Freihandel von Lissabon bis Wladiwostok: Wem nutzt, wem schadet ein eurasisches Handelsabkommen?
Projektlaufzeit: November 2015 - Januar 2016
Bearbeitender Bereich:
Fragestellung und Ziele des Projektes
Der Handel zwischen der EU und Russland ist derzeit durch Sanktionen des Westens gegen Russland und gegenseitige Embargo-Maßnahmen schwer belastet, ohne dass eine sichtbare Veränderung der geostrategischen Ausrichtung Russlands erreicht wurde. Vielleicht erfordert ein Interessensausgleich weniger Strafmaßnahmen, sondern eher die Perspektive auf vertiefte wirtschaftliche Kooperation. Sowohl die EU als auch die Nachfolgestaaten der Sowjetunion sollten großes Interesse an einer Freihandelszone „von Lissabon bis Wladiwostok“ haben, weil die Strukturen ihrer komparativen Vorteile stark komplementär zueinander sind. Für Russland könnte ein tiefgreifendes Abkommen zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft einen Zuwachs der realen Pro-Kopf-Einkommen um 3% bringen; für Deutschland um 0,2%. Das bedeutet ein Einkommenszuwachs von 235 Euro pro Kopf und Jahr für Russland und 91 Euro für Deutschland. Damit könnten Russland und die anderen Länder der ehemaligen Sowjetunion interessante Partner für eine vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EU sein. Die EU sollte an einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft größtes Interesse haben. Außerdem verspricht die komplementäre Spezialisierungsstruktur dieser Länder substantielle wirtschaftliche Vorteile auch für die EU.
Methodische Vorgehensweise
In der Studie quantifizieren wir die potenziellen wirtschaftlichen Konsequenzen durch ein allgemeines Gleichgewichtsmodell. Auf Grundlage der Annahme, dass ein Freihandelsabkommen alle Zölle zwischen der EU und Eurasischen Zollunion (EZU) beseitigen und nichttarifäre Barrieren reduzieren würden, wie dies bereits durch andere tiefgreifende Abkommen geschehen ist, simulieren wir Handels-, Wertschöpfungs- und Wohlfahrtseffekte eines Handelsabkommens.
Datenquellen
GTAP 9, World Development Indicators, Heritage Foundation, WTO, Polity IV, World Economic Outlook, IMF DoTS, Eurostat, UN COMTRADE, OECD TISP, OECD TiVA, WITS-TRAINS
Ergebnisse
Das Potenzial für zusätzlichen Handel an Gütern und Dienstleistungen zwischen der Eurasische Zollunion und der EU ist erheblich. Durch ein ambitioniertes Abkommen könnten die Exporte Russlands in die EU um 32% im Vergleich zum Status quo von 2011 zunehmen; jene Armeniens um mehr als 80%; die Exporte Weißrusslands und Kirgisistan können sich verdoppeln. Wird nicht nur mit den Staaten der Eurasischen Zollunion, sondern mit allen Nachfolgestaaten der UdSSR, die nicht Mitglieder der EU sind, ein ambitioniertes Freihandelsabkommen geschlossen, so könnten die Exporte der EU im Vergleich zum Status quo von 2011 um 74% ansteigen.
In Russland würden vor allem Rohstoffindustrien von einem Abkommen profitieren; allen voran die Erdölwirtschaft. Aber auch der Sektor der Metallprodukte würde gestärkt. Auf der Verliererseite würden sich Obst und Gemüse und auch der Kfz-Sektor finden. Europa könnte mit Hilfe eines Abkommens mit der EZU landwirtschaftliche Erzeugnisse, Lebensmittel, sowie Kfz leichter in die Staaten der ehemaligen UdSSR exportieren.
Publikationen
Free Trade from Lisbon to Vladivostok: Who Gains, Who Loses from a Eurasian Trade Agreement?
ifo Institute, Munich, 2017
in: CESifo Forum 18 (2), 52-62
Freihandel von Lissabon nach Wladiwostok: wem nutzt, wem schadet ein eurasisches Freihandelsabkommen?
ifo Institut, München, 2017
ifo Forschungsberichte / 79
Freihandel von Lissabon bis Wladiwostok
ifo Institut, München, 2017
ifo Schnelldienst, 2017, 70, Nr. 02, 39-50