prämien von 45% beurteilt, und gut ein Fünftel sieht sie „eher positiv“. Als Begründung führen sie an, dass die Produktion nicht kurzfristig steigerbar sei und Prämien zu (globalen) Verteilungskämpfen führen würden.

Infografik Ökonomenpanel Februar 2021, Prämien für zusätzlichen Impfstoff

Eine Vergemeinschaftung von Patenten wird mehrheitlich abgelehnt

„Eher negativ“ beurteilt ein knappes Drittel der teilnehmenden Ökonom*innen eine Vergemeinschaftung von Patenten in Verbindung mit Kompensationszahlungen an Patent-Inhaber mit dem Ziel einer schnelleren Impfstoffproduktion. Ein Viertel sieht das sogar „sehr negativ“. Mit einer Vergemeinschaftung von Patenten würden langfristig negative Anreize für Investitionen in Forschung und Entwicklung gesetzt. Demgegenüber beurteilen 11% der teilnehmenden Ökonom*innen die Maßnahme als „sehr positiv“. Weitere 13% sehen sie als „eher positiv“ und begründen das mit der Hoffnung, Produktionsengpässen so besser entgegenwirken zu können. Ein gutes Zehntel bewertet die Vergemeinschaftung von Patenten neutral.

Infografik Ökonomenpanel Februar 2021, Vergemeinschaftungen von Impfstoff-Patenten
Aufsatz in Zeitschrift
Klaus Gründler, Justus Mänz, Niklas Potrafke, Fabian Ruthardt
ifo Institut, München, 2021
ifo Schnelldienst, 2021, 74, Nr. 03, 59-62
Kontakt
Prof. Dr. Niklas Potrafke

Prof. Dr. Niklas Potrafke

Leiter des ifo Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie
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+49(0)89/907795-1319
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