Gastbeitrag

Wie Homeoffice die Produktivität der Beschäftigten verbessert

Jean-Victor Alipour

Das Arbeiten von zu Hause hat nach Corona keineswegs ausgedient, meint Jean-Victor Alipour . Der Kulturwandel sei nicht aufzuhalten. Die Frage laute nur, wie Homeoffice integriert werden kann.


Quelle:
Handelsblatt

„Get off your work from home bullshit“, fordert Elon Musk angriffslustig. Und Trigema-Chef Wolfgang Grupp erklärt kurzerhand: „Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig.“ Solche Provokationen zum Thema Homeoffice haben Konjunktur. Und oft sind sie von Berichten flankiert, dass namhafte Firmen ihre Beschäftigten ins Büro zurückholen. Doch hängt das Homeoffice wirklich in den Seilen?

Auswertungen des Ifo-Instituts zeigen: Aktuell arbeiten 25 Prozent der Beschäftigten zumindest teilweise von zu Hause aus. Der Wert ist seit April 2022, kurz nach Ende der Homeoffice-Pflicht, konstant. Zudem bieten fast 20 Prozent aller Stellenanzeigen eine Option auf Homeoffice - ein Rekordhoch!

Fakt ist: Homeoffice ist eine wertvolle Annehmlichkeit, vergleichbar mit einer Lohnerhöhung um acht Prozent. Dennoch geht unter Arbeitgebern besonders die eine Sorge um: dass Homeoffice die Produktivität verschlechtert.
Doch was ist der Stand der Forschung zur Produktivitätsfrage? Feiert das Büro bald sein Comeback?

Homeoffice in Vollzeit ist langfristig ein Produktivitätskiller

Als Corona Millionen Menschen in ihre Heimbüros zwang, bot das ein „natürliches“ Experiment, um die Folgen für die Produktivität zu messen. Und die waren nicht gut. Die Studienlage zeichnet hier ein klares Bild: Eine Studie beispielsweise untersuchte IT-Fachleute eines indischen Tech-Unternehmens, die vollständig ins Homeoffice wechseln mussten.

Die Folge: schwächere Leistung bei steigenden Arbeitsstunden. Das galt besonders für unerfahrene Entwickler, die zu Hause schlechter von Kollegen lernen und sich abstimmen konnten.

Was die Ergebnisse allerdings auch beeinflusste: Sie spiegeln natürlich ebenso die Widrigkeiten der Krise und den abrupten Wandel der Arbeitswelt wider.

Dennoch – das Vollzeit-Homeoffice ist auch langfristig ein Produktivitätskiller. Schon in der Fachliteratur ist ausführlich belegt, wie wichtig physische Nähe zu anderen für die Entwicklung der eigenen Fähigkeiten ist. Im Büro ist es leichter, Arbeitsabläufe der Kollegen nachzuahmen oder spontan um Hilfe zu bitten.

Nicht so im Homeoffice: Den Studien zufolge stärkt das Homeoffice zwar den internen Austausch von Teams. Dafür leidet die teamübergreifende Kommunikation. In Experimenten entwickelten virtuelle Teams weniger kreative Ideen. Die Erkenntnis: Homeoffice behindert den spontanen, informellen Austausch und so langfristig Innovation.

Firmen müssen teure Lohnprämien anbieten, wenn sie Homeoffice verbieten wollen

Müssen wir das Homeoffice also abschreiben? Nein. Denn Zwangsversetzungen ins Vollzeit-Homeoffice sind heute hinfällig. Außerdem wünschen sich die meisten Beschäftigten auch einige Bürotage. Zahlreiche Feldstudien zeigen: Bereits wenige Präsenztage pro Woche genügen, um Produktivitätsverluste vollständig auszugleichen.

In einem Feldexperiment mit Callcenter-Beschäftigten wurde die Homeoffice-Gruppe vier Tage pro Woche nach Hause geschickt und kam einen Tag für Schulungen und Meetings ins Büro. Daraufhin stieg ihre Produktivität um 13 Prozent. Kündigungen sanken sogar um 50 Prozent infolge gestiegener Job-Zufriedenheit.

Ein weniger beachtetes Ergebnis der Studie: Als nach dem Experiment ein Homeoffice-Angebot für alle eingeführt wurde, kehrte die Hälfte der Homeoffice-Gruppe freiwillig ins Büro zurück. Die Rückkehrer hatten ihre Leistung zu Hause am wenigsten steigern können. Dadurch stieg die Produktivität der zu Hause Arbeitenden um weitere neun Prozentpunkte.

Entscheidend für die Frage der Produktivität ist also, wer ein Homeoffice-Angebot annimmt und für wen es am besten geeignet ist. Ob diese „Selbstselektion“ stets produktivitätssteigernd wirkt, ist umstritten. Klar ist: Firmen müssen schmerzhafte Lohnprämien anbieten, wenn sie das Arbeiten von zu Hause verbieten wollen. Der Fachkräftemangel verstärkt den Druck.

Zweifellos – Homeoffice ist kein Selbstläufer. Ausschlaggebend für den Erfolg ist Koordination. Junioren profitieren vom Büro nur, wenn Senioren auch präsent sind. Büros werden also nicht abgeschafft. Ihre Funktion muss sich allerdings ändern – hin zu einem Ort der Begegnung. Das Management ist verantwortlich, organisatorisch und technologisch umzurüsten. Kurz: Es geht um Kulturwandel. Die vermeintliche Rückabwicklung von Homeoffice in vielen Firmen spiegelt genau solche Ansätze wider.

Der Tech-Boom bekräftigt den Wandel: Seit 2019 haben sich Patente im Bereich „remote Zusammenarbeit“ fast verdreifacht. Start-ups setzten verstärkt auf Bürolosigkeit, um am Anfang Fixkosten einzusparen. Die nächste Generation der Arbeitgeber trägt die Affinität zum Homeoffice bereits in sich. Eine Trendumkehr ist undenkbar.
Laut Ifo-Umfrage planen nur acht Prozent der Firmen restriktivere Homeoffice-Regelungen. Die meisten haben eben erkannt: Nicht ob, sondern wie Homeoffice integriert werden kann, ist wesentlich. Kein Homeoffice ist jedenfalls keine Lösung.

Der Autor:
Jean-Victor Alipour ist Ökonom am Ifo-Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München (LMU).

 

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